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Politik

Starker, schwacher Assad

7. Februar 2018

Auch nach sieben Jahren Krieg hält sich der syrische Präsident Assad an der Macht. Sein politisches Überleben verdankt er seinen beiden Schutzmächten Russland und Iran. Doch der Schutz hat einen hohen Preis.

Putin und Assad
Ohne Russlands Präsident Wladimir Putin (r.) wäre Bashar al-Assad wohl nicht mehr an der MachtBild: Getty Images/AFP/M. Klimentyev

Die Rebellenhochburgen Idlib und Ost-Ghuta sind für das Assad-Regime offenbar schwer zu knacken. Umso massiver waren die Luftangriffe, mit denen das Regime in den vergangenen Tagen versuchte, der Dschihadisten in beiden Städten Herr zu werden. Wieder und wieder flogen die Kampfjets über die beiden Städte. Nach Angaben der international als glaubwürdig eingeschätzten Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden allein am Dienstag 63 Zivilisten getötet, darunter 14 Kinder. Auch Giftgas sollen die Angreifer unbestätigten Berichten zufolge eingesetzt haben.

Gelänge es dem Regime, die beiden Provinzen den Aufständischen zu entreißen, hätte es einen entscheidenden Schritt getan, die Kontrolle über Teile des syrischen Territoriums zurückzugewinnen. Schon jetzt kann es auf beachtliche Erfolge verweisen: Die großen Städte des Landes sind wieder unter seiner Kontrolle. Mit einem militärischen Triumph in Ost-Ghuta hätte Assad seine Macht vor allem rund um die Hauptstadt Damaskus wieder konsolidiert.

Die Arroganz des Regimes

Doch den Erfolgen stehen herbe Verluste gegenüber. Immer noch befindet sich ein knappes Drittel des gesamten Staatsgebiets in der Hand der Rebellen, überwiegend der Bündnisses "Vereinte Syrische Kräfte". Und selbst dort, wo das Regime nominell wieder installiert ist, haben im Alltag Milizen-Gruppen das Sagen. Insgesamt kontrolliert Assad nicht einmal 50 Prozent des syrischen Territoriums.

Todesangst: Szene aus Ost-Ghuta, Februar 2018Bild: Reuters/B. Khabieh

Dennoch kann der Präsident sich sicher fühlen: Er genießt den Schutz zweier starker Verbündeter, Russland und Iran. Beide haben entscheidend dazu beigetragen, sein politisches Überleben zu sichern. Angesichts des nach sieben Jahren Krieg angestauten Hasses heißt das seit langem auch: sein physisches Überleben.

So kann das Regime es sich leisten, selbstsicher und arrogant aufzutreten. Während der von Russland ausgerichteten Friedensverhandlungen im kasachischen Astana habe sich das Assad-Regime unwillig gezeigt, sich auf Verhandlungen mit den Rebellen auch nur einzulassen, schreibt im englischen "Guardian" Nasr al-Hariri, der Chefunterhändler der Syrischen Verhandlungskommission, zu der sich die wesentlichen säkularen Widerstandsgruppen zusammengeschlossen haben: "Die Vertreter des Regimes hatten null Interesse an Gesprächen. Ohne Druck durch Russland kann der politische Prozess nicht funktionieren."

Die Ohnmacht der Opposition

Dass Russland diesen Druck derzeit nicht ausübt, stärkt das Regime. Nachdem es in den Jahren 2012/13 mit dem Rücken zur Wand stand, zahllose Soldaten aus der nationalen Armee desertierten, um auf Seiten der Aufständischen mitzukämpfen, brachten Russland und Iran die entscheidende Wende. Ohne sie hätte Assad den Krieg bereits vor Jahren verloren.

Nun steht er absehbar vor einem weiteren militärischen Triumph. Diesen Eindruck teilten auch viele Staaten der westlichen Welt, berichtet die syrische Menschenrechtlerin Suhair Atassi. "Man hat uns sehr deutlich gesagt, dass wir als Opposition aus dem Spiel seien, wenn wir nicht anerkennen würden, dass Assad an der Macht bleibt", sagte sie der "New York Times". Sie habe den Eindruck, im Westen wolle man das Problem Syrien Russland überlassen. Darum sei man bereit, Moskaus dortige Vorgehensweise zu akzeptieren.

Die Macht der anderen: Russischer Militärjet auf der Luftwaffenbasis Hamaimim, Oktober 2015Bild: picture-alliance/AP/Russian Defense Ministry Press Service/V. Savitsky

Die Marionette Assad

Allerdings könnte genau das Assad langfristig zum Verhängnis werden. Denn Moskau wie Iran halten den syrischen Präsidenten nicht aus reiner Freundschaft am Leben. Vielmehr ist sein Verbleib an der Macht für sie der einfachste Weg ist, ihre jeweiligen Interessen in Syrien durchzusetzen. "Derzeit lassen Iran und Russland Assad vor allem deshalb für sich arbeiten, weil er sie noch nicht enttäuscht hat", schreibt die syrische Aktivistin Malak Chabkoun auf der Website von Al-Jazeera. "Assad verkörpert ein arabisches Sprichwort: Man sagt ihm, er solle nach links gehen, und er geht nach links. Man sagt ihm, er solle nach rechts gehen, und er geht nach rechts."

Viel mehr, als den Anweisungen seiner Schutzherren zu folgen, bleibt Assad nicht. Während Russland Militärtechnik liefert und einsetzt, ist der Iran mit massiven Streit- und Söldnerkräften in Syrien aktiv. Teheran engagiere sich mit 70.000 eigenen Kämpfern in Syrien, berichtet Chabkoun; insgesamt finanziere es eine viertel Million Kämpfer in dem Land, darunter rund 90.000 syrische Schiiten. Deren Loyalität gelte dem Land, aus dem sie ihren Sold erhielten - und das sei der Iran, nicht Syrien.

Der Ausverkauf des Landes

So bleibt Assad zwar an der Macht, muss dafür aber hinnehmen, dass seine beiden Schutzmächte rigoros ihre Interessen verfolgen. Russland sichert sich in Syrien außer Stützpunkten für sein Militär vor allem seinen Ruf als internationale Macht, an der niemand vorbei kann. Iran baut seine Position als regionale Vormacht aus. Außerdem verfolgt es - ebenso wie Russland - in Syrien handfeste wirtschaftliche Interessen.

Bereits seit dem Jahr 2014 kursieren Gerüchte, iranische Geschäftsleute würden nicht nur syrische Unternehmen, sondern auch landwirtschaftliche Flächen sowie in den Städten Grundstücke rund um bedeutende Heiligtümer kaufen, berichtet Chabkoun. Dies deutet darauf hin, dass sich Iran ökonomisch ebenso wie ideologisch in Syrien festsetzen will. Dies ist umso leichter, je gefügiger die Regierung des Landes ist. In der Tat hat Assad wenig Gründe und noch weniger Kraft, den iranischen und russischen Interessen etwas entgegenzusetzen.

Die Bilanz nach sieben Jahren Krieg sieht für Assad und Syrien schlecht aus: Der Präsident ist gerettet, das ihm anvertraute Land ausverkauft.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika