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Steinmeier im Einsatz für Frieden zwischen Baku und Jerewan

3. April 2025

Erstmals als Bundespräsident besucht Frank-Walter Steinmeier Armenien und Aserbaidschan – inmitten vorsichtiger Annäherungen und offener Fragen rund um einen möglichen Friedensvertrag.

Frank-Walter Steinmeier und Ilham Alijew reichen sich die Hand vor Flaggen ihrer Länder in Baku am 2. April 2025
Erst Armenien, dann Aserbaidschan: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Präsident Ilham Alijew haben sich Anfang April in Baku getroffenBild: Azerbaijani Presidency/Anadolu/picture alliance

Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew hat seinen deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier in seiner Residenz empfangen. Zunächst haben beide eine Stunde lang unter vier Augen gesprochen, anschließend folgte ein Gespräch in erweiterter Runde. "It’s good to be back" (Es ist gut, wieder hier zu sein"), sagte Steinmeier auf Englisch zu Beginn dieses Treffens. Zum Abschied begleitete Alijew seinen Gast persönlich zum gepanzerten Wagen und winkte ihm nach, als die Kolonne davonrollte.

Doch es blieb nicht bei diesem einen Treffen: Nur wenige Stunden später begegneten sich die beiden erneut - diesmal in der Philharmonie von Baku, bei einem festlichen Konzert. Für Steinmeier ist es der erste Besuch im Südkaukasus als Bundespräsident. Als Außenminister war er zuletzt 2016 in der Region unterwegs.

Frank-Walter Steinmeier und Ilham Alijew: Steinmeier hat an beide Seiten Appelle gerichtetBild: Azerbaijani Presidency/Anadolu/picture alliance

Steinmeiers Erfahrungen als Minister und seine persönlichen Verbindungen haben sich als besonders hilfreich bei dieser Reise erwiesen, die Ende März in Armenien begann. Aber was sagt man - und was besser nicht - in einer Region, in der erst vor Kurzem ein über 30 Jahre währender Krieg zu Ende gegangen ist? Armenien und Aserbaidschan haben sich kürzlich zwar auf einen Friedensvertrag geeinigt, der Konflikt ist damit längst nicht beendet.

In diesem Spannungsfeld bewegt sich Frank-Walter Steinmeier auf seiner Reise. Auch wenn die meisten Termine des Bundespräsidenten überwiegend repräsentativen Charakter haben, ist sein Besuch mehr als reine Symbolik. Es ist informelle Pendeldiplomatie. Und Steinmeier, das zeigt sich schnell, fühlt sich in dieser Rolle wohl.

Alijew nennt Bedingungen für Friedensvertrag

Zentrales Thema der Reise war das künftige Schicksal des Friedensvertrags zwischen Aserbaidschan und Armenien. Nach Angaben beider Seiten wurde Mitte März eine Einigung über den Text erzielt. Steinmeier sah seine Rolle darin, beide Länder zu ermutigen, den nächsten Schritt zu gehen – hin zur baldigen Unterzeichnung und Ratifizierung, wie er den mitreisenden Journalisten erklärte. Er zeigte sich sichtlich erfreut, dass sich die Seiten nach Jahrzehnten des Konflikts innerhalb von rund einem Jahr auf den Vertragstext einigen konnten. Steinmeier erinnerte zudem daran, dass Armenien seit Jahrzehnten unter schwierigen Bedingungen lebt: Von rund 1000 Kilometern Staatsgrenze sind nur etwa 100 offen – die Übergänge nach Georgien und in den Iran. Die Grenzen zu Aserbaidschan und dessen Verbündetem Türkei hingegen bleiben geschlossen.

Bei einer Pressekonferenz mit Alijew rief Steinmeier dazu auf, "den Moment zu nutzen" – und machte deutlich, dass sich die Lage verändern könne. In Jerewan, wo er am Montag Präsident Wahagn Chatschaturjan und Premierminister Nikol Paschinjan traf, scheint man bereit zu sein, zu unterzeichnen. Doch Baku, als Sieger des Berg-Karabach-Kriegs, stellt Bedingungen.

Wahagn Chatschaturjan und Frank-Walter Steinmeier in Jerewan Ende März 2025Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Welche Bedingungen Aserbaidschan stellt, erläuterte Präsident Ilham Alijew selbst. Demnach gibt es zwei zentrale Forderungen: Zum einen die formelle Auflösung der Minsk-Gruppe der OSZE, die seit den 1990er Jahren als Vermittlungsformat im Konflikt galt. Zum anderen eine Änderung der armenischen Verfassung, in der in Anlehnung an die Unabhängigkeitserklärung ein Bezug zu Karabach enthalten ist. Details zum Entwurf des Friedensvertrags nannte Alijew nicht, betonte jedoch, dieser umfasse 17 Punkte – alle seien wichtig. Im Zentrum stehe für ihn die Anerkennung der territorialen Integrität Aserbaidschans, einschließlich Berg-Karabachs.

Steinmeier: "Viel Reformarbeit in Armenien notwendig"

Ein wichtiges Thema der politischen Gespräche Steinmeiers in Armenien ist die Entscheidung des Landes, eine Annäherung an die Europäische Union anzustreben. Kurz vor dem Besuch des deutschen Bundespräsidenten nahm das armenische Parlament ein Gesetz zum "Beginn des Beitrittsprozesses" zur EU an. Steinmeier spricht in diesem Zusammenhang von einer "mutigen Entscheidungen" Jerewans, das nach Jahrzehnten anderer Bindungen eine "Neuorientierung" vorgenommen habe.

Er meint damit die engen Beziehungen Armeniens zu Russland, die zerbrochen sind, nachdem Moskau Aserbaidschans Offensive in Berg-Karabach nicht verhindert hat, worauf Jerewan gehofft hatte. Vor diesem Hintergrund hat Armenien seine Mitgliedschaft in der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) "eingefroren", einem von Moskau dominierten Militärbündnis von Nachfolgestaaten der vor über 30 Jahren zerfallenen Sowjetunion.

Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan strebt eine Neuausrichtung seines Landes anBild: Tigran Mehrabyan/PAN Photo/AP/dpa/picture alliance

Steinmeier wählt seine Sätze vorsichtig: "Natürlich ist dazu viel Reformarbeit in Armenien notwendig. Ich habe in den Gesprächen den Eindruck gehabt, dass man sehr realistisch mit Blick auf die Weite des Weges schaut, der vor Armenien liegt", betont er und fügt hinzu: Deutschland unterstütze das Land bereits jetzt und werde dies auch weiterhin im Rahmen der "Partnerschaftsagenda" Jerewan und Brüssel tun.

Wie stehen die Chancen für einen Frieden?

Die meistgestellte Frage bei Steinmeiers Treffen lautet: Wie realistisch ist ein Friedensvertrag zwischen Jerewan und Baku – und wie groß ist das Risiko eines neuen Krieges? In Armenien herrscht zwar Skepsis, doch die politische Führung zeigt sich vorsichtig optimistisch. Es gebe "keine Ressourcen" für einen neuen Krieg in der Region, so Präsident Chatschaturjan.

Ähnlich äußert sich Markus Ritter, Leiter der EU-Mission in Armenien (EUMA), bei einem Treffen mit Steinmeier in Jerewan. Die EU hatte auf Bitten Armeniens im Februar 2023 rund 170 unbewaffnete Beobachter ins Land entsandt, die entlang der Grenze zu Aserbaidschan stationiert sind. Sie überwachen den Waffenstillstand und dokumentieren Verstöße. Das größte Kontingent stellt Deutschland.

Die Zukunft der Mission ist offen. Baku fordert ihr Ende nach Abschluss eines Friedensvertrags, auch Russland steht ihr kritisch gegenüber. Moskau, das in Armenien Truppen und Grenzschützer stationiert hat, werfe der EU "Spionage" für die NATO vor, so Ritter. Eine Ausweitung der Mission schließt er nicht aus - allerdings nicht mehr entlang der aserbaidschanischen Grenze, sondern in anderen Teilen Armeniens.

Auf die Frage nach den Chancen für Frieden sagt Ritter: Die Seiten seien einem Friedensvertrag "nie näher gewesen" als jetzt. Doch schnelle Fortschritte erwartet niemand. Steinmeier selbst spricht von einer "Generationenaufgabe" und ruft Baku und Jerewan dazu auf, "keine Zeit zu verlieren".

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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