Steht Somalia kurz vor dem Fall?
26. Juni 2009"Unsere Truppen sind in voller Alarmbereitschaft". Mit diesen Worten verhängte Präsident Sheik Sharif Ahmed am Montag (22.06.2009) den Ausnahmezustand für sein Land. Dies freilich wird die Jihadisten, die selbsternannten Gotteskrieger von „Al Shabab“ und der „Armee Hizb-al Islam“, kaum beeindrucken. Sie haben längst die strategisch wichtigen Viertel in der Hauptstadt Mogadischu eingenommen. Es ist eine Frage der Zeit, wann auch der Hafen und der Flughafen fallen, die derzeit noch von Soldaten der Mission der Afrikanischen Union AMISOM gesichert werden.
Appell an Nachbarstaaten
Vor diesem Hintergrund hat die somalische Regierung die Nachbarländer Äthiopien, Kenia und Djibuti um Militärhilfe gebeten. Schon Ende 2006 hatten die Äthiopier – ohne Mandat, aber mit stiller Unterstützung der USA - in Somalia interveniert. Zwar gelang es ihnen, die Radikalen zurückzuschlagen, sie mussten sich aber nach erbittertem Widerstand, dem sich selbst moderate Somalis anschlossen, im Januar dieses Jahres zurückziehen. Abdi Rashid, Somalia-Experte der International Crisis Group in Nairobi, warnt vor einem neuerlichen Waffengang der Nachbarn. Er mahnt stattdessen eine politische Lösung an. Er habe seit 1991 bereits zahlreiche Militärinterventionen in Somalia gesehen – und alle seien fehlgeschlagen. "Ich kann also nicht sehen, wie ein Engreifen von Kenia oder Äthiopien, selbst unter einem Mandat, die Situation retten sollte. Wir müssen mehr in den politischen Prozess investieren, statt nach Militärinterventionen zu rufen."
Tummelplatz der "Jihadisten"
Zwar dementiert die äthiopische Regierung Augenzeugenberichte, Truppenteile über die Grenze nach Belet Huen verschoben zu haben. Man warte auf ein offizielles Mandat der Staatengemeinschaft. Der äthiopische Regierungssprecher Shimeles Kemal lässt gegenüber der Deutschen Welle jedoch keinen Zweifel an der Alarmbereitschaft seines Landes: Wie schon im Jahr 2006 würde die äthiopische Regierung nicht untätig das Elend der Somalis mit anschauen, sondern Truppen schicken, wenn es die Situation erfordere. Was den Hilferuf der somalischen Regierung angeht: "Wenn unsere nationale Sicherheit bedroht ist, dann wird unsere Regierung in Abwägung aller Faktoren angemessene Schritte unternehmen", so Kemal. Derweil mehren sich die Anzeichen, dass Somalia zu einem Tummelplatz der "jihadistischen Internationale" wird, die in Ostafrika um die Deutungshoheit des "wahren Islam" kämpft. Dafür spreche auch die Rivalität der beiden Gruppen Al Shabab und der gemäßigteren Hizb al-Islam. Von einigen Hundert arabischen und afrikanischen Jihadisten ist die Rede, selbst somali-stämmige Amerikaner sind laut der US-amerikanischen Ermittlungsbehörde FBI zum heiligen Krieg angeworben worden.
Rolle der Erzrivalen Eritrea und Äthiopien
"Es ist sicherlich etwas Wahres daran, dass Al Shabab zunehmend auf ausländische Jihadisten baut, die aus allen Teilen der muslimischen Welt nach Somalia kommen", meint Somalia-Experte Abdi Rashid. Es kursierten Zahlen von 400 bis 500 Kämpfern. Verlässliche Ziffern lassen sich allerdings nicht definieren. Längst hat der Unruheherd Somalia die gesamte Region in die Krise gestürzt: Die Erzrivalen Eritrea und Äthiopien führen nach wie vor einen Stellvertreterkrieg in Somalia. Zuletzt hat der in der vergangenen Woche ermordete Sicherheitsminister Eritrea vorgeworfen, Flugzeugladungen mit Waffen an die Islamisten zu liefern. Kenia, das unter der Last Hunderttausender somalischer Flüchtlinge ächzt, ist längst ein aktiver Rekrutierungsplatz für somalische Jihadisten. Sie warnen offen, Nairobi in Schutt und Asche zu legen, sollte Kenia der somalischen Übergangsregierung zur Hilfe kommen. In Kenia verübte Al-Kaida bereits 1998 ihre ersten großen Attentate. Das Land könnte schnell wieder zu einer Front des Jihad in Afrika werden.
Die Zeit drängt
Kenia verhielt sich zunächst zurückhaltend. Nun hat das Land seine Sicherheitsmaßnahmen an der Grenze zu Somalia verschärft. "Wir sind wegen der Vorgänge in Somalia in erhöhter Alarmbereitschaft", hieß es aus kenianischen Polizeikreisen. Für die Somalis, seit 1991 von sukzessiven Krisen gebeutelt, kommt in diesen Wochen eine schlechte Nachricht zur anderen. Aufgrund der schlimmsten Dürre der letzten Dekade sind mehr als drei Millionen Menschen auf Lebensmittelhilfe angewiesen. Schlimmer noch: Nach Angaben der Vereinten Nationen sind die Rücküberweisungen der in der Diaspora lebenden Somalis aufgrund der Rezession um 25 Prozent eingebrochen. Es wird geschätzt, dass mindestens ein Drittel der Bevölkerung von diesen Überweisungen in Höhe von einer Milliarde US Dollar jährlich abhängig ist. Die Zeit für eine koordinierte politische - nicht militärische - Intervention drängt!
Autor: Ludger Schadomsky
Redaktion: Katrin Ogunsade