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Staatsschule ohne Religion

Ingun Arnold13. April 2005

Religionsunterricht muss nicht sein: Frankreich hat sich vor 100 Jahren dagegen ausgesprochen. Die Niederlande haben ein Ersatzangebot bis zur Sekundarstufe I, Albanien nicht einmal das. Slowenien laviert herum.

Albanien: Gottlose Welt?Bild: DW


Die Niederlande

1985 wurde in den Niederlanden das Lernfeld "Geistige Strömungen" eingeführt. Die Schüler der Grundschulstufe und Sekundarstufe I sollen konfessionsübergreifend und wertneutral die kulturelle Vielfalt des Landes kennenlernen. In der Sekundarstufe II gibt es keinen Religionsunterricht und auch kein Ersatzangebot. Allerdings besuchen mehr als die Hälfte aller Schüler in den Niederlanden konfessionsgebundene Privatschulen. Religionsunterricht ist dort Pflicht und Teil des Schulvertrags, die Schüler können sich also nicht abmelden. Es gibt auch keine Alternativen.

Frankreich

Die Franzosen haben 1905 gesetzlich verfügt, dass Staat und Religion strikt zu trennen seien. An staatlichen Schulen gibt es deswegen grundsätzlich keinen Religionsunterricht. Katechetische Unterweisung organisieren die Kirchgemeinden, die Schulen halten dafür Zeit frei. Seit fast zehn Jahren wird diskutiert, ob stattdessen das Fach "Religiöse Kultur" – oder entsprechende Unterrichtseinheiten in den Fächern Französisch und Geschichte – eingeführt werden sollte. Denn für bestimmte geschichtliche Zusammenhänge oder zur Interpretation literarischer Werke fehlt den meisten Schülern das nötige religiöse Grundwissen. Aber: "Darf der Staat ein solches Schulfach einführen, das alle Schüler besuchen müssen? Ist dann die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit noch gegeben?", fragt sich Peter Schreiner, Präsident der Intereuropäischen Kommission für Kirche und Schule (ICCS). Eine Ausnahme ist Elsass-Lothringen: Das Gebiet gehörte noch bis 1918 zu Deutschland. Religion war und ist dort ordentliches Schulfach.

Slowenien

Die meisten Länder Osteuropas haben nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder konfessionellen Religionsunterricht eingeführt. Als Alternative ist "Ethik" im Angebot. Eine Ausnahme ist Slowenien: Formal gibt es auch dort Religionsunterricht, nur ist es praktisch für die Schüler kaum möglich, den Unterricht zu besuchen. "Religionsunterricht wird bloß als unverbindliches Wahlfach angeboten, das einer Gruppe mit verbindlichen Wahlfächern so zugeordnet ist, dass es de facto nicht gewählt wird", hat die österreichische Theologin und Juristin Christine Mann bei einer Analyse festgestellt.

Albanien

Das zweite Land in Europa ohne jeglichen Religionsunterricht ist Albanien: 1967 erklärte sich das Land zum "weltweit ersten atheistischen Staat". Seit dem Fall der Mauer versuchen die Kirchen, in Albanien wieder heimisch zu werden, denn das Land hat eine lange religiöse Tradition: Bereits Ende des 3. Jahrhunderts war es christanisiert - im Norden nach lateinischer Liturgie, im Süden nach dem byzantinischen Ritus der Ostkirchen. Mit den Türken kam im 15. Jahrhundert der Islam: Im Laufe der Jahrhunderte wurden die meisten Albaner Muslime. Ende des Zweiten Weltkriegs waren 10 Prozent der Albaner katholischen, 22 Prozent orthodoxen und 70 Prozent muslimischen Glaubens.

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