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"Weckruf für türkische Demokratie"

18. Juli 2016

Der gescheiterte Umsturzversuch in der Türkei könnte nach Ansicht von Außenminister Steinmeier doch noch etwas Positives bewirken. "Der Putschversuch war ein Weckruf für die türkische Demokratie", so der SPD-Politiker.

Außenminister Steinmeier (r.) mit seinem türkischer Kollegen Cavusoglu 2014 in Berlin (Foto: dpa)
Außenminister Steinmeier (r.) mit seinem türkischer Kollegen Cavusoglu 2014 in BerlinBild: picture-alliance/dpa/M. Hitij

Bei allem Schrecken sei "deutlich geworden, dass die türkische Gesellschaft nicht erneut unter dem Joch einer Militärdiktatur leben und demokratisch über ihre Zukunft entscheiden" wolle, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin.

"Gräben überwinden"

"Ich hoffe sehr, dass die in höchster Not und Bedrängnis gezeigte demokratische Einheit aller maßgeblichen zivilen und politischen Kräfte in der Türkei dazu beitragen kann, die großen Spannungen und tiefen Gräben in der türkischen Gesellschaft zu überwinden", erklärte der SPD-Politiker. Es sei jedoch "außerordentlich bitter, dass das "Abenteuertum einiger Militärs und ihre Verachtung für demokratische Prozesse so viele Menschenleben gekostet" habe, so Steinmeier.

Teile des türkischen Militärs hatten am Freitagabend versucht, die Macht zu übernehmen. Der Putsch war von regierungstreuen Kräften nach wenigen Stunden niedergeschlagen worden. Bei Kämpfen in Ankara und Istanbul wurden laut offizieller Darstellung fast 300 Menschen getötet. Nach Angaben der Regierung wurden bislang rund 6000 Menschen unter Putschverdacht festgenommen, unter ihnen zahlreiche Generäle, Richter und Staatsanwälte.

Telefonat mit türkischem Außenminister

Steinmeier appellierte an die Führung in Ankara, bei der Aufarbeitung des Putschversuchs "alle rechtsstaatlichen Grundsätze" zu beachten. Alle Beteiligten müssten sich ihrer Verantwortung für die Demokratie und ihre Verfassungsordnung bewusst bleiben. Nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt telefonierte der Minister mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu, um über die Lage in der Türkei zu beraten.

Kritik an Erdogan

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warf derweil dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan angesichts der massenhaften Festnahmen von Richtern und Staatsanwälten einen "Angriff auf den demokratischen Rechtsstaat" vor. Erdogan missbrauche den gescheiterten Putsch als Vorwand, "um den türkischen Staatsapparat von Gegnern der (islamisch-konservativen Regierungspartei) AKP zu säubern", sagte Oppermann "Spiegel Online". Putschisten müssten "natürlich" damit rechnen, zur Verantwortung gezogen zu werden, dies müsse aber in einem rechtsstaatlichen Verfahren geschehen.

Fragezeichen hinter Beitrittsverhandlungen

Politiker der Union stellten die EU-Beitrittsverhandlungen mit Türkei in Frage. Wenn Erdogan die Situation ausnutze, "um weitere Verfassungsrechte einzuschränken, dann werden die Beitrittsverhandlungen schwierig bis unmöglich", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), dem in Düsseldorf erscheinenden "Handelsblatt". CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte, die Beitrittsverhandlungen ernsthaft zu überdenken. "Wer es spätestens bis jetzt nicht gemerkt hat: Die EU-Türkei-Politik muss vollständig auf den Prüfstand", sagte Scheuer.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), warnte vor einem Übergreifen des Konflikts in der Türkei auf Deutschland. "Die innertürkischen Spannungen zwischen Nationalisten und Kurden oder Erdogan-Anhängern und Gegnern dürfen nicht in Deutschland ausgetragen werden", sagte die Staatsministerin im Kanzleramt den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

wl/wa (dpa, afp)

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