Klassiker wie "Metropolis" und "Der Blaue Engel" haben Kinogeschichte geschrieben. Auch heute beherbergen die Filmstudios vor den Toren Berlins internationale Dreharbeiten. Ein neuer Investor könnte dem ein Ende setzen.
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Nur ein schmales Gewässer, der Griebnitzsee, trennt Babelsberg vom äußersten Südwesten der deutschen Hauptstadt Berlin. Weltberühmt ist der Potsdamer Stadtteil nicht wegen seines Schlosses im englischen Tudor-Stil, sondern wegen des Studios Babelsberg, in dem seit mehr als 100 Jahren teils legendäre Filme gedreht werden.
Doch nun befürchtet die deutsche Kulturszene das Ende des ältesten Großatelier-Filmstudios der Welt. Seit April kann ein neuer Investor allein über die unternehmerischen Entscheidungen der Studio Babelsberg AG bestimmen.
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Hat Deutschland als Produktionsland ausgedient?
Bereits Anfang 2022 hatte das Unternehmen Kino BidCo, das zum Portfolio der US-Investmentgesellschaft TPG Capital gehört, die Mehrheitsanteile der Studio Babelsberg AG übernommen. Seither hätten kaum noch Dreharbeiten stattgefunden, sagte der deutsche Regisseur und ehemalige Vorstandsvorsitzende der Filmstudios, Volker Schlöndorff. Im Kulturradio des öffentlich-rechtlichen Senders RBB sagte der Oscar-Gewinner ("Die Blechtrommel", bester fremdsprachiger Film 1980): "Die Gefahr, dass man das Studio Babelsberg aushungern oder an die Wand fahren will, besteht."
Traumfabrik Babelsberg
Die Studios vor den Toren Berlins gehören zu den bekanntesten Filmschmieden der Welt. Jetzt wurde sie von einem US-amerikanischen Konzern gekauft.
Bild: Studio Babelsberg AG
Die Geburtsstunde des Filmstudios Babelsberg
Die Amerikaner hatten schon ihr Hollywood, als deutsche Filmleute noch in Ateliers im Zentrum von Berlin drehten. Dabei lösten sie häufig Feueralarm aus, weil die Pappmaschee-Dekoration unter den heißen Scheinwerfern schnell in Flammen aufging. Schließlich bat die Feuerwehr darum, die Innenstadt zu verlassen. Im Potsdamer Stadtteil Babelsberg fand Filmpionier Guido Seeber ein geeignetes Gelände.
"Totentanz"-Premiere
In nur drei Monaten entstand dort im Winter 1911/12 im Auftrag der Firma Bioscop ein Filmatelier mit 300 Quadratmetern Grundfläche, das sogenannte "Kleine Glashaus". Kaum fertiggestellt ging es auch schon los mit der ersten Produktion - "Totentanz", ein Stummfilm mit dem dänischen Star Asta Nielsen. Ein Jahr später wurden auf dem Gelände ein zweites Atelier und ein Kopierwerk gebaut.
Bild: picture-alliance/dpa
Pioniere der Technik
1922 stieg die UFA in die Produktion ein und testete neue Techniken. Bei Dreharbeiten zu Friedrich Wilhelm Murnaus "Der letzte Mann" (mit Emil Jannings) wurde 1924 erstmals mit einer beweglichen Kamera gearbeitet. Selbst Hollywood schickte seine Leute zur Weiterbildung nach Babelsberg. Hitchcock schwärmte später: "Alles, was ich über das Filmemachen wissen musste, habe ich in Babelsberg gelernt."
Bild: picture-alliance/Keystone/Röhnert
Meisterwerk "Metropolis"
Zwei Jahre lang arbeite Fritz Lang in Babelsberg an seinem Science-Fiction-Opus "Metropolis" (1927), einem Meisterstück des Stummfilms. Mit Produktionskosten in Höhe von fünf Millionen Reichsmark war der Film der teuerste seiner Zeit. Seine Bildsprache wurde zum Vorbild für viele weitere Generationen.
