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Staatskrise in Rumänien: Warum sind die Rechten so stark?

Veröffentlicht 11. März 2025Zuletzt aktualisiert 11. März 2025

In Rumänien verbreiten Rechtsextreme wie der Präsidentschaftskandidat Calin Georgescu haarsträubende Ideen - und haben damit großen Zulauf. Das hat eine neue Staatskrise im Land ausgelöst. Wie konnte es so weit kommen?

Links ist ein Uniformierter mit Helm zu sehen, der ein Plastikschild vor sich hält. Auf ihn laufen viele Menschen zu, einige von ihnen tragen Atemschutzmasken. Rechts im Bild ist eine rot-gelb-blaue Fahne zu erkennen
9. März 2025: Anhänger des prorussischen, rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Calin Georgescu geraten bei einer Demonstration vor dem Zentralen Wahlbüro in Bukarest mit der Polizei aneinanderBild: Daniel Mihalescu/AFP/Getty Images

Rumänien hat in den dreieinhalb Jahrzehnten seit dem Ende der Ceausescu-Diktatur immer wieder Staatskrisen erlebt. Da waren die  "Mineriaden" der Jahre 1990/91, politisch gelenkte Überfälle von Bergarbeitern, um demokratische Bestrebungen nach dem Sturz des Kommunismus zu zerstören. Oder die Staatskrise von 2012, als sich korrupte Politikercliquen einen monatelangen Machtkampf mit dem damaligen Staatspräsidenten Traian Basescu lieferten.

Auch in diesen Wochen und Monaten steckt Rumänien wieder in einer tiefen Staatskrise, ausgelöst durch die annullierte Präsidentschaftswahl vom November 2024. Dabei handelt es sich jedoch nicht einfach um eine weitere Krise. Was diesmal anders ist: Noch nie seit 1990 hatten rechtsextreme, antiwestliche und prorussische Kräfte in Rumänien so viel Zulauf wie derzeit. Und noch nie seit 1990 schien die rumänische Gesellschaft so desillusioniert wie zur Zeit.

Calin Georgescu spricht am 7. März 2025 in Bukarest zu MedienvertreternBild: Andreea Alexandru/AP Photo/picture alliance

Ausdruck dieser Stimmungslage waren am vergangenen Sonntag in Bukarest gewalttätige nächtliche Proteste. Anhänger rechtextremer Parteien zogen randalierend durch die Innenstadt, zerstörten Geschäfte und Cafés und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Zwar nahmen an den Protesten nur einige hundert Randalierer teil. Dennoch waren es Szenen, wie es sie in der rumänischen Hauptstadt seit langem nicht mehr gegeben hatte.

Der Anlass: Die Zentrale Wahlkommission Rumäniens (BEC) hatte den prorussischen Rechtsextremisten Calin Georgescu von der neu angesetzten Präsidentschaftswahl im Mai ausgeschlossen. Die Begründung: Georgescu verstoße durch bestimmte Aussagen gegen die Pflicht, als Präsident die Verfassung und die Demokratie zu schützen, daher dürfe er nicht kandidieren. Außerdem habe das Verfassungsgericht wegen ihm bereits eine Wahl annulliert, was ihn automatisch von einer erneuten Kandidatur ausschließe.

Ermittlungen gegen Umstürzler

Georgescu hatte Ende November 2024 die erste Runde der Präsidentschaftswahl gewonnen - und er wäre auch nach heutigen Umfragen der aussichtsreichste Kandidat bei weiteren Abstimmungen. Das Verfassungsgericht hatte die Wahl damals zunächst für gültig erklärt, sie dann aber annulliert, nachdem, so die Erklärung, neue Informationen vorlagen. Konkret: Georgescu soll seinen Wahlkampf illegal finanziert haben, außerdem soll Russland durch digitale Attacken zu seinen Gunsten in den Wahlkampf eingegriffen haben. Die illegale Wahlkampffinanzierung ist öffentlich belegt - nicht aber eine russische Wahleinmischung.

US-Vizepräsident JD Vance spricht am 14. Februar 2025 auf der Münchner SicherheitskonferenzBild: Leah Millis/REUTERS

Die Causa Georgescu bekam eine internationale Dimension, als US-Vizepräsident JD Vance sie Mitte Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz als "Beweis" dafür anführte, dass Europa undemokratisch sei. Zudem wird Georgescu von dem Milliardär und Trump-Sonderbeauftragten Elon Musk unterstützt. Den Ausschluss des rumänischen Rechtsextremisten von der Wahl bezeichnete Musk auf X als "verrückt". Georgescu selbst stilisierte seinen Wahlausschluss zu einem "direkten Stoß ins Herz der Weltdemokratie". Und: "Europa ist nun eine Diktatur, in Rumänien herrscht Tyrannei."

Nicht nur der Fall Georgescu hält die rumänische Öffentlichkeit in Atem. In der vergangenen Woche gab die Sonderstaatsanwaltschaft DIICOT, zuständig für Fälle von organisierter Kriminalität und Terrorismus, bekannt, dass gegen eine Gruppe von sechs Personen sowie einen 101 Jahre alten General a.D. wegen eines geplanten Umsturzes der staatlichen Ordnung ermittelt werde. Wegen desselben Delikts war bereits vor einigen Wochen Haftbefehl gegen den rumänischen Söldnerführer Horatiu Potra erlassen worden; dessen derzeitiger Aufenthaltsort ist jedoch unbekannt.

"Vlad der Pfähler" für den Staat "Getia"

Tatsächlich sind sowohl Calin Georgescu als auch die angeblichen Umstürzler schaurige und groteske Figuren. Georgescu, ein esoterischer Schwurbler, lässt keinen Zweifel daran, dass er "das System" und die politische Elite abschaffen will. Er behauptet gleichzeitig, er sei bereits Präsident Rumäniens und in ihm verkörpert kandidiere das gesamte rumänische Volk für das höchste Staatsamt. Er stilisiert sich zu einem christlichen Messias und verspricht, er werde die "erste Wasser-Pipeline der Geschichte" errichten, womit er Rumänien als Weltmacht etabliere. Außerdem verkündet er, dass er als Präsident dafür eintreten werde, den "erfundenen Staat" Ukraine zwischen Rumänien, Russland, Ungarn und Polen aufzuteilen.

Vlad III., ein Prinz aus dem Hause der Draculesti, war im 15. Jahrhundert Woiwode des Fürstentums WalacheiBild: United Archives/IMAGO

Noch abstrusere Ideen haben die "Putschisten", deren Komplott vergangene Woche angeblich aufgedeckt wurde. Sie nennen sich "Kommando Vlad der Pfähler" - nach dem spätmittelalterlichen walachischen Wojewoden Vlad III. (1431-1476), der das historische Vorbild der fiktiven Figur Dracula ist. Anstelle Rumäniens wollen sie einen Staat namens "Getia" schaffen, der militärisch und "energetisch-informationell" sowie von einem "Rat der Weisen" geführt wird.

Mangelnder Reformwille

Nicht jedoch dieser atemberaubende Unsinn, der ebenso an die faschistische Legionärs-Ideologie der Zwischenkriegszeit wie auch die der größenwahnsinnigen Ceausescu-Diktatur erinnert, ist die Ursache der jetzigen rumänischen Staatskrise. Dahinter steht ein chronisch mangelnder Wille zu Reformen und zu guter, transparenter, nachhaltiger Regierungsführung der politischen Elite - mit allen daraus folgenden Problemen.

Rumänische Lehrer protestieren am 25. Mai 2023 in Bukarest für höhere Gehälter und bessere ArbeitsbedingungenBild: Daniel Mihailescu/AFP/Getty Images

Obwohl sich Rumänien makroökonomisch in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt stark entwickelt hat, sind viele ländliche Regionen hoffnungslos abgehängt und von Abwanderung betroffen. Korruption, Vetternwirtschaft, Selbstbereicherung der Eliten, politische Beeinflussung der Justiz und Intransparenz der staatlichen Verwaltung sind immer noch weit verbreitet. Die Infrastrukturentwicklung Rumäniens verläuft schwerfällig und oft planlos.

Ein großes Problem sind auch jahrezehntelang ausgebliebene Reformen im Bildungswesen und inkompetente Berichterstattung vieler Medien. Rechtsextreme wie Georgescu verbreiten auf Social Media-Plattformen wie TikTok, in Auftritten und Interviews oft krasse Lügen und Fake News, ohne dass Journalisten ihnen widersprechen oder Faktenchecks veröffentlichen.

Fragwürdiges Vorgehen der Behörden

Rumäniens kürzlich zurückgetretener Präsident Klaus Iohannis hatte 2014 versprochen, das Land tiefgreifend zu reformieren. Doch er vergrub sich passiv in den Präsidentenpalast. In seine beiden Amtszeiten fallen ein Stopp von Justizreformen, ein immer schwächerer Kampf gegen Korruption und ständige Regierungskrisen. Vor diesem Hintergrund und mangels politischer Alternativen wuchs das Wählerpotential dreier rechtsextremer Parteien massiv an - sie gewannen bei der Parlamentswahl im Dezember 2024 rund 35 Prozent.

Klaus Iohannis schreitet während seiner Abschiedszeremonie am 12. Februar 2025 in Bukarest die Ehrengarde abBild: Cristian Cristel/Xinhua/picture alliance

Aufgeschreckt dadurch steht Rumäniens politische Elite nun im Verdacht, Georgescu mit antidemokratischen Mitteln ausschalten zu wollen. Tatsächlich ist vieles am Vorgehen gegen Georgescu fragwürdig. Beispielsweise wird gegen den antidemokratischen Präsidentschaftskandidaten seit Februar 2022 strafrechtlich ermittelt, weil er die Legionärsbewegung verherrlicht - doch noch im November 2024 war das kein Grund, ihn von der Kandidatur für die Präsidentschaftswahl auszuschließen. Auch die Putschpläne des "Kommandos Vlad der Pfähler" sind seit Jahren im Internet frei nachlesbar - ohne dass Geheimdienste und Staatsanwaltschaft tätig wurden.

Am Dienstagabend (11.03.2025) entschied das rumänische Verfassungsgericht endgültig, dass Georgescu bei der Wahl im Mai nicht für das Präsidentenamt kandidieren darf. Das Gericht wies den Berufungsantrag Georgescus gegen die Entscheidung der Wahlkommission zurück.

Für diesen Fall hatte die Publizistin Ioana Ene Dogoiu vom Internet-Portal Spotmedia schon vorher betont: "Das bedeutet nicht, dass alles gut ist und es weitergehen kann wie bisher. Wir befinden uns in einer tiefen Krise, mit einer angeschlagenen, stumpfen Demokratie, einer polarisierten Gesellschaft, ausgefransten Institutionen und einem abgrundtiefen Misstrauen zwischen den Wählern und der politischen Klasse. Das sind die großen Probleme, Georgescu hat nur von ihnen profitiert. Wenn sie bleiben, ist es nur eine Frage der Zeit, wann ein neuer Profiteur kommt."