"Stadtbild"-Kommentar: Bundeskanzler Merz in der Kritik
17. Oktober 2025
Eigentlich war der Termin in Potsdam am Dienstag dieser Woche für Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ein Moment der Atempause im hektischen Alltag: Am Tag zuvor war der deutsche Regierungschef noch in Ägypten, um bei der Unterzeichnung des Nahost-Friedensplans von US-Präsident Donald Trump dabei zu sein. Nun fuhr er auf der Havel, dem großen Fluss, der die deutsche Hauptstadt Berlin mit Brandenburgs Hauptstadt Potsdam verbindet, mit einem Ausflugsdampfer. Und besuchte einen Kindergarten. Ein Wohlfühltermin. Sein Antrittsbesuch im Bundesland Brandenburg.
Merz: "Es gibt immer noch dieses Problem im Stadtbild"
Aber dann gab er doch noch einige kurze Statements vor der Presse. Dabei wurde der Kanzler auf die verschärfte Migrationspolitik, vor allem von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), angesprochen. Außerdem wurde er gefragt, wie er denn auf die hohen Umfragewerte der in Teilen rechtsextremen "Alternative für Deutschland" (AfD) reagieren würde. In Brandenburg lag die AfD in einer Umfrage von Ende September als stärkste Partei mit 34 Prozent weit vor den in Potsdam regierenden Sozialdemokraten . Der Kanzler führte aus, die Zahl der Geflüchteten nach Deutschland sei schon gesunken, und fügte hinzu: "Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen."
Heftige Kritik von der Opposition
Probleme im Stadtbild? Was war damit gemeint? Sprach Merz von sozialen Brennpunkten, von Regionen mit Wohnungsnot und hoher Arbeitslosigkeit? Oder bezog er sich pauschal auf Stadtteile mit hohem Ausländeranteil? Was genau er meinte, blieb unklar. Auf jeden Fall stieß seine Formulierung auf heftige Kritik. Bei der Opposition, aber im geringen Umfang sogar in der eigenen Partei. So sagte der Parteichef der Grünen, Felix Banaszak, der "Deutschen Presseagentur": "Wenn der Bundeskanzler von einem Stadtbild auf die Notwendigkeit weiterer Abschiebungen schließt, dann sendet er ein fatales Signal." Das sei respektlos und gefährlich. Die Grünen waren noch bis zum vergangenen Mai Regierungspartei in Deutschland und befinden sich jetzt in der Opposition. Sören Pellmann, der Fraktionsvorsitzende der Linken, forderte den Kanzler sogar auf, sich zu entschuldigen: "Der offensichtliche Ausrutscher Ihrer Formulierung war nicht nur deplatziert, sondern es hat einen weiteren Stachel in unsere Demokratie gesetzt."
Kretschmer: "Wir müssen unsere Werte durchsetzen"
Es gab aber auch Politiker, die Merz verteidigten. So sagte der Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer, ebenfalls CDU: "Die Zeitungen sind voll von Gewalttaten. Menschen, von denen wir dann feststellen, dass sie eigentlich vollziehbar ausreisepflichtig sind." Es sei nicht damit getan, dass die Anzahl der Menschen, die nach Deutschland kämen, reduziert werde, sondern es müsse auch gelingen, "unsere Normen, unsere Werte durchzusetzen." Also hatte Merz dann doch ganz speziell über die vielen Menschen gesprochen, die vor allem nach 2015 ins Land gekommen waren? Vor allem aus Syrien, aus Afghanistan und dem Irak?
Wegner: "Kann man nicht an der Nationalität festmachen"
Eine ganz andere Ansicht vertritt Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, der wie Merz der konservativen CDU angehört, aber schon oft mit dem Kanzler aneinander geraten ist. Er sagte der Berliner Zeitung "Tagesspiegel": "Berlin ist eine vielfältige, internationale und weltoffene Stadt. Das wird sich immer auch im Stadtbild abbilden." Wegner fügte hinzu, es gebe durchaus ein Problem "mit Gewalt, Müll und Kriminalität in der Stadt. Aber das kann man nicht an der Nationalität festmachen."
Kornelius: "Kein Satz des Kanzlers, sondern des Parteichefs"
Dass die Bemerkung von Merz mindestens unglücklich war, ist offenbar auch der Bundesregierung bewusst. So bemühte sich etwa Regierungssprecher Stefan Kornelius am Mittwoch, die Wogen zu glätten. War der Satz von Merz gegen in Deutschland lebende Ausländer gerichtet? Kornelius sagte: "Ich glaube, da interpretieren Sie zu viel hinein. Der Bundeskanzler hat sich zu dem geänderten Kurs in der Migrationspolitik der neuen Bundesregierung geäußert - übrigens in seiner Funktion als Parteivorsitzender, was er auch explizit so kenntlich gemacht hat." Merz ist auch Vorsitzender der konservativen CDU. Kornelius fügte hinzu, der Kanzler habe immer klargemacht, dass es sich bei der Migrationspolitik in seinen Augen nicht um Ausgrenzung handeln dürfe, sondern um eine einheitlich geregelte Zuwanderung.
Auch Söder sprach schon vom "Stadtbild"
Doch letztlich entzündete sich die aufgeregte Debatte an der Wortwahl des "Stadtbildes". War das Merz einfach so rausgerutscht oder steckt mehr dahinter? Auf jeden Fall hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Ende September in einem Interview mit dem "Münchner Merkur" ähnliche Worte benutzt. Er sprach sich damals für mehr Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien aus und forderte wie jetzt Merz, dass sich das Stadtbild wieder verändern müsse.