Starkbierfeste in Bayern: Wo die Fastenzeit am schönsten ist
14. März 2019Die Säle der bayrischen Wirtshäuser sind schon wieder festlich geschmückt, Dirndl und Lederhosen werden bereitgelegt. Mit Beginn der Fastenzeit fließt aus den Zapfhähnen in ganz Bayern wieder der süffige Salvator oder Maximator, Triumphator oder Aviator.
Welche dieser Starkbiersorten letztlich in den Maßkrug kommt, das hängt von der Brauerei ab, aus der es stammt. Ein "-ator" ist es ganz gewiss, so will es die Tradition, seitdem die Paulaner-Mönche mit ihrem Salvator den "Urvater alle Starkbiere" gebraut haben. Und das ist schon gut 375 Jahre her.
Maßvoller Genuss, gute Musik und etwas Bewegung
Meine Freunde und ich haben einen Tisch im Münchener Augustinerkeller reserviert. Hier wird der Maximator ausgeschenkt. Ein malzig-dunkler Doppelbock, der mit Blick auf die schlanke Linie etwas zu gut mit einer deftigen Brotzeit oder einer kross gebratenen Ente harmoniert.
Seinen Alkoholgehalt von 7,5 Prozent weiß der Maximator zunächst gut zu verstecken. Kaum aber ist die erste Maß die Kehle hinunter geronnen, schafft es das Fastengetränk dann doch irgendwie, in den Kopf zu steigen. Hier angekommen, lockert es die Glieder und das Mundwerk.
Zum Unterhalten ist es im Festsaal viel zu laut. An diesem Abend spielt die "Harthauser Musi", die ersten zwei Stunden ohne Pause. Die einen im Publikum stimmen lauthals in Klassiker wie Cordula Grün oder 99 Luftballons mit ein, während die anderen gleich das Tanzbein schwingen. Ob Paartanz oder Polonaise, solange sich ein Plätzchen zwischen den langen Tischen findet, ist alles erlaubt. Und dazwischen heißt es natürlich immer wieder: "Ein Prosit der Gemütlichkeit" und "Oans, zwoa - gsuffa!".
Fein gemacht zum Biergenuss: Dirndl und Lederhose gehören dazu
Auch wenn das Bier seine Wirkung nicht verfehlt, wirklich Betrunkene sehen wir an diesem Abend nicht. Restaurantleiter Thomas Walkusch erzählt, es sei in der Vergangenheit natürlich immer wieder mal zu lautstarkem Streit gekommen. Mit dem Rauchverbot, das in bayerischen Restaurants seit 2008 gilt, habe sich das jedoch weitgehend erledigt. "Die Leute gehen ab und zu vor die Tür, schnappen hier frische Luft und kühlen sich ab." Das hilft offenbar.
Erfreut zeigt sich Walbusch auch, dass das Tragen von Dirndl und Lederhose derzeit wieder richtig "in" ist. Traditionen wie die Tracht und das Starkbierfest würden sich nämlich wechselseitig beflügeln. So sei es, erzählt der Restaurantchef, noch in den 1980er-Jahre eher schwer gewesen, die Säle zur Starkbierzeit zu füllen, da die Trachten bei jungen Leuten aus der Mode gewesen seien. Selbst aufs Oktoberfest ging man damals eher im Anzug, im Kleid oder eben in der Jeans.
Schaut man heute auf den Reservierungsplan, wird aus Gästesicht schmerzlich klar: Schon Wochen im Vorfeld ist es schwierig, einen Platz neben den feierwütigen Starkbierliebhabern zu ergattern - zu denen an unserem Abend übrigens ebenso viele Frauen wie Männer gehören.
Die Übung macht’s: Gute Kondition ist gefragt
So mancher vernünftige Zecher, ob männlich oder weiblich, steigt allerdings schon nach der ersten Maß Starkbier wieder aus - oder zumindest auf Helles um. Zwei, drei oder gar noch mehr Liter an Starkbier sind tatsächlich schwer zu verkraften, wenn der Weg zur S-Bahn noch gefahrlos bewältigt werden soll. Zum Vergleich: Das Paulaner im Laden oder in der Kneipe nebenan hat 4,9 Prozent Alkohol. Beim Oktoberfestbier sind es schon 6,0 Prozent, was man den Gesängen auch anhört. Beim Salvator kommt man auf 7,9 -da fällt das Singen nach der dritten Maß eher aus.
Nicht ohne ein gewisses Staunen darf man in diesem Punkt auf die Mönche blicken, denen wir das Starkbier zu verdanken haben. Schließlich geht es hier in aller Strenge um die Fastenzeit - eine fette Ente als Grundlage war für die Ordensbrüder absolut tabu. Im Gegenteil, das Getränk musste im arbeitsreichen Alltag das Essen ersetzen. Trinken durfte man - und das sogar mit päpstlichem Wohlwollen. Es gilt bis heute der schöne Leitspruch: Flüssiges Brot bricht das Fasten nicht.
Kulturgut Starkbier: Mit dem Segen des Papstes
Da sich allerdings die Mönche nicht ganz sicher waren, ob ein Starkbier wie der Salvator dem Fasten noch gerecht wurde, schickten sie ein Fässchen von ihrem neuen Bier quer über die Alpen zum Papst nach Rom, um sich den obersten Segen zu holen. Als das Bier nach Wochen dort ankam, durchgeschüttelt und von Hitze und Kälte ausgelaugt, war es allerdings längst ungenießbar geworden. Der Papst war daher hocherfreut, welch schwere Bürde sich seine Ordensbrüder zur Fastenzeit auferlegten - und gab bereitwillig seine Zustimmung. Fünf Mal am Tag durften die Glaubensbrüder in den Klöstern ihr Krüglein angeblich füllen. Und diese "Krüglein" waren klug erdacht: Ein Liter passte getrost hinein, in manche wohl auch bis zu zwei.
Während wir unseren starkbierseligen Abend im schönen Saal des Augustinerkellers zu genießen wissen - was soll’s, heiser ist man am nächsten Tag ohnehin - schweifen die Gedanken voraus: Noch knapp 24 Wochen bis zum Oktoberfest.