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Starlink: Elektromagnetische Strahlung blendet Astronomen

24. September 2024

Satellitennetze wie Starlink versorgen auch abgelegene Gegenden mit Breitbandinternet. Doch ihre Strahlung versperrt Astronomen die Sicht auf das Weltall. Mangels Regularien hoffen sie auf den guten Willen der Betreiber.

Symbolische Darstellung einer Satellitenkonstellation über einer LOFAR (Low Frequency Array) zur Weltraumerforschung mittels niedrigfrequenter Radiowellen: Ein grobes Karomuster aus Satelliten bedeckt den violett getönten Nachthimmel über einer Fläche mit mehreren an Solarpanele erinnernde Bereiche.
Astronomen beklagen, dass Satelliten des Starlink-Netzes ihnen die Sicht auf das Weltall nehmenBild: Daniëlle Futselaar (artsource.nl) & IAU / CPS

In 550 Kilometern Höhe umkreist das Satelliten-Netz von Starlink die Erde. Es ermöglicht eine weltumspannende Internetversorgung, die auch abgelegene Gegenden, in denen keine Funkmasten stehen, und sogar die Ozeane abdeckt. Die mehr als 6300 aktiven Satelliten stellen mehr als die Hälfte aller menschengemachten Erdtrabanten, die sich aktuell im Orbit befinden.

Bereits seit einiger Zeit klagen europäische Wissenschaftler, dass die "unbeabsichtigte elektromagnetische Strahlung" (auf Englisch UEMR abgekürzt) die von Satelliten ausgehe, die Erforschung des Universums behindere.

Starlink blendet Weltallforscher

Ein besonderes Problem stelle dabei die zweite Generation des Starlink-Netzwerks (V2) dar, das zum US-Raumfahrtunternehmen SpaceX des Multimilliardärs Elon Musk gehört. Laut einer vom niederländischen Institut für Radioastronomie (ASTRON) geleiteten Studie strahlen diese Satelliten 32-mal "heller" als Vorgängermodelle. Mit Helligkeit ist in diesem Zusammenhang nicht allein das sichtbare Licht gemeint, sondern auch andere elektromagnetische Wellen, die von vielen im Weltraum operierenden System emittiert werden. Im Falle von Starlink sind es vor allem niederfrequente Radiowellen.

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Wenn viele künstlich erzeugte Radiowellen im Umkreis der Erde unterwegs sind, würden Radioteleskope, mit denen Forscher ferne Galaxien erkunden, regelrecht "geblendet", erklärt Benjamin Winkel, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Radioastronomie: "Mit blenden meinen wir normalerweise, dass unser Auge zu viel Licht aufnimmt, um etwas zu erkennen. Genau das geschieht auch mit unseren Radioteleskopen: Wenn das Rauschen künstlicher Signale zu groß ist, können wir das winzige Signal dessen, was wir am Himmel beobachten wollen, nicht mehr erkennen und analysieren."

Nach kurzer Besserung wieder stärkeres Radiorauschen

Schon die Starlink-Satelliten der ersten Generation (V1) standen in der Kritik der Astronomen. Erstmals meldeten Forscher 2022, dass von Starlink ausgehende UEMR ihre Forschung beeinträchtige. Laut Winkel, der an der Analyse der V1- und der V2-Starlink-Flotte mitgewirkt hat, habe Starlink zwischenzeitlich tatsächlich die Radiolecks reduziert. Doch das sei offenbar wieder vorbei: "Die UEMR der V1-Satelliten ist im letzten Jahr tatsächlich schwächer geworden, dafür scheint die neue Generation leider wieder heller zu strahlen."

Die Niederländer von ASTRON befürchten einen weiteren Anstieg des Radiorauschens. Bis Ende des Jahrzehnts könne sich die Zahl der Satelliten aller Betreiber in der Umlaufbahn auf 100.000 verneunfachen. Dies werde vor allem Astronomen betreffen, die mit Radioteleskopen arbeiten. Aber auch Beobachtungen mit optischen Teleskopen würden erschwert.

Viele Satelliten sind von der Erde aus mit bloßem Auge am Nachthimmel zu sehen. Wenn Tausende von künstlichen Himmelskörper Licht in die Linsen der Teleskope reflektieren, kann das zu Überbelichtung führen. Die hinterlässt dann helle Streifen auf den Bildern, die unwiederbringlich wertvolle Daten verdecken. Die Sorge, wie man künftig noch das All erforschen kann, treibe Astronomen um, sagte Winkel.

Ist die Weltraumforschung nur mit Regulierung zu retten?

Auch irdisches Radiorauschen, etwa durch Mobilfunk und mobiles Internet, kann die Weltraumforschung erschweren. Allerdings setzen hier strenge Regularien etwa der Internationale Fernmeldeunion der Vereinten Nationen enge Grenzen. Das ist im Weltall anders. Hier sind die Forschenden auf den guten Willen der Unternehmen angewiesen, und das hat mit Starlink bisher recht gut funktioniert.

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Im August erklärte der Starlink-Mutterkonzern SpaceX, man beabsichtige, seine Arbeit mit der astronomischen Forschungsgemeinschaft fortzusetzen. Die Radioemissionen wolle man aus den Sichtlinien der Teleskope weglenken und diese Methode ("telescope boresight avoidance") auf weitere Observatorien in den USA und darüber hinaus ausweiten. SpaceX lade weiterhin Radioastronomie-Organisationen aus aller Welt ein, den Schutz ihrer "wichtigen wissenschaftlichen Forschung" umzusetzen. Eine Bitte der DW um Stellungnahmen zur jüngsten Bewertung seiner V2-Flotte hat SpaceX bis Redaktionsschluss nicht beantwortet.

Allerdings ist Starlink nicht das einzige Unternehmen, das den Astronomen Sorgen bereitet. Ein aufstrebender Anbieter von Satelliten-Internet ist OneWeb, das bisher etwa 630 Satelliten in der Umlaufbahn betreibt. Das Projekt Kuiper hat bisher nur zwei Satelliten in die Umlaufbahn gebracht, aber die Betreiber von Amazon haben ein rasantes Wachstum angekündigt, mit dem sie Starlink Konkurrenz machen und sich wertvolle Marktanteil sichern wollen.

Das Big Business mit dem Breitbandinternet macht den Weltraumforschern wichtigen Platz im Orbit der Erde streitig. Eine Regulierung wird wohl unabdingbar sein, aber bis es so weit ist, erscheint die Selbstverpflichtung der Satellitenbetreiber als beste kurzfristige Lösung: "Es gibt keine Möglichkeit, ein elektrisches oder elektronisches Gerät ohne diese Art von Lecks herzustellen", sagte Winkel. "Die Frage ist eher: Wie viel Strahlung dringt hindurch?"

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