Ausdrucksstark und experimentierfreudig - so hat sie die moderne Kunst im 20. Jahrhundert entscheidend geprägt. Das Kölner Museum Ludwig widmet Gabriele Münter jetzt eine große Ausstellung: "Malen ohne Umschweife".
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"Gabriele Münter - Malen ohne Umschweife"
Das Museum Ludwig in Köln präsentiert die selbstbewusste Expressionistin in vielen Facetten. Der künstlerische Erfolg gab Münter recht und ließ sie aus dem Schatten ihrer männlichen Künstlerfreunde treten.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Fräulein Ellen im Gras
Klare Formen, expressionistische Farben - das Bild der jungen Frau, die Kartoffeln schälend im Gras sitzt, zeigt programmatisch die direkte und selbstbewusste Malweise Gabriele Münters. Doch offenbar entsprach das nicht dem Schönheitsideal der Nationalsozialisten: Für das 1934 entstandene Gemälde erhielt Gabriele Münter in der NS-Zeit ein Ausstellungsverbot.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Das Frühstück der Vögel
Auch "Das Frühstück der Vögel" entstand 1934. Schlichte Malweise, perfekte Komposition und treffende Farbwahl: Das sind die Zutaten der Künstlerin. Da sitzt eine Frau, die für sich allein einen runden Tisch gedeckt hat. Sie verfolgt - innehaltend - das winterliche Schauspiel vor ihrem Fenster. Gabriele Münter hatte eine Begabung, mit wenigen Pinselstrichen eine Geschichte zu erzählen.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Sinnende II (1928)
Eine Frau sitzt auf einem Stuhl und denkt nach. Das Motiv einer "Sinnenden" dürfte Münters Lebensgefühl entsprochen haben. Die Künstlerin war - neben ihrer zupackenden Arbeitsweise - eher eine Nachdenkliche. Noch als 51-Jährige hing ihr die Trennung von ihrem langjährigen Lebensgefährten nach, dem russischen Künstler Wassily Kandinsky. An dessen Seite war sie in die Moderne aufgebrochen.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Dame im Sessel schreibend (1929)
Die Dame im Sessel trägt Pyjama. Was sie wohl zu Papier bringt? Gabriele Münter fokussiert eine einzige Szene. Der Hintergrund leuchtet azurblau, die Farben wirken harmonisch und kontrastreich. Ab 1931 lebt Münter mit dem Kunsthistoriker Johannes Eichner (1886-1958) in Murnau. Die Nationalsozialisten verunglimpfen ihre Kunst als "entartet" und zwingen sie 1937 zum Rückzug ins Privatleben.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Knabenkopf Willi Blab (1908)
Auch dieser Knabenkopf vor quietschgelbem Hintergrund stammt aus Gabriele Münters Atelier, ein frühes Gemälde der aus Berlin stammenden Künstlerin. Münter wählte erstmals eine flächige, stark farbige und sehr freie Malweise. Der Junge Willi Blab wohnte in der Nachbarschaft, nur einige Häuser von Münters Atelier entfernt. Münter gehört zu den wenigen frühen Künstlerinnen der Moderne.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Gasse in Tunis (1905)
Der Blick in eine Gasse in Tunis gehörte zu den beliebten Motiven der Expressionisten. Von August Macke etwa gibt es eine berühmte Version. Aber auch Gabriele Münter drückte die stille Zeitvergessenheit der Gasse künstlerisch aus, freilich in impressionistischer Manier, trunken vom Blau eines nordafrikanischen Himmels. Kurz darauf reiste sie mit Kandinsky zu einem Malaufenthalt nach Paris.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Drei Frauen im Sonntagsstaat (1899/1900)
Zwar gilt Gabriele Münter vor allem als begnadete Malerin. Doch auch als Grafikerin und Fotografin hat sich die Künstlerin einen Namen gemacht. Die Fotografie "Drei Frauen im Sonntagsstaat" ist ein Mitbringsel von einer Reise in die USA, wo sie mit ihrer Schwester Verwandte besucht hatte. Die Bildaufteilung hat Perspektive und steht aktuellen Bildauffassungen in nichts nach.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Gabriele Münter (1935)
Ernster Blick in die Kamera: Als das Foto entstand, war Gabriele Münter noch die unterschätzte Malerin neben berühmteren Künstlerkollegen. Gegen Lebensende schenkte sie ihre Sammlung der Stadt München: eigene Arbeiten und viele Werke Kandinskys sowie anderer Blaue Reiter-Künstler. Münter starb 1962 und liegt auf dem Friedhof in Murnau begraben. Ihr facettenreiches Werk ist jetzt in Köln zu sehen.
Bild: Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München
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Farbintensive Porträts ihrer Künstlerfreunde, romantische Landschaften ihrer bayerischen Wahlheimat, seltene Fotografien von einer USA-Reise; außerdem Interieurs, abstrakte Grafiken und sogar primitivistische Bilder - all das versammelt die Kölner Schau, die in Zusammenarbeit mit dem Münchner Lenbachhaus entstand und zu einer Wiederentdeckung und Neubewertung Münters (1877-1962) einlädt. Und wirklich: Was wäre der deutsche Expressionismus ohne die selbstbewusste Malerin, Fotografin und Grafikerin?
Nicht nur, dass die Künstlergruppe "Der blaue Reiter" 1911 in Münters Haus in Murnau zusammenfand. "Über ihre Rolle als engagierte Persönlichkeit, Vermittlerin und langjährige Lebensgefährtin Wassily Kandinskys hinaus zeigt diese Ausstellung, wie wichtig und eigenständig Gabriele Münter als Malerin war", verspricht das Museum Ludwig. Erstmalig würden der Öffentlichkeit über 120 Werke präsentiert, die einen "neuen Blick auf diese starke Künstlerin" erlaubten.
Einfache Sprache, komplexer Inhalt
Münters Experimentierfreudigkeit als Künstlerin indes war sprichwörtlich und lässt sich aus vielen der präsentierten Werke herauslesen: "Was an der Wirklichkeit ausdrucksvoll ist, hole ich heraus, stelle ich einfach dar, ohne Umschweife, ohne Drum und Dran", bemerkte Münter einmal, "so bleibt die Vollständigkeit der Naturerscheinung außer acht, die Formen sammeln sich in Umrissen, die Farben zu Flächen, es entstehen Abrisse der Welt, Bilder."
So formulierte Gabriele Münter einmal ihre Vorstellung von malerischer Kreativität. Sie wollte die Essenz eines Motivs unmittelbar wiedergeben. Dabei bediente sie sich einer scheinbar schlichten Formensprache. Doch die Eingängigkeit vieler Motive kontrastiert mit einem mehrschichtigen Inhalt.
Die Kölner Ausstellung gliedert sich in zehn Themenbereiche, die jeweils bestimmte Aspekte ihrer Arbeit vorstellen. "Gabriele Münter - Malen ohne Umschweife" ist vom 15. September 2018 bis 13. Januar 2019 im Museum Ludwig zu sehen, als dritte Station nach München und Kopenhagen.