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Politik

Staatsminister Roth: "Ein ziemliches Gewitter"

Deger Akal
6. April 2017

Nach seinem Türkeibesuch spricht Staatsminister Michael Roth über Deniz Yücel, polarisierte Türken und eine diplomatische Tugend.

Türkei Istanbul Michael Roth
Bild: picture-alliance/AP Images/E. Gurel

DW: Deniz Yücel hat am 4.4. erstmals konsularische Betreuung bekommen. Was umfasst diese Genehmigung und wie bewerten Sie es? Haben Sie noch andere Erwartungen an die türkische Regierung?

Michael Roth: Zunächst einmal sind wir der türkischen Regierung dankbar, dass sie diesen Besuch zur konsularischen Betreuung von Deniz Yücel ermöglicht hat. Wir haben uns darum lange und intensiv bemüht. Dies war zunächst ein einmaliger Besuch, wir erwarten aber, dass weitere Besuche möglich sein werden. Außerdem ist mir völlig unverständlich, dass Deniz Yücel in Einzelhaft sitzt. Das belastet ihn nach wie vor sehr. Ohne Einfluss auf die türkische Justiz nehmen zu wollen, setzen wir uns aber vor allem dafür ein, dass Deniz Yücel alsbald freigelassen wird. Entgegen allen öffentlichen Vorverurteilungen: Er ist weder ein deutscher Agent noch ein Terrorist. Er ist ein Journalist, ein zugegebenermaßen besonders kritischer. Aber seine Arbeit fällt unter das Recht auf freie Meinungsäußerung und der Pressefreiheit.

Wie geht es Deniz Yücel?

Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Seine Haftbedingungen haben sich in den vergangenen Wochen erfreulicherweise verbessert. Aber die Einzelhaft muss beendet werden. Und ich hoffe auf seine Freilassung.

Sie sagen, dass seine Einzelhaft sehr belastend ist. Wurde dieses Thema mit türkischen Behörden besprochen?

Den Fall Yücel habe ich bei allen meinen Gesprächspartnern in Ankara zum Thema gemacht. Aber ich bitte um Verständnis, dass ich hier die Vertraulichkeit der Gespräche wahren möchte. Mich stimmt hoffnungsvoll, dass die alte diplomatische Tugend, nicht nur übereinander, sondern vor allem miteinander zu sprechen, erfolgreich ist.

Wie waren Ihre Gespräche in Ankara? Wen haben Sie getroffen?

Zunächst muss ich sagen, dass die türkische Regierung auf meine sehr kurzfristige Besuchsankündigung sehr offen und schnell reagiert hat. Dafür bin ich dankbar. Neben meinem Amtskollegen Europaminister Ömer Celik habe ich auch Vize-Außenminister Ahmet Yildiz, den stellvertretenden Justizminister Bilal Ucar und Präsidentenberater Ibrahim Kalin getroffen.

Roth: "Haftbedingungen Yücels verbessert"

00:23

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Gibt es auf beiden Seiten die Bereitschaft die Spannungen zu überwinden. Was für Schritte erwarten sie von der türkischen Regierung?

In allen Gesprächen wurde deutlich, dass die türkische Regierung unser Interesse teilt, die deutlichen Verstimmungen, die sich in den vergangenen Wochen auf beiden Seiten aufgebaut haben, hinter uns zu lassen. Wir gehen derzeit durch ein ziemliches Gewitter. Aber jetzt brauchen wir wieder eine verlässliche Form der Zusammenarbeit. Beide Länder stehen vor gemeinsamen Bewährungsproben, sei es in der Bewältigung der Flüchtlingskrise, im Kampf gegen Terrorismus oder im Bemühen, die Konflikte in der Region zu befrieden. Deutschland ist der wichtigste Wirtschafts- und Handelspartner der Türkei. Jetzt muss endlich verbal abgerüstet werden. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass die unsäglichen Nazi-Vergleiche aufhören.

Sie haben Vertreter der Zivilgesellschaft in der Türkei getroffen. Wie würden Sie die Gespräche bewerten? Was sind Ihre Beobachtungen?

Die türkische Gesellschaft ist stark polarisiert. Der Wahlkampf über das Verfassungsrefendum beherrscht die Debatten im Land. Die wirtschaftliche und soziale Lage hat sich für viele Menschen verschlechtert. Das spürt man. Die Sorgen vor terroristischen Anschlägen sind immer noch sehr groß. Vor allem junge Türkinnen und Türken richten nach wie vor ihren Blick auf die Europäische Union. Sie verstehen sich als Teil unserer Wertegemeinschaft und wollen dazu gehören. Ihnen fühle ich mich in ganz besonderer Weise verpflichtet.

Michael Roth (SPD) ist Mitglied des deutschen Bundestags und Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt.

Das Interview führte Deger Akal.