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Stalins Wiederbelebung

14. April 2005

In Russland sind bis heute nur wenige Stalin-Denkmäler stehen geblieben. Jetzt, vor dem 60. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg, könnten neue aufgestellt werden. Russische Menschenrechtler warnen.

Soll Stalin wieder auf den Sockel?Bild: AP

Es ist kein Geheimnis, dass unter den Russen, darunter auch unter den jugendlichen, eine latente Liebe zu Stalin besteht. Umfragen zufolge sind 47 Prozent der Bevölkerung Russlands überzeugt, Stalin habe eine "positive Rolle in der Geschichte des Landes" gespielt. Die Anzahl der Menschen, die meinen, der Diktator verdiene als Staatsmann geachtet zu werden, nimmt zu, je näher der Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über das faschistische Deutschland heranrückt.

"Beleidigung vieler Millionen von Menschen"

Stalin werde dem Volk als derjenige präsentiert, der den "großen Sieg" errungen habe. Den Initiatoren dieser Idee seien die Gefühle der Menschen gleichgültig, die in dieser Idee eine Beleidigung vieler Millionen von Menschen sehen – der Menschen, die im Zweiten Weltkrieg nicht dank Stalin, sondern trotz der Misserfolge, Fehler und Verbrechen des von ihm errichteten Regimes gesiegt hätten, heißt es in einer Erklärung der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial. "Stalin-Denkmäler haben keinen Platz im 21. Jahrhundert. Wir protestieren entschieden gegen alle Versuche, den Diktator wiederzubeleben – in Bronze oder in Marmor, in Gesellschaft oder allein", unterstreicht Memorial.

Wohin mit Stalin, Churchill und Roosevelt?

Memorial bezieht sich unter anderem auf die Skulpturengruppe "Stalin, Churchill, Roosevelt" von Surab Zereteli, die erst in Moskau und dann in Jalta aufgestellt werden sollte. Als möglichen Ort für das Denkmal wird jetzt Wolgograd genannt. "Die Rückkehr Stalins auf einen Sockel – zusammen mit Churchill und Roosevelt oder auch ohne sie – kommt einer politischen Rehabilitierung eines der brutalsten Diktatoren der modernen Geschichte gleich", betonen die russischen Menschenrechtler. Diese Aussichten würden nach Ansicht von Memorial zu Recht Empörung der Opfer des Stalin-Terrors und dessen Nachfahren hervorrufen. "Das Denkmal darf weder in Wolgograd noch sonst wo in der Welt stehen", so Memorial.

Wolgograd fehlt Geld

Im Rathaus der Stadt Wolgograd wurde gegenüber DW-WORLD erklärt, man werde das Denkmal nur aufstellen, wenn das Volk es wünsche und wenn dies jemand finanziert, denn dies sei, so hieß es, eine "sehr teure Angelegenheit". Zereteli ist nur bereit, den Transport zu übernehmen. Aber was geschieht, wenn Jalta das Denkmal doch noch annimmt? Nein, eine Kopie würde man nicht akzeptieren, wurde in Wolgograd betont. Wenn man es aufstellen würde, dann nur als Original.

Eleonora Wolodina
DW-WORLD, 12.4.2005, Fokus Ost-Südost