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Länder benennen Prominente für Präsidentenwahl

Wolfgang Dick18. März 2012

In Deutschland wird das neue Staatsoberhaupt gewählt. Der Bundespräsident wird nicht vom Volk bestimmt, sondern von der Bundesversammlung, die in der Regel alle fünf Jahre zusammentritt.

Berlin/ Der Showmaster Frank Elstner und der Trainer von Hertha BSC, Otto Rehagel (r.) stehen am Sonntag (18.03.12) in Berlin in der Bundesversammlung im Reichstagsgebaeude. Am Sonntag waehlt die Bundesversammlung den 11. Bundespraesidenten der Bundesrepublik Deutschland. (zu dapd-Text) Foto: Oliver Lang/dapd
Bundespräsidentenwahl 2012 BundesversammlungWahlmänner Elstner RehagelBild: dapd

Normalerweise wird die Wahl eines Bundespräsidenten fast ein Jahr lang vorbereitet. Unter der Leitung des Bundestagspräsidenten organisieren knapp zwei Dutzend Abteilungen mit rund 90 Mitarbeitern den Zusammentritt der Bundesversammlung. Einzige Aufgabe dieser Versammlung ist die Wahl des deutschen Staatsoberhauptes. Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Wulff mussten die Vorbereitungen rasch getroffen werden. Deutsche Gesetze dulden kein Machtvakuum. Spätestens 30 Tage nach dem Ende einer Amtszeit muss ein neuer Präsident gewählt sein. Also wurden unter großem Zeitdruck Wahlunterlagen und Einladungen erstellt sowie Sicherheitsvorkehrungen getroffen.

Ganze vier Tage schraubten Handwerker im Saal des Deutschen Bundestags herum, um genügend Stühle für die Teilnehmer der Bundesversammlung aufzubauen. An der Wahl des Bundespräsidenten in Berlin nehmen nämlich nicht nur die 620 Abgeordneten des Parlaments teil, sondern noch einmal so viele Delegierte der 16 Bundesländer Deutschlands.

Überraschungen im Wahlgremium

Zu den Wahlmännern und Frauen, die von den Ländern ernannt werden, gehören überwiegend Berufspolitiker. Auch ganz junge wie zum Beispiel der 32-jährige Martin Delius. Er sitzt erst seit September 2011 als parlamentarischer Geschäftsführer der "Piraten-Partei“ im Berliner Abgeordnetenhaus und setzt sich dort unter anderem für Transparenz im Internet und mehr Mitspracherechte der Bürger ein.

Martin Delius, Piratenpartei in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Spannend ist der Blick auf jene Personen, die die vielen aktiven Mitglieder aus den Landtagsfraktionen ergänzen. Darunter sind auch pensionierte Spitzenpolitiker ins Wahlgremium geladen wie die ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Sachsen, Lothar Späth und Kurt Biedenkopf. Pikant: beide Politiker traten vorzeitig von ihren Ämtern zurück. Späth stolperte über kostenlose Luxusreisen, und Biedenkopfs Reputation litt unter Vorwürfen, er habe einen befreundeten Großinvestor bevorteilt. Jetzt wählen beide Ehemaligen den neuen Präsidenten mit, nachdem der bisherige Bundespräsident Christian Wulff ebenfalls wegen des Verdachts auf persönliche Vorteilsnahme im Amt als früherer Ministerpräsident Niedersachsens und einer ermittelnden Staatsanwaltschaft zurücktrat. 

Auch Prominente wählen mit

Die Bundesversammlung besteht nicht nur aus Politikern. Die Fraktionen der Länderparlamente dürfen auch verdiente Persönlichkeiten der deutschen Gesellschaft für das Wahlgremium aufstellen.

Seitdem Willy Brandt Anfang der 1970er Jahre von Prominenten, wie dem Literaturnobelpreisträger Günter Grass, politisch unterstützt wurde, ist die Tradition entstanden, dass sich Parteien bei  Wahlen vor allem mit bekannten Künstlern, Schauspielern und Sportlern schmücken. Das gilt auch für die aktuelle Besetzung der Bundesversammlung. 

Senta Berger wird zum Beispiel von der bayrischen SPD in die Bundesversammlung entsendet. Die beliebte Schauspielerin drehte in den 1960er und 1970er Jahren mit Hollywood-Legenden wie Kirk Douglas, John Wayne, Yul Brunner und Frank Sinatra und erhält bis heute renommierte Preise für ihre Filme. Aus ihrer politischen Neigung zu den Sozialdemokraten hat Senta Berger nie ein Geheimnis gemacht.

Senta Berger, SchauspielerinBild: dapd

Eine Überraschung dagegen gelang der CDU in Nordrhein-Westfalen. Die CDU des größten Bundeslandes schickt mit Alice Schwarzer die bekannteste Frauenrechtlerin Deutschlands ins Wahl-Rennen. Manche Wahlmänner oder -frauen müssen sich jedoch mitunter heftige Kritik gefallen lassen, wenn sie nämlich nicht den Kandidaten der Partei wählen, von der sie selbst aufgestellt wurden oder Ansichten vertreten, die nicht parteikonform sind.

Alice Schwarzer, Journalistin und FrauenrechtlerinBild: dapd

Alice Schwarzer handelte so gar nicht nach konservativen Maßstäben. Sie trat für das Recht der Frau auf Abtreibung ein. Ihr ist es auch zu verdanken, dass 1976 das Eherecht geändert wurde. Bis dahin mussten Frauen in Deutschland ihre Ehemänner um Erlaubnis fragen, wenn sie eine Arbeit annehmen wollten. Alice Schwarzer freut sich sehr über ihr Engagement, dass ihr bisher weder von SPD noch von FDP oder Bündnis 90/ Die Grünen angeboten wurde.

Zu den Wahlmännern der Partei von Kanzlerin Merkel gehören auch Frank Elstner und Otto Rehhagel. TV-Moderator Elstner erfand mit "Wetten dass,..." die auch außerhalb Deutschlands bekannte Fernsehshow, in der Kandidaten spektakuläre Wetten präsentieren.

Rehhagel ist einer der erfolgreichsten Fußballtrainer Deutschlands, dem der Coup gelang, als Trainer die griechische Nationalmannschaft 2004 zur Europameisterschaft zu führen. Zusammen mit der Witwe des Verlegers von Deutschlands Boulevardblatt Nr.1, Friede Springer, wählen die Herren den künftigen Bundespräsidenten.

Otto Rehhagel, FußballtrainerBild: picture-alliance/dpa

Die Grünen bieten mit Sönke Wortmann ein prominentes Parteimitglied auf. Der Regisseur hat etliche Filme gedreht, die in Deutschland in den letzten Jahren ein Millionenpublikum fanden. Neben etlichen Stars sind es aber eher die stillen Persönlichkeiten, die die Parteien ganz bewusst in die Bundesversammlung schicken wie Mevlüde Genc. Sie überlebte 1993 in Solingen den brutalen Brandanschlag rechtsradikaler Fanatiker auf ihre türkischstämmige Familie. Ihre Entsendung dürfte Joachim Gauck, dem favorisierten Kandidaten für das Amt des Bundespäsidenten, gefallen.

Rangeleien um die Sitzordnung

Bis kurz vor der Wahl des Bundespräsidenten wird um die Sitzordnung gestritten. Das erscheint kleinlich und typisch deutsch. Der Sitzordnung bei der Wahl des Staatsoberhauptes kommt aber sehr viel Symbolwirkung zu.

Es geht zum Beispiel um die Platzierung von Joachim Gauck, der bereits Kandidat von SPD und Grünen war für das Amt des Bundespräsidenten vor zwei Jahren. Nach dem Einsatz der FDP für Gauck gaben vor Wochen schließlich auch Bundeskanzlerin Merkel und CDU/ CSU ihren Widerstand gegen den evangelischen Bürgerrechtler auf. Zu welcher Partei soll ihn nun die Bundestagsverwaltung platzieren, ohne dass dies wie ein Triumph für diese Partei wirkt ? So wurde erwogen, Joachim Gauck einen Platz auf der neutralen Zuschauertribühne zuzuweisen.

Joachim Gauck - Wunschkandidat vieler Deutscher

01:32

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Einfach erscheint dagegen die Platzierung von Beate Klarsfeld. Sie ist die einzige Gegenkandidatin zu Joachim Gauck. Nominiert von der Partei "DIE Linke.“ Die in Frankreich lebende Journalistin und engagierte Nazi-Jägerin ist nicht nur Kandidatin für das Präsidialamt, sondern gleichzeitig Mitglied der Bundesversammlung. Damit sitzt sie automatisch in den Reihen der LINKEN und hat die Möglichkeit, sich selbst zu wählen.  

Präsidentschafts-Kandidatin Beate Klarsfeld

01:39

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Nicht alle sind wirklich erwünscht

Ganz heikel wird es mit der Positionierung der drei Wahlmänner, die von der NPD in die Bundesversammlung geschickt werden. Es geht immerhin um Politiker jener rechtsradikalen Partei, gegen die ein erneutes Verbotsverfahren eingeleitet werden soll. Zwar gelten die NPD-Vertreter als demokratisch gewählt, aber neben ihnen möchte sich in der Bundesversammlung niemand gerne zeigen. Eine Lösung behält sich der Bundestagspräsident bis zuletzt vor. Schließlich müssen neben den 1240 Mitgliedern der Bundesversammlung auch noch rund 90 Ersatzleute platziert werden, die im Fall von Krankheit oder sonstiger Verhinderung der eigentlich Nominierten einspringen können.

Eine Frage der Ehre

Wählen werden die Teilnehmer den Bundespräsidenten, weil sie es als ehrenvolle Aufgabe empfinden. Viele Kandidaten haben dafür ursprünglich geplante Reisen oder sonstige Termine abgesagt.

Plenarsaal im BundestagBild: picture-alliance/dpa

Interviews zu ihrem Engagement lehnten aber gerade die Prominenten im Vorfeld der Bundesversammlung ab. Sehr viel Glamour und üppige Honorare bietet die Bundesversammlung auch nicht. Für die Anwesenheit im Wahlgremium zahlt der Staat nur 60 Euro als Aufwandsentschädigung. Und nach der Wahl bleibt kaum Zeit für ein gemütliches Beisammensitzen oder für das Schießen von Erinnerungsfotos. Die Handwerker beginnen noch am Sonntag sofort nach der Wahl mit der Demontage der Abgeordnetensessel. Am Mittwoch (21.3.) beginnt im Bundestag eine ganz normale Sitzungswoche. 

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