Bild: picture alliance / dpa
Ein Weltstar wird geboren
Viele Stars begannen ihre Karriere in Babelsberg, aber Deutschlands wahrscheinlich erfolgreichster Filmexport war Marlene Dietrich. Die 29-jährige Schauspielerin hatte 1930 ihren Durchbruch mit Joseph Sternbergs Klassiker "Der blaue Engel", der zweisprachig in Deutsch und Englisch gedreht wurde. Er war Deutschlands erste große Tonfilmproduktion im brandneuen Atelier "Tonkreuz".
Bild: picture-alliance/Gusman/Leemage
Propagandamaschine Babelsberg
Nach der Machtergreifung der Nazis gingen die Produktionen in Babelsberg unter staatlicher Kontrolle weiter. Zwischen 1933 und 1945 entstanden hier unter Regie des Propagandaministers Joseph Goebbels rund tausend Filme. So etwa Veit Harlans antisemitisches Werk "Jud Süss" oder Leni Riefenstahls Dokumentation "Triumph des Willens" über den NSDAP-Reichsparteitag 1934.
Bild: Mary Evans Picture Library
Dreharbeiten in den Trümmern
Die Dreharbeiten zum ersten deutschen Nachkriegsfilm begannen 1946 mit Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns". Der Film, mit dem Hildegard Knefs Karriere begann, fragt nach individueller Schuld und Verantwortung während der nationalsozialistischen Herrschaft. Gedreht wurde mitten im zerstörten Berlin. Im Ausland hielt man die Trümmerlandschaft später für eine besonders gut gebaute Kulisse.
Bild: picture-alliance/KPA
"Nackt unter Wölfen"
Ende 1947 gab die sowjetische Besatzungsmacht die Babelsberg Studios wieder zur Filmproduktion frei. In der DDR drehte die Deutsche Film-AG, kurz "DEFA", über 700 Spielfilme und viele Fernsehproduktionen. Neben linientreuen Werken enstanden auch jenseits des Eisernen Vorhangs gefeierte Filme wie Frank Beyers "Nackt unter Wölfen" (1963). Rechts im Bild: der junge Armin Müller-Stahl als KZ-Insasse.
Bild: picture-alliance/dpa
Nicht alles sonnig in der "Sonnenallee"
Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 wurde die DEFA von der Treuhandgesellschaft gekauft, die für die Privatisierung der Volkseigenen Betriebe der DDR zuständig war. Diese wiederum verkaufte das Studio an die französische Vivendi Universal, die rund 500 Millionen Euro in die Erneuerung des Studios steckte. Diese typische Berliner Straße wurde 1999 für die Tragikomödie "Sonnenallee" gebaut.
Bild: picture-alliance/ ZB
Dreharbeiten mit Polanski
2004 erwarben die Filmproduzenten Carl Woebcken und Christoph Fisser das Unternehmen. Mit 25.000 Quadratmeter Fläche und 16 Studios ist das Studio Babelsberg einer der größten zusammenhängenden europäischen Filmstudiokomplexe. 2002 drehte Roman Polanski hier "Der Pianist" mit Adrien Brody in der Hauptrolle.
Bild: imago stock&people
Hollywood aus Babelsberg
Viele US-amerikanische Filme entstehen mittlerweile in Babelsberg. Die internationalen Produktionen bringen einen Hauch von Hollywood-Glamour nach Potsdam. Die britische Schauspielerin Kate Winslet drehte hier 2007 den Film "Der Vorleser". Darin geht es um einen Schüler, der eine Affäre mit einer zwanzig Jahre älteren Frau eingeht. Jahre später erfährt er, dass sie einst Aufseherin im KZ war.
