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Politik

Staatsbesuch inkognito

31. Dezember 2017

Griechenland und Mazedonien befinden sich im Dauerstreit. Nun kommt der Regierungschef aus Skopje nach Thessaloniki - offiziell als Privatmann. Dennoch gilt der Besuch als wichtiges Symbol der Annäherung.

Mazedonien | Proteste gegen den griechischen Außenminister 2014
2014 demonstrierten Mazedonier in Skopje gegen einen Besuch des griechischen AußenministersBild: Getty Images/R. Atnasovski

Ein Besuch des mazedonischen Ministerpräsidenten Zoran Zaev bei Thessalonikis Bürgermeister Giannis Boutaris? Das klingt angesichts der dauerhaft gespannten Lage zwischen Griechenland und Mazedonien nach einem historischen Moment. Einem, den es zu feiern gilt - hochoffiziell mit Empfängen, gemeinsamen Auftritten in der Öffentlichkeit und unter Begleitung der Presse. 

Doch offiziell kommt Zaev nicht als Ministerpräsident in die Hauptstadt der nordgriechischen Provinz Makedonien, sondern als Zoran, der bei seinem griechischen Kumpel Giannis Silvester feiern will. Öffentlichkeit und Presse sind ausgeschlossen. 

So fragt man sich derzeit, wann genau der historische Besuch auf dem Makedonia-Airport landet, jenem griechischen Flughafen, der irgendwie ja auch den Namen des Nachbarlandes trägt. Und bereits die Flughafenfrage lässt das Konfliktpotenzial erahnen, das ein regulärer Staatsbesuch mit sich bringen würde: Für Griechenland existiert offiziell kein Staat mit dem Namen Mazedonien. Daraus hat sich zwischen den beiden Nachbarstaaten ein inzwischen 26 Jahre andauernder Streit mit weitreichenden Folgen entwickelt.

Mazedoniens Premierminister Zoran Zaev will den Namensstreit entschärfen, um sein Land in EU und NATO zu führenBild: Press service of the Government of Republic of Macedonia

Konflikt um Namen und Kultur

Im Zuge des Zerfalls Jugoslawiens gründete sich 1991 eine neue Republik, die als Namen Mazedonien wählte. Der Nachbar Griechenland, dessen angrenzende Provinz denselben Namen trägt, wertete dies als Affront. Seither brodelt ein Kulturkrieg zwischen beiden Ländern, der unter anderem dafür verantwortlich ist, dass Griechenland einen EU- und NATO-Beitritt Mazedoniens blockiert. 

Als Mazedonien 1993 Mitglied der Vereinten Nationen wurde, ging dies nur mit der Kompromissbezeichnung FYROM: Former Yugoslav Republic of Macedonia (dt.: Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien). Das sorgte zwar dafür, dass das Land international anerkannt wurde, den Streit mit Griechenland aber löste es nicht.

So gehen die nationalistischen Agitationen beider Länder weiter: Alexander der Große sei Mazedonier gewesen und kein Grieche, behauptet man in Skopje. Ultranationale Stimmen bezeichnen Thessaloniki sogar als besetzte Stadt. Gleichzeitig bezichtigt die griechische Seite den nördlichen Nachbarn des kulturellen Diebstahls. Man würde sich auf Kosten der griechischen Geschichte eine künstliche, kulturelle Identität zusammenklauen und dabei die Zugehörigkeit zum Balkan schlichtweg ignorieren. Auf den Autobahnen in Nordgriechenland sucht man vergebens nach Hinweisen auf Mazedonien. "Skopja" steht auf den Schildern Richtung Grenze geschrieben.

Der Flughafen "Alexander der Große" - nicht in Thessaloniki, sondern in SkopjeBild: picture-alliance/dpa/G. Licovski

Sanftere Töne aus Mazedonien

Seit dem Sturz des rechtsnationalen, mazedonischen Ministerpräsidenten Nikola Gruevski im vergangenen Sommer aber hat sich der Ton verändert. Ließ dieser noch Denkmäler von Alexander dem Großen in der Hauptstadt errichten, richtet sein Nachfolger, der Sozialdemokrat Zaev, versöhnliche Worte an Griechenland, spricht von einem freundschaftlichen Verhältnis und sucht nach politischen und kulturellen Kompromissen. Damit erhofft er sich freilich mehr als ein gutes Verhältnis. Mazedoniens Wirtschaft geht es schlecht. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und auch die politische Situation mit den Nachbarländern Albanien, Serbien und Bulgarien ist konfliktgeladen. Sein Ziel: Der lang angestrebte Beitritt zur Europäischen Union und zur NATO, um das Land endlich auf einen stabilen Kurs zu führen.

Beide Mitgliedschaften würden voraussichtlich für klarere Verhältnisse im Balkan sorgen. Zum einen würde die NATO Mazedonien endgültig an den Westen binden und somit Moskau einen Strich durch die Rechnung machen. Ein EU-Beitritt würde das Land aus der politischen und wirtschaftlichen Versenkung holen. Von all diesen Aspekten würde die gesamte Region, in der es immer wieder zu staatsübergreifenden Krisen kommt, profitieren. 

Dieses Interesse sollte auch das immer noch kriselnde Griechenland zeigen. Dennoch dringen aus Athen in puncto Namensfrage zumeist unnachgiebige Töne. Vor allem an Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis, Parteichef der konservativen Nea Demokratia, erhofft sich damit wohl Stimmen aus dem nationalkonservativen Lager für die Parlamentswahl 2019. Dabei war es sein Vater Konstantinos Mitsotakis, der als griechischer Ministerpräsident 1990 bis 1993 mit Namensalternativen wie Nord-Mazedonien einen für beide Seiten praktikablen Kompromiss anstrebte.

Thessaloniki als Vermittler 

Aber auch Ministerpräsident Alexis Tsipras hält sich bedeckt zum Thema. Eigentlich wäre er wohl gern persönlich nach Thessaloniki gereist, um gemeinsam mit Bürgermeister Boutaris und seinem mazedonischen Amtskollegen die Friedenspfeife zu rauchen. Immerhin betreibt Tsipras in der Hoffnung auf wirtschaftliche und strategische Vorteile seit einigen Jahren eine Öffnungspolitik Richtung Balkan. Dass Tsipras Mazedonien bisher ausgeklammert hat, liegt vor allem an seinem Koalitionspartner, der rechtspopulistischen ANEL, die sich im Namenskonflikt unversöhnlich zeigt.

Dabei lassen die nationalen Hardliner zwei wichtige Punkte außer Acht. Erstens: Wenn Griechenland Mazedoniens neue Kompromissbereitschaft zu lange ignoriert, wird es seine internationalen Unterstützer für einen Namenskompromiss verlieren und müsste sich unter Umständen sogar mit einem offiziellen Staat "Mazedonien" abfinden. Und zweitens: Eine Überwindung des Konfliktes birgt wirtschaftliches Potenzial in sich, auf das keines der beiden Länder verzichten kann. 

Giannis Boutaris, Bürgermeister von Thessaloniki, auf der Gay Pride Parade 2017Bild: DW/F.Schmitz

Wie ein griechisch-mazedonisches Zusammenleben aussehen könnte, zeigt das Beispiel Thessaloniki. Nur etwa 40 Autominuten entfernt liegt die gemeinsame Grenze. Am Wochenende kommen viele Einkaufsgäste aus dem Nachbarland in die zweitgrößte Stadt Griechenlands, im Sommer macht man Urlaub auf der Halbinsel Chalkidiki. Allein aus diesem Grund bemüht sich Thessalonikis Bürgermeister Boutaris mit seiner unideologischen und auf Wachstum ausgerichteten Politik um eine gute Beziehung zu Mazedonien. Erst vor wenigen Wochen war er nach Skopje gereist, um sich über gemeinsame Projekte auszutauschen. Dass der Mazedonier Zaev ihn jetzt in Thessaloniki besucht zeigt: Das Interesse an einer dauerhaften Annäherung ist groß.

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