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Endometriose - unterschätzte Erkrankung

Gudrun Heise
28. September 2017

Unerträgliche Schmerzen im Unterleib oder im Rücken. Dahinter kann eine häufige und auch gefährliche Erkrankung - die Endometriose - stecken. Trotzdem werden Frauen mit diesen Beschwerden oft nicht ernst genommen.

Menstruation
Bild: Fotolia/Alliance

Martina Liel war unter starken Schmerzen zusammengebrochen. In einer Notoperation entfernten Ärzte etwa vier Kilogramm Gewebe aus ihrer Gebärmutter. Sechs Stunden dauerte der Eingriff. Die heute 39-jährige hat Endometriose.

Außer Kontrolle

Bei dieser unheilbaren Erkrankung wuchert Gewebe, das sich meist im kleinen Becken befindet. Endometrium – Gebärmutterschleimhaut – siedelt sich dabei außerhalb der Gebärmutter an - in verschiedenen Stellen im Unterlaub. Eierstöcke, Eileiter und die tieferen Wandschichten der Gebärmutter sind am häufigsten betroffen. Die Wucherungen sind meist gutartig, können aber zu starken Schmerzen führen, vor allem während der Periode.

In der Gebärmutter wird bei allen Frauen mit jedem Zyklus Schleimhaut auf- und wieder abgebaut. Durch Blutungen ins umliegende Gewebe kann es aber zu Reizungen, zu Entzündungen und eben auch zu Verwachsungen kommen. Bei der Endometriose reagieren die Zellen wie auch die Schleimhautzellen in der Gebärmutter auf die hormonellen Veränderungen. Sie wandeln sich zu Gewebe um, das sich dann ausbreitet.

"Endometriose kann dazu führen, dass im Körper verschiedene Organsysteme miteinander verwachsen", erklärt Professor Sven Schiermeier vom Endometriose-Zentrum in Witten. Das kann mit Schmerzen verbunden sein, muss aber nicht. Deshalb ist die Diagnose so langwierig.

Langer Leidensweg

Oft wird eine Endometriose nur zufällig entdeckt. Zwischen sieben und 15 Prozent aller Frauen in Deutschland leiden unter dieser nicht heilbaren Erkrankung. Betroffen sind besonders junge Frauen nach der ersten Regelblutung und Frauen in den Wechseljahren. Im Durchschnitt vergehen etwa zehn Jahre bis Ärzte die richtige Diagnose stellen.

Die Situation ist für die Betroffenen oft die gleiche: Eine junge Frau sucht einen Arzt auf, weil sie starke Schmerzen während ihrer Periode hat. Dann erhält sie häufig die Auskunft: ‘Das sind Menstruationsbeschwerden‘. Die meisten nehmen das erst mal so hin und versuchen, damit zu leben.

Ist die Endometriose im Anfangsstadium kann sie über bildgebende Verfahren nicht erkannt werden. Trotzdem können die Patientinnen unter starken Schmerzen leiden, und die sind dann der einzige, wenn auch vage Anhaltspunkt. "Ist die Endometriose schon stärker ausgeprägt und geht eventuell schon in den Darm über, kann man das im Ultraschall feststellen", sagt Schiermeier.

Eine Endometriose im Anfangsstadium ist im Ultraschall nicht zu erkennen

 Bis zur Ohnmacht 

Die einzige wirklich zuverlässige Methode, herauszubekommen, ob es sich um Endometriose handelt, ist eine Bauchspiegelung. Das ist ein operativer Eingriff. "Es dauert so lange, bis die Diagnose gestellt wird, weil man vor einer - wenn auch kleinen – Operation doch immer etwas zurückhaltend ist", erläutert Schiermeier.

Für viele Betroffene bedeutet das, jahrelang mit Schmerzen zu leben und das nicht nur während der Periode. Für einige Frauen sind Schmerzen ein ständiger Begleiter. Sie können bis ins Unerträgliche gehen, weiß Martina Liel. Sie hat ein Buch über ihre Erkrankung geschrieben. Der Titel: ‘Nicht ohne meine Wärmflasche‘.

"Endometriose zählt zu den zehn schmerzhaftesten Erkrankungen weltweit", weiß die Autorin. "Man vergleicht den Schmerz mit Geburtswehen, den Schmerzen bei einem Herzinfarkt oder mit einem starken Cluster-Kopfschmerz. Bei manchen Frauen kann es sogar zu Ohnmachtsanfällen  kommen, weil der Schmerz wirklich kaum auszuhalten ist." In der schlimmsten Phase habe sie fast täglich extreme Schmerzen gehabt, erzählt sie. "Der Alltag war eigentlich nur darauf ausgerichtet, den Tag irgendwie hinter mich zu bringen."

Schmerzen beim Geschlechtsverkehr

Nicht nur starke zyklusabhängige Schmerzen können ein Hinweis auf Endometriose sein. "Es ist ganz wichtig, dass man mit den Patientinnen bespricht, ob Beschwerden beim Geschlechtsverkehr bestehen. Denn auch das ist sehr typisch", erklärt Schiermeier. "Medizinisch spricht man dann von der Dyspareunie.

Viele Betroffene können nicht schwanger werden. Das ist eine zusätzliche Belastung. "Einige Frauen kommen erst dann zur Diagnostik, wenn es um den Kinderwunsch geht. Wenn dieser Wunsch auch nach einem Jahr nicht erfüllt werden konnte, würde man als Arzt weiter in die Diagnostik einsteigen und dann auch zu einer Bauchspieglung raten", sagt Schiermeyer. Voraussetzung aber sei, dass andere Dinge vorher abgeklärt wurden. "Dazu gehört, dass das Spermiogramm und der Hormonstatus in Ordnung sind. Bei ungefähr 40 Prozent aller Frauen mit einem unerfüllten Kinderwunsch zeigt sich dann, dass sie eine Endometriose haben." 

Letzter Ausweg Klinik

Rund 40.000 neue Fälle gibt es allein in Deutschland jedes Jahr. Jede zweite Patientin wird irgendwann in einer Klinik operiert. Dabei versucht der Chirurg, alle Wucherungen zu entfernen, auch die in den angrenzenden Organen, so wie bei Monika Liel. "Man sagt, diese Erkrankung sei gutartig. Aber die Ärzte mussten mir 30 Zentimeter meines Darms entfernen. Die Endometriose war schon bis zur Muskelschicht vorgedrungen." 

Kann der Chirurg die Wucherungen nicht komplett entfernen, geben die meisten Ärzte ihrer Patientin Hormone. Auch Monika Liel hat sich sechs Jahre lang einer solchen Therapie unterzogen. "Die Hormone haben meine Lebensqualität fast noch mehr beeinträchtigt als die Endometriose und die Schmerzen selbst." Sie hatte Depressionen und entschied sich schließlich dazu, die Hormontherapie abzubrechen.

Worüber frau nicht gerne spricht

Noch immer sind Themen wie Menstruation, Geschlechtsverkehr und auch manche weitere Erkrankungen tabu. Bei Informationsveranstaltungen einer Selbsthilfegruppe, erzählt Liel, habe es Frauen gegeben, die sich vorbei geschlichen und geflüstert hätten: ‘Ja, das habe ich auch.‘"

Und Männer? "Wenn sie wissen wollten, was Endometriose ist und dann hörten, dass es etwas gynäkologisches ist, haben sie schnell abgewunken. ‘Ach ja, Frauen. Darüber will ich jetzt nichts mehr wissen.‘"

Vorurteile müssten dringend ausgeräumt werden, appelliert Liel. Für sie sei es am schlimmsten gewesen, abgestempelt zu werden. Da fielen dann Bemerkungen wie: "Reiß dich doch mal zusammen. Andere Frauen haben auch Schmerzen während der Periode." Wichtig sei es, Tabus zu brechen, Aufklärung zu betreiben und Frauen zu ermutigen, darüber zu reden. 

 

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