Bild: imago/Unimedia Images
Staraufgebot bei "Inglourious Basterds"
Auch Quentin Tarantino, der Kopf hinter den Kultfilmen "Pulp Fiction" und "Kill Bill", drehte 2009 in Babelsberg. "Inglourious Basterds" handelt von dem Versuch, die Nazi-Führung im Zweiten Weltkrieg zu ermorden. Neben Brad Pitt (im Bild) und anderen Weltstars waren auch deutschsprachige Schauspieler wie Til Schweiger und Daniel Brühl mit von der Partie.
Bild: Francois Duhamel
Tödliche Spiele: "Tribute von Panem"
Mehr als 2000 Komparsen und gigantische Kulissen an Drehorten in Potsdam und Berlin wurden für die Dreharbeiten zum dritten und vierten Teil der weltweit erfolgreichen "Tribute von Panem"-Reihe benötigt. Im Bild: Jennifer Lawrence als Katniss. Zwar sind die Berliner an den Anblick von Film-Teams in der Stadt gewohnt; einen Blick auf die Stars erhaschen sie aber trotzdem gern.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Close
Ein neues Kapitel
Anfang 2022 hat der US-amerikanische Konzern "TPG Real Estate Partners" (TREP) die Studios vor den Toren Berlins übernommen. Zu TREP gehören zudem die Cinespace-Studios in Chicago und in Toronto sowie weitere 90 Tonstudios weltweit. Trotz der Übernahme wird man in Babelsberg weiterhin unabhängig produzieren.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger
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Zuvor hatte Andy Weltman, aktueller Co-Vorstandschef in Babelsberg, eine maue Auftragslage eingeräumt und Steueranreize gefordert. Diese sollten Deutschland als Drehort international wettbewerbsfähig machen und dafür sorgen, dass es "wieder eine weltweit führende Rolle" in der Filmproduktion einnehmen könne. Laut einer Prognose aus dem Jahr 2021 rechnet die Branche damit, dass die Umsätze bis 2025 - wie schon in den vergangenen zehn Jahren - bei rund 10,5 Milliarden Euro stagnieren.
Stützt die deutsche Regierung die heimische Filmindustrie?
Anfang der Woche dann hatte sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch in Babelsberg dafür ausgesprochen, das milliardenschwere Geschäft mit Film- und TV-Produktionen in Deutschland aufrechtzuerhalten. Scholz kündigte an, Filmförderprogramme in anderen Ländern zu prüfen und spätestens 2024 "weitreichende Entscheidungen" zu treffen. Die Film- und Fernsehproduktion müsse "hier und an anderer Stelle in Deutschland aufrechterhalten werden. Denn wenn es einmal weg ist, ist es schwer wieder aufzubauen."
Welterfolge "Made in Babelsberg"
Die Babelsberger Filmstudios sind nicht die einzigen Produktionsstudios in Deutschland, aber sie gelten als Wiege des deutschen Films. Hier drehte Fritz Lang 1927 seinen wegweisenden Stummfilm-Klassiker "Metropolis" und Hanns Schwarz 1929 mit "Melodie des Herzens" den ersten deutschsprachigen Tonfilm überhaupt. Marlene Dietrichs kometenhafte Karriere begann 1930 mit dem in Babelsberg entstandenen Welterfolg "Der blaue Engel".
Nachdem die totalitären Regime Nazi-Deutschlands und der Deutschen Demokratischen Republik die Studios vor allem zur Produktion von Propagandafilmen benutzt hatten, wurden sie nach der Wende privatisiert. Die neuen Investoren modernisierten die Studios und bauten sie aus. Heute gehören 21 topmoderne Filmstudios, rund 17 Hektar Freiluftkulissen und Europas größtes Requisitenlager dazu.
In den vergangenen Jahren entstanden hier unter anderem Szenen der Science-Fiction-Reihe "Die Tribute von Panem" und Oscar-prämierter Werke wie Wes Andersons "Grand Hotel Budapest" und Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds".