1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Maßnahmen gegen Rechtsterror

Wolfgang Dick15. November 2012

Auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamts beschäftigten sich Sicherheitsexperten mit der Frage, wie man dem "Terror von Rechtsextremisten" künftig besser begegnen kann. Fazit: Die Gangart soll härter werden.

Beamte mit Schutzschilden (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

17.000 Straftaten waren im Jahr 2011 rechtsextremistisch motiviert. In über 800 dieser Fälle wurde schwere Gewalt angewendet. Fünf versuchte Tötungsdelikte konnten Rechtsextremisten im laufenden Jahr nachgewiesen werden. Die Fakten, die Jörg Ziercke, der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), auf der Tagung in Wiesbaden präsentierte, zeichnen ein düsteres Bild. "Die Szene wird jünger, aktionsorientierter und militanter", sagte Ziercke vor rund 500 Zuhörern, darunter viele Ermittler und Vertreter der in letzter Zeit sehr kritisierten Verfassungsschützer. Sie hatten die zehn Jahre währende rechtsradikale Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) erst aufdecken können, nachdem sich die Täter im November letzten Jahres selbst gerichtet hatten.

Auf der Tagung ging es aber nicht darum, die Pannen der Sicherheitsbehörden aus der Vergangenheit noch einmal zu betrachten. Der Blick war auf die Zukunft gerichtet. "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren", erklärte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), "jeder Tag zählt".

Im Gespräch: der türkische Botschafter KarsliogluBild: DW

Das sieht der am Tagungsort in Wiesbaden anwesende türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, auch als dringend notwendig an. Bürger mit türkischem Migrationshintergrund werden immer wieder Opfer rechtsradikaler Gewalt. "Die Enttäuschung über einen scheinbar wehrlosen Staat ist groß", beschreibt Karsioglu die Gefühle vieler seiner Landsleute. Es gebe aber nur wenige, die eine Rückkehr in ihre ehemalige Heimat ernsthaft überlegen würden. Man hoffe auf schlagkräftigere deutsche Behörden.

Den Kriminalbeamten präsentierten einer ganzen Reihe von Referenten, Sozialforschern, Politologen und Journalisten Ansatzpunkte, um Maßnahmen gegen Rechtsextremisten wirkungsvoller und schneller umzusetzen.

Der Politologe Miroslav MaresBild: DW

Rechtsextreme sind in Europa vernetzt

Miroslav Mares ist Politikwissenschaftler und hat sich an der tschechischen Masaryk Universität in Brno mit dem Phänomen der gestiegenen Rechtsradikalität in Europa beschäftigt. In Vergleichen mit Italien, Schweden, den Niederlanden, Ungarn und Tschechien fielen ihm zahlreiche Verbindungen auf. Über die Grenzen hinweg lernen Rechtsextreme voneinander und unterstützen sich bei Kampagnen, teilen Ausbildungslager und paramilitärische Aktionen, organisieren Finanzhilfen und tauschen sich über Strukturen aus.

Längst operiert die rechtsradikale Szene in kleinen Aktionszellen von drei bis fünf "Kameraden", statt in geordneten Organisationsformen. Das erschwert die Arbeit der Ermittler schon aus rechtlichen Gründen, gegen diese kleineren Einheiten vorzugehen. Miroslav Mares empfiehlt, die internationalen Informationsströme stärker im Auge zu behalten und besser zu erforschen.

Armin Pfahl-Traughber plädiert für mehr Radikalen-ForschungBild: DW

Handlungsmuster besser erkennen

Wie lohnend das sein kann, zeigte der Politologe Armin Pfahl-Traughber. Der Lehrbeauftragte an der Universität Bonn plädierte für mehr Forschung über Rechtsextremisten. Selbst einfachste Fragen blieben bisher kaum ergründet. Zum Beispiel gebe es kaum Erkenntnisse über Gründe für den enormen Zulauf an militantesten Aktivisten in den letzten 20 Jahren.

Auch Handlungsmuster seien nicht wirklich wissenschaftlich erfasst. Würden mehr vergleichende Studien vorliegen, hätten die Fahnder schnell feststellen können, dass zum Beispiel der Anschlag in Köln im Jahr 2004 mit einer "Nagelbombe" in exakt dieser Form auch von der neonazistischen Organisation "Combat18" in England durchgeführt wurde. Die Querverbindung zur rechten Szene wäre schneller gezogen worden, meint Pfahl-Traughber.

Oft reichen einfache Maßnahmen

Undercover unter Rechtsextremen: der Autor Thomas KubanBild: DW

Ein Ansatzpunkt, den Radikalen die Mitläufer und Nachwuchskräfte abspenstisch zu machen, sei es, bei den Emotionen anzusetzen. Bauch und Herz würden vor allem durch Musik angesprochen. Der Journalist Thomas Kuban hat die Anziehungskraft bei "Rechtsrock"-Konzerten mit einer versteckten Kamera untersucht und führte in Wiesbaden Ausschnitte auf Video vor. Besucher waren darauf zu sehen, die mit empor gereckten Armen antisemitische Texte grölten. Immer mehr junge Leute würden von solcher Musik angezogen.

Kuban erscheint in der Öffentlichkeit komplett verkleidet - aus Sicherheitsgründen. Er wurde schon mehrfach bedroht. Der Autor berichtet aber auch von Erfolgen gegen Rechts. In Baden-Würtemberg hatte die Polizei überdurchschnittlich viele Konzerte von Rechtsextremisten gestürmt und ein Event mit 450 Teilnehmern aufgelöst. Daraufhin hätte sich sehr viel Frust unter den Neonazis breitgemacht. Der Zulauf zu den braunen Ideologen sei dadurch deutlich reduziert worden. "Der Effekt der Musik ist nicht zu unterschätzen", sagte Kuban und begründete das damit, dass Flugblätter nur einmal gelesen würden. Liedertexte dagegen würden auswendig gelernt und setzten sich dadurch mit ihren kruden Inhalten in den Köpfen fest.

Die NPD hat nur noch 6.300 Mitglieder bundesweitBild: picture-alliance/dpa

NPD-Verbot noch unsicher

Zwei Tage dauerte der Austausch zwischen Beamten und Referenten. Letztere versuchten mit sehr viel Sachkenntnis, den Angehörigen der Sicherheitsbehörden neue Wege im Kampf gegen Rechts aufzuzeigen. Damit die gegen Neonazis gesammelten Fakten später auch vor Gericht standhalten, wünschte sich Generalbundesanwalt Harald Range eine verbesserte Anerkennung von Beweismitteln.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat nach Aussage seines Chefs Hans-Georg Maaßen auf rund 1000 Seiten Fakten gesammelt, die für ein Verbot der rechtextremen NPD geeignet sein sollen. Anfang Dezember wollen die Innenminister von Bund und Bundesländern über einen erneuten Vorstoß zum Verbot der Partei sprechen. Der letzte Versuch war im Jahr 2003 gescheitert, weil der Staat zu viele Verbindungsmänner angeworben oder in die rechte Szene eingeschleust hatte. Große Hoffnung, dem rechtsradikalen Spektrum ausreichend begegnen zu können, setzt die Politik auf einen besseren Informationsaustausch. Ein spezielles Abwehrzentrum gegen Terror von Links und Rechts wurde an diesem Donnerstag (15.11.2012) in Köln eröffnet.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen