1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Standpunkt: Repression verhindert Versöhnung

Mudhoon, Loay9. Dezember 2013

Seit der gewaltsamen Absetzung des Präsidenten Mursi versucht die neue Militärführung, die Muslimbrüder mit brutalen Mitteln auszuschalten. Damit setzt sie Ägyptens Zukunft aufs Spiel, meint Loay Mudhoon.

Loay Mudhoon, Redakteur der Deutschen Welle (Foto: DW)
Loay Mudhoon, Redakteur der Deutschen WelleBild: DW

Mit dem von Demonstranten und Militär herbeigeführten Sturz von Mohammed Mursi, des ersten demokratisch gewählten Präsidenten in der Geschichte Ägyptens, begann vor fünf Monaten eine Hexenjagd auf die Mitglieder der Mutterorganisation des politischen Islams. Inzwischen sind die Muslimbrüder offiziell verboten, und fast ihre gesamte Führungsriege sitzt hinter Gittern.

Zuvor baute die Militärführung die Islamisten mit Hilfe der von ihr gesteuerten Massenmedien als dunkle Gefahr für das Vaterland auf und tat alles, um ihre Rolle beim Volksaufstand vom Januar 2011 gegen das Mubarak-Regime zu delegitimieren. Aus diesem Grund werden die Muslimbrüder beschuldigt, die Revolution mit Hilfe der Hamas, ihrer palästinensischen Ableger-Organisation, betrieben zu haben. Hinzu kommen Vorwürfe gegen die ehemalige Führung der Muslimbruderschaft - wie Anstachelung zu Ausschreitungen und Aufrufe zum Mord.

Unterdrückung als Allheilmittel

Dass die Mehrzahl dieser Vorwürfe konstruiert und politisch motiviert ist, dürfte auf der Hand liegen und wird durch das Verhalten einiger Richter eindrucksvoll bestätigt: Die ersten zuständigen Richter für den Prozess gegen den geistlichen Führer der Muslimbrüder, Mohammed Badie, haben sich aus diesem Verfahren Ende Oktober zurückgezogen, weil es ihnen schlichtweg zu "peinlich" war. Auch harsche Urteile gegen minderjährige Unterstützerinnen der Muslimbrüder belegen die Engstirnigkeit und Brutalität der selektiv arbeitenden Justiz im Post-Mursi-Ägypten.

Fünf Monate nach dem Sturz Mursis wurden jedoch neue Tatsachen in Ägypten geschaffen: Ein neuer Verfassungsentwurf, der von einer 50-köpfigen Kommission erarbeitet wurde, liegt inzwischen vor und soll den Weg für einen neuen Übergangsprozess ebnen.

Paradoxerweise bleibt die neue Verfassung islamisch gefärbt, denn die Scharia soll die Hauptquelle der Gesetzgebung sein. Aber noch wichtiger: Sie räumt der Armee bedenkliche Sonderrechte ein und zementiert ihre Rolle als eigentliche Quelle der Macht im größten arabischen Land.

Keine Demokratie ohne nationale Versöhnung

Doch das größte Hindernis auf dem Weg zu einer nachhaltigen Demokratisierung Ägyptens bleibt die fehlende nationale Versöhnung. Wenn die Armeeführung um General al Sissi glaubt, eine in der Bevölkerung seit 80 Jahren verankerte sozial-religiöse Bewegung wie die Muslimbruderschaft lasse sich mit repressiven Mitteln alleine beseitigen, dann begeht sie einen historischen Fehler. Auch der große panarabische Führer Nasser scheiterte kläglich, als er vor einem halben Jahrhundert versucht hatte, die Bruderorganisation vollständig zu eliminieren.

Die alleinige Fixierung auf Verfolgung und Dämonisierung der Muslimbrüder blockiert die notwendige Versöhnung und Einbildung aller Kräfte am Nil und dürfte eher dazu beitragen, Ägypten zu "pakistanisieren" - zumal sich an den sozioökonomischen Ursachen für neue Aufstände nichts geändert hat.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen