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Die Zukunft der Berliner Stasi-Zentrale

15. Januar 2021

Gelungene Aufarbeitung? Auf dem Areal der Stasi, der einstigen DDR-Geheimpolizei, herrscht ein Mix aus Auf- und Abbruch. Es fehlt ein schlüssiges Konzept.

Stasi-Zentrale in Ost-Berlin, 1985
So hässlich und unscheinbar sah die Stasi-Zentrale 1985 aus - fünf Jahre vor dem Ende der DDRBild: picture-alliance/D. Klar

Wer in Berlin dem Kitzel von Spionage, Verrat und Niedertracht nachspüren will, dem hat die Stadt viel zu bieten. Im Zentrum, direkt neben dem legendären Potsdamer Platz, befindet sich seit 2015 das wegen der Corona-Pandemie momentan geschlossene Deutsche Spionagemuseum. Die erste Adresse für alle, die beim Thema Geheimdienst Bilder von Nervenkitzel und Hightech aus James Bond-Filmen im Kopf haben. Hier geht man auf eine multimediale Zeitreise. Von der Morsestation aus dem Ersten Weltkrieg bis zum Passwort-Hacker im Internet-Zeitalter ist so ziemlich jede raffinierte Erfindung zu sehen.

Handwerklich und konzeptionell lässt das in jeder Hinsicht moderne Museum keine Wünsche offen. Ein Manko aber hat es: Ihm fehlt die Aura des Authentischen. Der Ort ist künstlich. Weniger spektakulär, dafür aber echt und original ist, was man weiter draußen entdecken kann: die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, kurz Stasi. Am 15. Januar 1990 wurde sie von Bürgerrechtlern friedlich erstürmt. Diesem Akt der Zivilcourage ist es zu verdanken, dass ein Großteil der geheimen Akten vor der Vernichtung gerettet werden konnte.

Arno Polzin stürmte die Stasi zweimal

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Und jetzt, 31 Jahre später? Da sieht das riesige Gelände mit rund 50 Gebäuden und tausenden Büros auf den ersten Blick aus wie früher. Zu DDR-Zeiten war es Sperrgebiet, total abgeschirmt von der Außenwelt. Damals arbeiteten hier Tag und Nacht etwa 7.000 Stasi-Leute daran, die Herrschaft der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) abzusichern. Gegen den erklärten äußeren Feind im Westen und Oppositionelle im eigenen Land.

Blick auf den Innenhof der früheren Berliner Stasi-Zentrale mit dem Flachbau, in dem früher das Offiziers-Casino warBild: Marcel Fürstenau/DW

Kein schöner Anblick: triste Plattenbauten und Graffitis

Von dieser historischen Bedeutung ist allerdings auf den ersten Blick nichts zu sehen, wenn man sich der Stasi-Zentrale nähert. Zwar liegt der Eingang direkt an einem U-Bahnhof, nur zehn Minuten vom Stadtzentrum entfernt. Aber wer an der Station Magdalenenstraße aussteigt, blickt zunächst nur auf seelenlose, mit Graffitis verzierte Plattenbauten. Der Hinweis auf das dahinter liegende Stasi-Museum geht in dieser ungemütlichen Umgebung fast unter. Alles wirkt heruntergekommen, ungepflegt. Ganze Häuser stehen leer. Viele sind an private Investoren verkauft worden. Die Deutsche Bahn war hier mal Mieterin, bevor sie sich eine schickere Zentrale in der Berliner City baute.

Machtzentrale: das Büro, in dem Stasi-Chef Erich Mielke bis kurz vor dem Berliner Mauerfall im November 1989 residierteBild: DW/E. Jahn

"Man hat sich zu spät um die Stasi-Immobilien gekümmert", sagt Christian Booß nach einem Rundgang über das fast menschenleere Gelände im DW-Gespräch. Der Vorsitzende des Vereins "Bürgerkomitee 15. Januar" meint das auch selbstkritisch. Schließlich hat er selbst mehrere Jahre für die Stasi-Akten-Behörde gearbeitet, die hier, am historischen Ort, ihr wertvolles Archiv hat, in dem ein gigantischer, vergifteter Schatz schlummert: rund 45 Kilometer prall gefüllte Regale und Schränke mit Spitzelberichten aus 40 Jahren.

Neben dem Stasi-Museum stinkt es

Christian Booß hat sein Büro in der siebten Etage von Haus 1. Im Erdgeschoss ist der Eingang zum Stasi-Museum, dessen Ausstellungsräume sich über vier Ebenen erstrecken. Auch das schmucklose Büro Erich Mielkes ist zu besichtigen. Jenes Mannes, der 32 Jahre - bis kurz vor dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 - mit harter Hand die DDR-Geheimpolizei befehligte. Direkt neben Haus 1 beginnt das über Eck gebaute Haus 7. Im rechten Flügel lagert das Akten-Archiv, ergänzt durch eine weitere Ausstellung: "Einblick ins Geheime".

