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Musik

100 Jahre Mozartfest in Würzburg

Gaby Reucher
29. Mai 2021

Mozarts Musik ist Balsam für die Seele in Corona-Zeiten. Ohne ihn würde den Menschen etwas fehlen, meint auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Rednerpult vor dem Orchester
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fragt danach, was uns fehlen würde, hätte es Mozart nicht gegebenBild: Dita Vollmond

Bis zuletzt hatten die Würzburger gebangt, ob ihr Mozartfest zum 100. Jubiläum aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie überhaupt vor Publikum stattfinden kann. "Aufgeben kam für uns nicht in Frage. Wir haben gekämpft um diese Saison", sagt die Intendantin des Musikfestivals, Evelyn Meining. Die Musiker seien müde, für Kameras und gegen Glasscheiben zu spielen. "Eine Musik, die von Herzen kommt und zu Herzen gehen soll, die teilt sich nur im Live-Erlebnis mit", sagte sie im Gespräch mit der DW.

Die sinkenden Corona-Zahlen erlaubten schon beim Eröffnungskonzert eine begrenzte Anzahl an Zuhörern vor Ort, darunter auch Ehrengast Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. In seiner Eröffnungsrede betonte Steinmeier, dass Mozart kein Komponist für nur "gute Zeiten" sei. "Mozart ist nicht als mögliche Steigerung eines sowieso schon gelungenen und sinnvollen Lebens misszuverstehen. Für ihn gilt, wie für Kunst überhaupt: Wir brauchen ihn gerade in schwierigen Zeiten."

Wie viel Mozart braucht der Mensch?

Unesco Weltkulturerbe: Die Würzburger ResidenzBild: Daniel Karmann/dpa/picture alliance

Steinmeier begrüßte, dass beim Mozartfest nicht nur Musik auf dem Programm stünde, sondern auch über das kulturelle Erbe Europas diskutiert werde. Damit spielte er auf eine geplante Diskussionsreihe an unter dem Titel "Wieviel Mozart braucht der Mensch - Europas Erbe zwischen Werte- und Haushaltsdebatte".

Mozart stehe als Synonym für Kunst und Kultur, sagt Evelyn Meining. Die Frage sei deshalb, wie viel Bildung und wie viel Kultur der Mensch brauche, und wie bereit wir gerade während der Corona-Pandemie seien, für den Erhalt von Kunst und Kultur zu kämpfen. Auf die Anspielungen anderer Redner, dass Kulturveranstaltungen unter der Pandemie zu sehr eingeschränkt worden seien, ging Bundespräsident Frank Walter Steinmeier in seiner Rede allerdings nicht ein.

Zwei berühmte Mozart-Geigen

Für den Eröffnungsabend hatten Evelyn Meining und der Dirigent und Komponist Jörg Widmann ein abwechslungsreiches Mozart-Programm zusammengestellt. Als Hauptwerk Wolfgang Amadeus Mozarts letzte Sinfonie, die bekannte Jupitersinfonie, die mit ihren Dissonanzen bereits in die Zukunft weist. Die Eigenkomposition "Con Brio" von Jörg Widmann spielte mit abrupten Wechseln von klassischen Akkorden und überraschenden Geräuschen. "Man hört Mozart noch intensiver, wenn man ihn im Programm mit einem modernen Stück kombiniert", sagt Widman. Das mache ein klassisches Konzert noch interessanter.

Jörg Widmann dirigiert die Camerata Salzburg im KaisersaalBild: Dita Vollmond

Das Orchester Camerata Salzburg spielte auf historischen Instrumenten und wurde bei Mozarts Sinfonia Concertante für Violine und Viola von zwei berühmten Geigern und wohl noch berühmteren Geigen begleitet. Der Franzose Renaud Capuçon spielte auf einer Violine des italienischen Geigenbauers Pietro Antonio dalla Costa von 1764. Es ist eins von sechs Instrumenten, die aus Wolfgang Amadeus' Privatbesitz noch erhalten sind. Ebenso wie eine nicht spezifizierte Bratsche, gespielt von dem renommierten Bratschisten Gérard Caussé.

Beide Instrumente hatte die Stiftung Mozarteum Salzburg für das Jubiläumskonzert zur Verfügung gestellt. "Wir haben die Instrumente erst kurz vorher bekommen und ich wusste nicht, ob ich damit spielen könnte, aber sie hat noch einen tadellosen Klang", sagte Renaud Capuçon der DW im Anschluss an das Konzert. "Dass Mozart selbst diese Geige in der Hand hatte, ist natürlich eine ganz besondere Ehre." Für das einfühlsame Wechselspiel der beiden Virtuosen applaudierte das Publikum mit Bravorufen.

Mozart im Weltkulturerbe

Das Deckenfresko von Tiepolo im Treppenaufgang der Würzburger ResidenzBild: Gaby Reucher/DW

Die Fürstbischöfliche Residenz, wo seit 100 Jahren viele der großen Konzerte des Mozartfests stattfinden, wurde 1720 bis 1740 errichtet. Um die Innenausstattung kümmerte sich der bekannte Barock und Rokoko-Baumeister Balthasar Neumann. Den ebenso berühmten italienischen Maler Giovanni Battista Tiepolo beauftragte er mit einem üppigen Deckenfresko in leuchtenden Farben, das über dem Treppenaufgang die vier damals bekannten Erdteile in bildlichen Szenen darstellt. 1981 wurde das Gebäude deshalb als "das einheitlichste und außergewöhnlichste aller Barockschlösser" in die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO aufgenommen.

Mozart selbst ist in diesen erhabenen Hallen nicht aufgetreten. Lediglich mit der Postkutsche reiste er einmal durch die Residenzstadt. An seine Frau Constanze schrieb er: "Zu Würzburg haben wir unsern theuern Magen mit Kaffee gestärkt, eine schöne prächtige Stadt." Dieser Besuch allein war nicht der Grund, Würzburg als Mozartstadt zu etablieren.

Kaiser Barbarossas Hochzeit wird an der Decke des Kaisersaals illustriertBild: Gaby Reucher/DW

Der Komponist und Dirigent Hermann Zilcher hatte im Kaisersaal Mozart dirigiert und fand, dass diese Musik das Zusammenspiel von Architektur und Malerei ergänzen würde. "Er hat gesagt, es war ihm, als wenn er mit dem Taktstock die Ornamente der mozartschen Musik als Farben und Formen nur nachzuzeichnen brauchte", sagt Evelyn Meining. 1921 gründete Zilcher das älteste Mozarfest Deutschlands in Würzburg, in einer Zeit, in der der erste Weltkrieg noch seine Spuren hinterlassen hatte und viele Menschen nach einer Perspektive für die Zukunft suchten. Am Eröffnungsabend ehrte die Intendantin den Gründungsvater im Programm mit seiner ausladenden spätromantischen Orchester-Bearbeitung von Mozarts Fantasie für eine Orgelwalze f-Moll KV 608.

Das Mozartfest als Spiegel deutscher Geschichte

Orgien im Genuss dessen, was die neu eroberten Kontinente an Reichtümern bietenBild: Gaby Reucher/DW

Nach dem Zweiten Weltkrieg befand der Dirigent und langjährige Intendant des Festivals, Eugen Jochum, Mozart und die Residenz seien unzertrennlich. Nach sieben Jahren Pause griff er die Tradition des Mozartfestes wieder auf. So wie die Residenz im Krieg zerstört worden sei, so habe auch Mozart den Schmerz und den Blick in die Abgründe kennengelernt, verbunden mit der Sehnsucht nach Licht.

Auch 1951 waren die Menschen noch von den Schrecken des Zweiten Weltkrieges geprägt. Würzburg war fast vollständig ausgebombt und auch die Residenz war eine Ruine. Wieder hätten die Menschen Orientierung und eine Perspektive gebraucht, meint Evelyn Meining. "Die Musik ließ sie vergessen und fröhlich sein. Bilder zeigen wie damals vor der ausgebrannten Residenz getanzt und musiziert wurde."

Mozart als Corona-Trost

Wolfgang Amadeus Mozart musste in seinem Leben viele Niederlagen hinnehmen. Gefeiert wurde er als Wunderkind, ständig unterwegs durch die Höfe des Adels. Später wurde er um sein Talent beneidet und sogar angefeindet. Zuletzt verstarb er schwer krank und arm mit nur 35 Jahren.

Eins der vielen Bilder, die es von Mozart gibt, die aber nicht als authentisch gelten.Bild: Imago/United Archives International

"Mozarts Musik beinhaltet all das, was die menschliche Seele erfahren kann an Abgründen, an Trauer, an Schatten, aber auch an strahlendem Licht", sagt Evelyn Meining. Auch jetzt, während der Corona-Pandemie, könne Mozart den Menschen deshalb wieder Trost geben. "Bei der Sinfonia Concertante im Eröffnungskonzert ist eine große Dunkelheit im zweiten Satz und dann werden die Tränen weggewischt, es kommt die Freude und am Ende sieht man das Licht und den Glauben ans Gute."

Noch bis zum 27. Juni präsentiert das Mozartfest hochkarätige Konzerte sowie musikalische und künstlerische Projekte von Bürgern (100 Ideen für 100 Jahre Mozartfest) und langjährigen musikalischen Wegbegleitern. Begleitet wird das Festival auch von der Ausstellung "Imagine Mozart".

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