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Politik

Stasi-Akten: Jahn spricht von "Meilenstein"

21. März 2017

Vor 25 Jahren wurden die Archive der DDR-Staatsicherheit geöffnet. Inzwischen ist die Zahl der Anträge auf Akten-Einsicht stark rückläufig. Auftrag erledigt? Im Gegenteil, meint der Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde.

Stasi-Unterlagenbehörde in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/L. Schulze

Es ist bereits der 13. Tätigkeitsbericht der Stasi-Unterlagen-Behörde, den ihr Chef Roland Jahn am Dienstag in Berlin vorstellt. Die besten Zeiten dieses einzigartigen Archivs sind vorbei - könnte man meinen. Wer so über die Bilanz des "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik" urteilt, bemisst den Erfolg vor allem anhand von zwei Fragen: Wie viele Menschen haben Einblick in ihre persönliche Stasi-Akte genommen? Und gab es spektakuläre Enthüllungen? Beides lässt sich eindeutig beantworten: Das Interesse an Akten-Einsicht ist 2016 im Vergleich zum Vorjahr um rund 20 Prozent gesunken - von 62.544 auf 48.634. 

Überraschend ist das keinesfalls, denn die von DDR-Bürgerrechtlern vor der Vernichtung geretteten Giftschränke des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) wurden bereits Anfang 1992 geöffnet. So kurz nach der deutschen Wiedervereinigung war der Run auf die Stasi-Hinterlassenschaft natürlich besonders stark. Die vielen Opfer des DDR-Regimes wollten wissen, was die Stasi über sie wusste und wer sie bespitzelt hat. Ein Vierteljahrhundert später haben die meisten ihre Neugier befriedigt. Sie schlägt sich nieder in gut 3,1 Millionen Anträgen auf persönliche Akten-Einsicht. Wobei der Löwenanteil von etwa 60 Prozent in die erste Dekade der Behörde fällt.

Im Januar besucht Joachim Gauck seine alte Wirkungsstätte

Damals hieß ihr Chef Joachim Gauck. Der spätere Bundespräsident, dessen Amtszeit am vergangenen Sonntag endete, stärkte seinem Nachfolger Roland Jahn Anfang dieses Jahres demonstrativ den Rücken. Bei einem Besuch seiner alten Wirkungsstätte auf dem Areal der einstigen MfS-Zentrale in Berlin würdigte er die Behörde als "Monument und Lernort". Als er selber noch Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen gewesen sei, habe er sie bei Führungen durch das Archiv immer als "Apotheke gegen das Vergessen" bezeichnet.       

Gauck (l.) und Jahn (M.) führen den Botschafter Guatemalas, José Francisco Cali, durch die Stasi-Unterlagen-Behörde Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die Worte könnten vom amtierenden Behörden-Chef Jahn stammen. Er redet schon seit Jahren vom "Campus für Demokratie" auf dem früheren Stasi-Gelände. Davon sollen nach seinen Vorstellungen nicht nur die Deutschen profitieren, sondern alle Länder mit Diktatur-Vergangenheit. Entsprechend groß war Jahns Freude, dass Gauck bei seiner Stippvisite im Januar den Botschafter Guatemalas mitbrachte. In dem zentralamerikanischen Land ist man gerade dabei, Licht ins Dunkel der Militär-Diktatur und des Bürgerkriegs mit über 200.000 Toten zu bringen. Etwa 80 Millionen Dokumente des Polizei-Archivs werden nun mit deutscher Unterstützung zugänglich gemacht.

"Aufarbeitung von Unrecht darf kein Verfallsdatum haben"

Jahns Blick muss aber gar nicht über den Atlantik gehen. Millionenfaches Unrecht in postkommunistischen europäischen Staaten ist nach wie vor unaufgeklärt. Daran etwas zu ändern, ist und bleibt die Aufgabe der deutschen Stasi-Unterlagen Behörde und vergleichbarer Einrichtungen in anderen Ländern. Seit vielen Jahren gibt es regelmäßige Kontakte untereinander. Die Zusammenarbeit habe auch die Funktion, "dass wir uns in diesem Netzwerk gegenseitig stützen", sagt Jahn. Dabei denkt er nicht nur an Länder wie Rumänien, wo die Aufarbeitung des Stasi-Pendants "Securitate" auch 27 Jahre nach dem Sturz des Ceaucescu-Regimes nur sehr schwer vorankommt. Noch schlimmer findet Jahn die Lage in Russland. Die Arbeit von Bürgerrechtsorganisationen wie "Memorial" sei sehr wichtig, "damit es überhaupt noch eine Chance auf eine Demokratisierung dieses Landes gibt".

Jahns Bilanz der Jahre 2015/16 steht im 13. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für Stasi-UnterlagenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Aber auch in Deutschland sieht der frühere DDR-Bürgerrechtler noch Handlungsbedarf. Opfer von DDR-Unrecht sollen nach seinem Willen auch nach 2019 noch Anträge auf Rehabilitierung stellen können. Jahn appelliert an den Bundestag, die Frist aufzuheben. "Die Aufarbeitung von Unrecht darf kein Verfallsdatum haben." Insgesamt ist er jedoch zufrieden mit dem Erreichten und den Aussichten für die Zukunft. Jahns Zuversicht speist sich aus einem Parlamentsbeschluss vom Sommer 2016. "Die Aufarbeitung der SED-Diktatur konsequent fortführen", lautet die Forderung der Abgeordneten. Damit ist im Kern die mittelfristige Überführung des Stasi-Erbes in das Bundesarchiv gemeint.

Stasi Akten als ein Teil des "Gedächtnisses der Nation"

Die Möglichkeit zur persönlichen Akten-Einsicht soll gewährleistet bleiben. Im Rahmen dieser Reform wird die bereits begonnene Digitalisierung der Stasi-Unterlagen fortgesetzt. Kooperationen mit anderen Institutionen der Aufarbeitung sollen vertieft werden. Als Beispiele nennt Jahn die Robert-Havemann-Gesellschaft in Berlin und das Museum "Runde Ecke" in Leipzig in den Räumen der ehemaligen Stasi-Bezirksverwaltung. Der seit 2011 amtierende Behördenchef ist zufrieden. Das vom Bundestag beschlossene Konzept ist in seien Augen ein "Meilenstein". Die von ihm verwalteten Stasi-Unterlagen seien ein Teil des "Gedächtnisses der Nation" geworden.

 

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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