Hier lagert ein Großteil der Stasi-Akten, die während der friedlichen Revolution von DDR-Bürgerrechtlern gerettet wurdenBild: Marcel Fürstenau/DW

Zeitgeschichte zum Anfassen gibt es also durchaus und trotzdem wirkt alles irgendwie trostlos. Der linke Flügel von Haus 7 steht unter Denkmalschutz - und seit 30 Jahren leer. "Der stinkt seit 30 Jahren vor sich hin", sagt Booß unter Verweis auf marode Rohre. Hinter der schmutzig-grauen Fassade aus den 1950er Jahren und den völlig verdreckten Fenstern dachten zu DDR-Zeiten Stasi-Mitarbeiter darüber nach, mit welchen Methoden sie am besten Regime-Gegner "zersetzen" könnten. Ihre perfiden Berichte sind heute dank des Sturms auf die Stasi-Zentrale ein offenes Buch. Viele Seiten sind online.

Dem "Campus für Demokratie" fehlt der Feinschliff

Trotz aller Bemühungen: Ein schlüssiges Konzept für das zu großen Teilen brach liegende Areal fehlt noch immer. Roland Jahn, der seit 2011 amtierende Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, wollte den kalt und abweisend anmutenden Ort in einen lebhaften "Campus für Demokratie" umwandeln. Gelungen ist ihm das aber nur in Ansätzen. Das Hinweisschild am Eingang ist klein, geradezu mickrig. Was fehlt, ist ein weithin sichtbarer, einladender Eingangsbereich. Einer, der neugierig macht auf die hier geschriebene Geschichte und ihre Aufarbeitung.

"Das Lügen darf nicht belohnt werden"

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Kleine Orientierungshilfe für einen historischen OrtBild: Marcel Fürstenau/DW

Immerhin geht es um eines der wichtigsten und zugleich unmenschlichsten Kapitel der ostdeutschen Diktatur. Roland Jahn, der 1983 vom DDR-Regime ausgebürgert und in den Westen abgeschoben wurde, hinterlässt einen unfertigen Campus. Denn im Sommer endet seine zehnjährige Amtszeit. Und niemand wird ihm nachfolgen, weil die am Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober 1990) gegründete Stasi-Unterlagen-Behörde in das Bundearchiv integriert wird.

Das Ende der Stasi-Unterlagen-Behörde ist schon besiegelt

Christian Booß vom "Bürgerkomitee 15. Januar" hält diese vom Bundestag beschlossene und von Roland Jahn mitgetragene Entscheidung für einen großen Fehler. Die Stasi-Unterlagen-Behörde habe das Recht gehabt, "aktiv in die Aufarbeitungsdebatte einzugreifen". Das Bundesarchiv hingegen sei per se passiv. "Damit ändert sich der Charakter der Aufarbeitung total", meint Booß, der etliche Ideen hat, ungenutzte Potenziale auf dem Gelände der früheren Stasi-Zentrale auszuschöpfen.

Christian Booß vom "Bürgerkomitee 15. Januar" hält die Abwicklung der Stasi-Akten-Behörde für einen großen FehlerBild: Marcel Fürstenau/DW

Er denkt dabei unter anderen an den kurz vor dem Kollaps der DDR fertigstellten Bunker hinter Haus 7. Dort gebe es auf zwei Stockwerken Anlagen zum Aufbereiten von Wasser, für Notstrom und Telekommunikation. "Die waren auf dem Weg, eine Stasi 2.0, eine Stasi mit Elektronik und allem Drum und Dran zu werden", sagt der promovierte Historiker Booß. Damit, so glaubt er, könne man vor allem auch jüngere Besucher beeindrucken. Das Problem: Der Bunker ist baupolizeilich gesperrt. 

Für den KGB war die Stasi das Einfallstor Richtung Westen 

Allerding sagt auch der Vorsitzende des "Bürgerkomitees 15. Januar", dass man nicht aus allen Häusern ein Museum machen könne. Aber die Dimension des Geländes müsse erkennbar bleiben. Schließlich sei die Stasi im Verhältnis zur Bevölkerung die größte Geheimpolizei des Ostblocks gewesen. Das werde durch die Architektur deutlich. In Warschau oder Prag sei alles "deutlich kleiner". Vor allem aber sei die Stasi direkt an der "Nahtstelle zwischen Ost und West" gewesen. Und deshalb für den sowjetischen Geheimdienst KGB von besonderer Bedeutung.

Immer geöffnet: Open-Air-Ausstellung zur friedlichen Revolution in der DDR auf dem Hof der einstigen Stasi-Zentrale Bild: Marcel Fürstenau/DW

Die Wahrnehmung der Menschen in der DDR, sagt Booß, sei schon richtig gewesen. In keinem anderen Land sei "dermaßen stark" gegen die Geheimpolizei revoltiert worden. Vom mutigen, gewaltlosen Erstürmen der Stasi-Zentrale und der friedlichen Revolution in anderen Regionen der DDR zeugt auch ein weiterer Baustein aus der Ära Jahn: eine Dauerausstellung unter freiem Himmel auf dem ansonsten von Autos zugeparkten Hof vor dem Stasi-Museum. Die kann man sich jederzeit ansehen. Sogar jetzt, wo alle anderen Museen wegen der Corona-Pandemie geschlossen sind.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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