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Politik

"Al-Bagdadi ist für den IS kaum zu ersetzen"

Terry Martin nsh
28. Oktober 2019

Der von den USA gemeldete Tod des IS-Führers al-Bagdadi wird die Terrormiliz schwächen, sagt Nahost-Experte Guido Steinberg. Sorgen vor Vergeltungsschlägen müssten sich nun vor allem die Kurden machen.

Abu Bakr al-Bagdadi Führer Islamischer Staat
Der getötete IS-Führer Abu Bakr al-Bagdadi in einem Propaganda-Video der Terrormiliz.Bild: Getty Images/AFP

DW: Wie wichtig war Abu Bakr al-Bagdadi für den IS und welche Folgen wird sein Tod für die Terrororganisation haben?

Guido Steinberg: Al-Bagdadi war sehr wichtig für den IS. Als er 2010 ihr Anführer wurde, bestand die Gruppierung aus weniger als 1000 Kämpfern. Vier Jahre später hatte er im Irak und Syrien eine Art Staat errichtet. Es wird für den "Islamischen Staat" sehr schwierig werden, einen geeigneten Ersatz für al-Bagdadi zu finden.

Wird al-Bagdadis Tod den IS schwächen?

Ein wenig schon, denn es wird nicht so leicht sein, jemanden zu finden, der so brutal, gut organisiert und ideologisch motiviert ist wie es der selbst ernannte Kalif al-Bagdadi war. Das wird die Organisation also schwächen, aber es gibt sie ja immer noch - nicht nur in Syrien und dem Irak, sondern überall in der islamischen Welt.

US-Präsident Donald Trump ist offenkundig sehr stolz darauf, dass al-Bagdadi von US-Spezialeinheiten getötet wurde - beziehungsweise sich in die Luft gesprengt hat, als diese sich ihm näherten. Denken Sie, dass die Tötung Auswirkungen darauf haben wird, wie die Amerikaner künftig ihren Kampf gegen den Terrorismus im Nahen Osten führen werden?

Den IS gibt es auch nach dem Tod von Anführer Abu Bakr al-Bagdadi, sagt Nahost-Experte Guido SteinbergBild: picture-alliance/Eventpress

Ich denke nicht. Diese US-Regierung ist auf der einen Seite sehr engagiert im Kampf gegen Dschihadisten. Auf der anderen Seite aber will sie auch unbedingt raus aus Syrien und dem Irak und sich stärker auf Asien konzentrieren. Das wird den Kampf gegen den Terrorismus im Nahen Osten erheblich schwächen.

Das wird vor allem für die Europäer ein Problem werden, denn die müssten theoretisch den Platz der Amerikaner einnehmen. Alles, was in Syrien und der Türkei passiert, hat am Ende viel mehr Folgen für uns als für die USA.

Die Militäroperation gegen al-Bagdadi wurde in Nord-Syrien ausgeführt, einer Region, in der globale und regionale Kräfte gleichermaßen in einen militärischen Konflikt verwickelt sind. Glauben Sie, dass es dort in naher Zukunft wieder so etwas wie Stabilität geben kann?

Das glaube ich nicht. Der syrische Präsident Bashar al-Assad hat den Bürgerkrieg zwar de facto gewonnen, aber es wird trotzdem noch lange dauern, bis er die Kontrolle über das Land wieder zurückgewonnen haben wird. So lange wird der Krieg weitergehen und der IS wird dabei weiter eine Rolle spielen.

Denken Sie, dass die Kämpfer des "Islamischen Staates" den Tod ihres Anführers rächen werden, beispielsweise durch Terroranschläge?

Das ist auf jeden Fall möglich. Die Gefahr von Anschlägen durch den IS besteht aber schon seit Jahren und das bleibt weiterhin so. Wer sich wirklich Sorgen machen muss, sind die Kurden, denn wir wissen nun, dass die US-Militär-Operation gegen Abu Bakr al-Bagdadi im kurdisch-dominierten Erbil im Nord-Irak begonnen hat.

Guido Steinberg ist Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Von 2002 bis 2005 war er Referent für internationalen Terrorismus im Bundeskanzleramt.

Das Interview führte Terry Martin.

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