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Startschuss für grüne Finanzindustrie

Mischa Ehrhardt
24. August 2018

Ein Zusammenschluss aus Politik und Wirtschaft soll die Nachhaltigkeit im Finanzsektor fördern und hat einen ersten Bericht vorgelegt. Ergebnis: Das Thema ist im Finanzsektor angekommen, doch es gibt noch viel zu tun.

Beratungsgespraech
Bild: picture alliance/dpa/C. Klose

Dass grünes und nachhaltiges Investieren an den Finanzmärkten ein Thema ist, macht eine Zahl deutlich: Nachhaltige Geldanlagen haben sich einer Studie zu Folge im vergangenen Jahr bereits auf rund 1,4 Billionen Euro summiert, Tendenz: rasant steigend. Denn im vergangenen Jahrzehnt lag das Wachstum in diesem Bereich jährlich bei im Durchschnitt 27 Prozent.

So stellt der Hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir fest, dass "dem Thema Nachhaltigkeit in den Vorständen der Finanzinstitute inzwischen hohe Bedeutung beigemessen wird". In diesem Bereich entstünden mehr und mehr Produkte und Dienstleistungen.

Das ist eines der Ergebnisse des ersten Berichtes des "Green and Sustainable Finance Cluster Germany"; ein Verein, gegründet durch Politik und Wirtschaft, der sich zum Ziel gesetzt hat, die nachhaltige Entwicklung im Finanzsystem zu fördern.

Kapital für das Klima

Dass dies notwendig ist, lässt sich kaum bestreiten, wenn man Schätzungen der EU-Kommission folgt: Die hat nämlich ausgerechnet, dass  jährlich rund 180 Milliarden Euro zusätzlich und ökologisch nachhaltig investiert werden müssen, wenn Europa seine für 2030 gesetzten Klimaziele erreichen will. "Die öffentliche Hand allein wäre mit den nötigen Investitionen in Nachhaltigkeit völlig überfordert. Deshalb muss in großem Umfang privates Kapital mobilisiert werden", sagt Karsten Löffler, Co-Geschäftsführerin des Clusters.

Man kann es auch von der anderen Seite betrachten: Wenn solche Summen in Rede stehen, kann das auch ein attraktives Geschäftsfeld für Banken sein. Ohnehin fragen schon jetzt verstärkt Kunden ethisch saubere Investments an. "Vor 25 Jahren mussten wir zu den Kunden gehen und ihnen erst einmal erklären, was nachhaltige Anlagen sind", erzählt Gerhard Wiesheu vom Vermögensverwalter Bankhaus Metzler. "Heute kommen die Kunden und fragen nach, ob wir die Gelder auch sozial und ökologisch nachhaltig anlegen."

In den Köpfen angekommen

Metzler ist eines von vielen Finanzunternehmen, die den Verein finanziell unterstützen. Auch die staatliche Förderbank KfW ist mit im Boot; oder Geschäftsbanken wie BNP Paribas, die Deutsche und die Commerzbank. Das Netzwerk hat sich im April dieses Jahres aus Initiativen des Hessischen Finanzministeriums und der Deutschen Börse AG zusammengeschlossen. Im ersten Bericht des Vereins haben die Autoren vor allem den Status Quo nachhaltiger Aktivitäten an verschiedenen europäischen Finanzplätzen untersucht.

Dem Thema wird in den befragten Unternehmen offenbar ein großer Stellenwert beigemessen: 86 Prozent der Befragten gaben an, Fragen wie ethische oder soziale Engagements und Investments auf Vorstandsebene regelmäßig zu diskutieren. Und alle Unternehmen sagen von sich, dass sie in diesen Bereichen bereits aktiv sind und darüber berichten.

Ob ein Investment wirklich "grün" und nachhaltig ist, ist selten klar und eindeutig festzustellen.Bild: picture-alliance/R. Poetsch

Es bleibt ein langer Weg

Dennoch steht die Hauptarbeit erst noch bevor. Denn auch wenn das Thema in den Köpfen der Beschäftigten und Manager von Unternehmen angekommen ist, hat es sich noch lange nicht in der Realität durchgesetzt. Bei allen Fortschritten im Einzelnen "sind wir noch lange nicht dort, wo wir eigentlich stehen sollten", meint der Hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir.

Genau deswegen braucht es offenbar einen solchen Zusammenschluss. In der Tat stellt etwa das "Forum für Nachhaltige Geldanlagen" in seinem Marktbericht 2018 fest, dass ethische Investments im Vergleich zum Vorjahr zwar um 17 Prozent gestiegen sind. Demnach beträgt der Anteil solcher Investments am Gesamt-Anlagevolumen derzeit aber bei nur rund drei Prozent.

Schwache Datenlage bleibt ein Kernproblem

Das Nachhaltigkeits-Cluster will in den kommenden Monaten zunächst einmal Grundlagenarbeit betreiben und Daten zusammenstellen. Das ist deswegen entscheidend und gar nicht so einfach, weil es an Standards und Definitionen fehlt, was überhaupt als Ethisches Investment zu bezeichnen ist.

Wer dagegen in Waffen und Munition investiert, handelt aber sehr wahrscheinlich nicht nachhaltig und verantwortungsvoll.Bild: picture-alliance/MAXPPP/Kyodo

"Neben vielen erfreulichen Entwicklungen zeigt der Report nach wie vor eine schwache Datenlage rund um nachhaltige Investments", sagt Kristina Jeromin, Co-Geschäftsführerin des Clusters. "Das ist ein Kernproblem", stellt auch der Hessische Wirtschaftsminister heraus. "Unklarheit ist Gift für Investitionen. Ein Anleger muss sich darauf verlassen können, dass er nicht auf Etikettenschwindel hereinfällt."

Auf vier Pfaden zum Ziel

Genau solche Probleme will der Verein angehen und hat dafür vier Pfade ausgemacht, auf denen er bei seiner weiteren Arbeit fortschreiten will: Bestandsaufnahme der aktuellen Situation, verlässliche Definitionen und Messmethoden entwickeln und etablieren, Unternehmenskennzahlen um ökologische und soziale Aspekte erweitern und Wissensaufbau und Wissensvermittlung betreiben. Und nebenbei möglichst auch noch ein Wörtchen bei der Regulierung dieser Bereiche mitreden.

Ein Kraftakt, der sich lohnen könnte. Es geht um einen großen Kuchen, den die Ausgaben und Investitionen für den Klimaschutz bilden. Wirtschaftlich gesehen will keiner den Zug verpassen. Ethisch und ökologisch gesehen muss er möglichst schnell Fahrt aufnehmen. Das Cluster könnte beiden Anliegen helfen.

 

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