1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Eisige Blicke in Ankara

15. November 2016

Ein schwieriges Pflaster, das ist die Türkei seit langem für deutsche Politiker. Das bekam auch Außenminister Steinmeier in Ankara zu spüren. Seine Gesprächspartner gaben sich gereizt, doch der Minister mahnte weiter.

Türkei Frank-Walter Steinmeier und Recep Tayyip Erdogan in Ankara (picture-alliance/dpa/EPA/TURKISH PRESIDENT PRESS OFFICE)
Gespanntes Verhältnis: Außenminister Steinmeier und Präsident ErdoganBild: picture-alliance/dpa/Turkish President Press Office

Eisige Blicke: Mit dieser Beobachtung charakterisierten Korrespondenten die Stimmungslage beim Händeschütteln zwischen dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara. Es war ein politisch wichtiger Besuch Steinmeiers in der türkischen Hauptstadt, war es doch der erste seit der Niederschlagung des Putschversuchs Mitte Juli. Für den erfahrenen SPD-Politiker wurde es eine Gratwanderung zwischen notwendiger Kritik und dem Versuch, trotzdem im Gespräch zu bleiben.

Die türkische Regierung sparte nicht mit Vorhaltungen. Außenminister Mevcüt Cavusoglu wetterte nach seinem Gespräch mit Steinmeier, Deutschland sei ein Zufluchtsort für PKK-Terroristen und Anhänger des "geisteskranken" Predigers Fethullah Gülen. Seine Regierung macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Putsch verantwortlich. Die Verhafteten seien Unterstützer der Putschisten, betonte Cavusoglu und verbat sich jede Einmischung von außen. Er kritisierte nochmals die Resolution des Bundestages zum Völkermord an den Armeniern.

Offener Schlagabtausch: Frank-Walter Steinmeier und Mevlut Cavusoglu in AnkaraBild: Getty Images/AFP/A. Altan

Fast schon ein Eklat

Beobachter bewerteten den verbalen Schlagabtausch der Minister vor laufenden Kameras für diplomatische Verhältnisse fast schon als Eklat. Steinmeier verwahrte sich gegen die Beschuldigung, die Bundesregierung lasse Terroristen gewähren. Diesen Vorwurf "können wir schlicht und einfach nicht nachvollziehen", unterstrich er. Er dankte Cavusoglu "für ein heute nicht ganz einfaches Gespräch".

Deutlicher als bei früheren Gelegenheiten nannte Steinmeier beim Namen, was in der Türkei schief läuft: Die Massenverhaftungen und - entlassungen von Beamten, Lehrern und Wissenschaftlern nach dem gescheiterten Militärputsch, die Repressalien gegen kritische Journalisten und Medienunternehmen. Deswegen gebe es "ernsthafte Sorgen", so der Minister. Ein klares Wort der Verurteilung vermied er jedoch. "Versteht es bitte in der Türkei nicht als Anmaßung, nicht als Belehrung von oben herab", sagte er. Der "direkte Kontakt" sei wichtig und besser als Schuldzuweisungen über die Medien.

Im Gespräch bleiben

Auch die türkische Seite demonstrierte, dass sie trotz aller Misstöne im Gespräch mit der deutschen Seite bleiben will. Cavusoglu drückte seine Hoffnung aus, dass die deutsch-türkischen Beziehungen bald wieder "auf dem alten Stand" sein könnten. Neben Erdogan erklärte sich auch Ministerpräsident Binali Yildirim kurzfristig bereit, Steinmeier zu empfangen. Wie es scheint, waren auch diese Gespräche eher schwierig. Die Gastgeber beklagten sich etwa bitter über negative Türkei-Berichte in deutschen Medien.

Andererseits zeigte sich Steinmeier durchaus beeindruckt beim Besuch im türkischen Parlament von den Schäden der Kampfhandlungen aus dem Juli, die ihm dort vorgeführt wurden. Putschisten hatten das Gebäude damals bombardiert. Vor allem aber nutzte der deutsche Gast seinen Besuch, um klare Zeichen der Unterstützung für die türkische Zivilgesellschaft zu setzen. Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihren letzten Türkei-Reisen auf die Kontakte zur Regierungsseite und namentlich zu Erdogan konzentrierte, empfing Steinmeier in der Residenz des deutschen Botschafters türkische Journalisten und Intellektuelle, die sich für Menschenrechte, Pressefreiheit und die Rechte der Kurden einsetzen.

Treffen mit kurdischen Abgeordneten

Später sprach der Außenminister auch mit Abgeordneten der prokurdischen Oppositionspartei HDP, deren beide Vorsitzenden mittlerweile im Gefängnis sitzen. Auch eine Unterredung mit Politikern der oppositionellen CHP, zu der Steinmeiers SPD traditionell enge Beziehungen unterhält, stand auf dem Programm. Sie steht inzwischen ebenfalls im Visier der türkischen Justiz.

Menschenrechtler und Oppositionelle werfen der Regierung vor, sie nutze den Putschversuch und die angebliche Terrorbekämpfung als Vorwand, um Kritiker mundtot zu machen und alte Rechnungen zu begleichen. Seit der Militärrevolte haben die türkischen Behörden etwa 35.000 Menschen festgenommen, zehntausende weitere wurden aus dem Staatsdienst entlassen. Laut der Türkischen Journalistenvereinigung wurden seit dem Putschversuch 170 türkische Medien geschlossen, 105 Journalisten festgenommen und 777 Presseausweise für ungültig erklärt.

kle/qu (dpa, afp, rtr, DW)

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen