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PolitikEuropa

Steht Macron vor der sicheren Wiederwahl?

Barbara Wesel
3. März 2022

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kandidiert für eine zweite Amtszeit. Schon vor dem Ukraine-Krieg führte er in den Umfragen. Jetzt schadet den Rechten ihre Putin-Nähe, und der Präsident punktet als Staatsmann.

Frankreich | TV Ansprache Präsident Macron
Staatsmännisch und krisenerfahren: Frankreichs Präsident Macron hält sich aus dem Wahlkampf weitestgehend heraus Bild: Ludovic Marin/AFP/Getty Images

Zu bester Sendezeit wendete sich der Präsident am Mittwochabend an seine Landsleute, um mit ernster Miene über die Bedrohungen durch den Krieg in der Ukraine zu sprechen. "Russland ist der Aggressor", betonte Emmanuel Macron, und stellte klar: "Dieser Krieg ist kein Konflikt zwischen der NATO und Russland".

Macron versprach, Frankreich werde den flüchtenden Menschen aus der Ukraine helfen. Aber er warnte die Bürger auch vor den wirtschaftlichen Folgen des Krieges und den Sanktionen. Es war die staatsmännische Rede eines Präsidenten, der sich seiner Wiederwahl im April ziemlich sicher sein kann. In einem am Donnerstagabend von der Zeitung "Libération" online veröffentlichten Brief gab Macron seine Kandidatur offiziell bekannt. 

"Wir haben nicht alles erreicht", heißt es in dem Schreiben, das am Freitag auch in den gedruckten Zeitungen des Landes erscheint. Mit der heutigen Erfahrung würde er einige Entscheidungen anders treffen, gesteht Macron ein. Einzelheiten zu einem politischen Programm gab er nicht bekannt.

Krieg verdrängt Wahlkampfthemen

"Das überwältigende Gefühl ist, dass man Macron zwar kritisieren kann, aber niemand sonst die Glaubwürdigkeit und Qualitäten für das Präsidentenamt hat", sagt der französische Politikwissenschaftler Bruno Cautrès von der Elite-Hochschule "Institut d'études politiques de Paris".

Macrons Stärke sei sein Profil als Führungsfigur, da könne sich niemand mit ihm vergleichen. Seine Schwäche hingegen sei, dass er nicht als Mann des Volkes gesehen werde, der die Menschen versteht. 

Händeschütteln im Kreml: Im Wahlkampf schadet Marine Le Pen nun ihre Freundschaft zu Putin Bild: Mikhail Klimentyev/AP/picture alliance

Inzwischen aber habe der Krieg alle anderen Wahlkampfthemen wie Zuwanderung oder Islamismus verdrängt. Und mehr als die Hälfte der Franzosen sind damit zufrieden, wie Präsident Macron die gegenwärtige Lage meistert.

Seine Konkurrenten bleiben da weit abgeschlagen. Zwar werfen ihm einige Kritiker eine gewisse Naivität im Umgang mit Russlands Präsident Wladimir Putin vor, weil er sich von diesem habe täuschen lassen. Aber es überwiegt die Sicht, dass Macron es zumindest versucht habe, in letzter Minute noch eine diplomatische Lösung zu finden.

Gute Noten als Krisenmanager

"Auch wenn Macron noch jung ist, so hat er doch seine Fähigkeit bewiesen, in so einer Situation richtig zu reagieren", meint Politikexpertin Geneviève Pons vom Jaques Delors Institut. Und er habe gleich mehrere Krisen bewältigt, denn auch seine Politik während der Corona-Pandemie sei relativ erfolgreich gewesen.

Bruno Cautrès betont, dass die bisherige Amtszeit Macrons eigentlich eine Kette von großen Krisen war: Zunächst die Proteste der Gelbwesten-Bewegung, dann die Pandemie, und jetzt der Krieg. Doch mittlerweile ist die Protestwelle abgeflaut. Und die teils autoritäre Anti-Corona-Kampagne habe im Ergebnis funktioniert, so Geneviève Pons.

In der Finanzpolitik habe Macron die französische Wirtschaft mit Milliardensummen gestützt, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie abzufedern. Obwohl dies zu einem rasanten Anstieg der französischen Staatsschulden führen werde, sei dies in Frankreich kein großes Thema, meint Geneviève Pons.

Gegen die Inflation aber und um den Anstieg der Energiepreise abzufedern, will Macron in diesem Jahr erneut 15 Milliarden Euro einsetzen. Auf der wirtschaftlichen Habenseite steht auch, dass die Arbeitslosigkeit zum ersten Mal seit 50 Jahren auf 7,4 Prozent gesunken ist. 

Macron muss sich erklären

Der rechtsradikale Kandidat Eric Zemmour macht schon seit Januar WahlkampfBild: Pascal Rossignol/REUTERS

In den Wahlkampf hat sich der Präsident bislang nicht eingemischt. Seine Strategie ist, dass die Gegner sich gegenseitig angreifen oder gar demontieren. Wegen des Krieges in der Ukraine hat Macron inzwischen sogar seinen ersten öffentlichen Auftritt in Marseille abgesagt.

Die offizielle Bekanntgabe seiner Kandidatur zögerte Macron bis zum letzten Moment hinaus. Politikwissenschaftler Bruno Cautrès merkt an, dass "Macron den Wählern endlich sagen müsse, wofür sie ihn noch einmal wählen sollen. "Das große Risiko ist", so der Politologe, "dass er wegen des Krieges wiedergewählt wird, aber es keinen Konsens über die politischen Pläne gibt". 

Außerdem müsse der Präsident erklären, was er aus den bisherigen Krisen gelernt habe, wie er in einer zweiten Amtszeit damit umgehen wolle, und was die künftigen Projekte sind. Bisher fehle diese inhaltliche Debatte, kritisiert die Polit-Zeitschrift "Marianne".

"Es ist nicht so, dass Macron genial ist, aber sie (die anderen Kandidaten) sind solche Nullen", titelt das Politmagazin "Marianne" Bild: Barbara Wesel/DW

Stattdessen "hat es der Präsident es geschafft, abwechselnd die Rechte und die Linke zu hypnotisieren, von ihren Schwächen zu profitieren und aus ihren Fehlern zu lernen", heißt es dort. 

Auf Distanz zu Putin

Der Politologe Cautrès ist überzeugt: "Keiner kann sich mit Macron vergleichen". Seine Kandidatur rage aus dem zersplitterten Umfeld von zehn Kandidaten heraus. Die Umfragen geben nach wie vor der rechten Kandidatin Marine Le Pen mit derzeit 17 Prozent die besten Chancen, mit Macron in die zweite und entscheidende Wahlrunde zu kommen. Und das, obwohl in ihrer Wahlkampfbroschüre ein Putin-Foto prangt, von ihrem Besuch im Kreml im Wahlkampf 2017.  


Im Interview mit dem Sender BFMTV machte Le Pen jetzt die Rolle rückwärts: "Die Invasion ist eine klare Verletzung von internationalem Recht und nicht zu verteidigen". Der Politologe Jean-Yves Camus erklärte dazu in der Zeitung "Ouest France", dass diese Doppeldeutigkeit Marine Le Pen kaum schaden würde, denn die Anhänger würden ihre Kreml-Nähe sowieso kennen. 

Ihr Konkurrent auf der extrem rechten Seite, der mehrfach als Hassprediger verurteilte Ex-Journalist Éric Zemmour, scheint in größerer Erklärungsnot. In einem Interview mit RTL verurteilte er zwar die russische Invasion in der Ukraine, nahm Putin aber in Schutz: "Wenn Putin schuldig ist, ist der Westen verantwortlich".

Zemmour, der seinen Wahlkampf vor allem mit wilden Ausfällen gegen Muslime und Zuwanderer bestritten hat, will jetzt sogar ukrainischen Flüchtlingen die Aufnahme verweigern. Er hat inzwischen gut zwei Punkte in den Umfragen verloren.

Blasse Konkurrenten

Bleibt noch Valérie Pécresse, die bislang blasse Kandidatin der konservativen Republikaner, die weder persönlich noch mit ihren Themen wirklich Fuß fassen konnte. Es folgt der ewige Linksausleger Jean-Luc Melenchon, der ebenfalls seine Haltung zu Putin revidieren musste und ein total abgeschlagener Tross von Grünen und Sozialisten. 

Über all dem thront präsidial Emmanuel Macron, der in Frankreich wegen seiner rhetorischen Höhenflüge auch gern als "Jupiter" verspottet wird. Allerdings habe er dazu beigetragen, dass Europa im Ukraine-Krieg geeint dastehe, meint Geneviève Pons. Macron sei ein Vorreiter, "für mehr europäische Verteidigung und Autonomie in der EU".

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