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Politik

Steinmeier in Afrikas "Powerhouse"

Adrian Kriesch
11. Oktober 2016

Parallel zur Afrika-Reise von Kanzlerin Merkel besucht der deutsche Außenminister Nigeria. Steinmeier sagt der nigerianischen Regierung weitere Hilfe im Kampf gegen den Terror zu. Aus Abuja berichtet Adrian Kriesch.

Afrika Steinmeier in Nigeria
Bild: DW/A. Kriesch

Das "Powerhouse" Afrikas – so nennt der deutsche Außenminister zum Auftakt sein Reiseziel Nigeria. Frank-Walter Steinmeier verweist auf den Ressourcenreichtum und die Bevölkerungszahl, mit rund 180 Millionen Einwohnern ist Nigeria das bevölkerungsreichste Land des Kontinents. Das Wort "Powerhouse" scheint dem Außenminister zu gefallen, auf seiner Facebook-Seite wirft er regelrecht damit um sich.

Doch Afrikas "Powerhouse" hat gewaltige Probleme. Steinmeier bekommt das gleich selbst beim Besuch im nigerianischen Außenministerium zu spüren. Kurz bevor er in den Fahrstuhl steigt, fällt der Strom aus. "No light", sagen ihm die Nigerianer – das ist hier eher Regel aus Ausnahme. Schließlich sind die Generatoren eingeschaltet, das Licht brennt wieder. Als Steinmeier im achten Stockwerk auf seinen nigerianischen Amtskollegen Geoffrey Onyeama trifft, geht im Gespräch die Aufreihung der Probleme weiter: Wirtschaftskrise, Terrorismus, Korruption, Flüchtlingskrise.

Der Terror durch Boko Haram ist eines der größten Probleme NigeriasBild: Getty Images/AFP/Stringer

"Kein Zauberstab gegen Migration"

Wie bei der Afrika-Reise der Kanzlerin, steht auch für Steinmeier in Nigeria das Thema Migration weit oben auf der Tagesordnung. Während Angela Merkel die Regierungschefs in den Transitländern Mali und Niger drängt, die Migrationsrouten einzudämmen, besucht Steinmeier mit Nigeria ein Ursprungsland vieler Migranten. Zwischen Januar und August 2016 kamen nach Angaben der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex über die Libyen-Route 22.713 Nigerianer illegal nach Europa. Damit liegt das erdölreiche Nigeria auf dieser Migrationsroute auf Platz eins – noch vor Eritrea.

"Ich weiß, dass sie ihre Landsleute ermutigen in Nigeria zu bleiben und nicht auf diese gefährliche Reise übers Mittelmeer zu gehen", sagt Steinmeier zu seinem nigerianischen Kollegen. "Für das Problem gibt es momentan keinen Zauberstab", kontert Geoffrey Onyeama. Migration nach Europa spielt weder in der nigerianischen Politik noch in den Medien eine große Rolle. "Die Ursachen sind aber meist ökonomisch, aufgrund der Sicherheitslage oder der Bildungssituation. Das sind auch drei Prioritäten unserer Regierung", so Onyeama weiter.

Zwei Millionen Euro für Nothilfe im Nordosten

Mit Blick auf die Sicherheitslage und den Kampf gegen Boko Haram im Nordosten des Landes sagt Steinmeier weitere Unterstützung zu. Zwar geht das nigerianische Militär in den letzten Monaten relativ erfolgreich gegen die Terroristen vor, doch die humanitäre Krise spitzt sich zu. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden durch den Terror vertrieben. Das Kinderhilfswerk UNICEF warnt, dass 400.000 Kinder unter fünf Jahren unter lebensbedrohlicher Mangelernährung leiden und fordert dringend mehr Geld. Auch die Kanzlerin hat vor ihrer Afrika-Reise unterfinanzierte UN-Projekte in der Region um den Tschadsee angesprochen, Steinmeier hat in Abuja nun zusätzlich zwei Millionen Euro dafür zugesagt. Insgesamt finanziert das Auswärtige Amt dieses Jahr in der Region humanitäre Projekte mit 18,7 Millionen Euro. Ab nächstem Jahr soll außerdem ein Ausbildungsprogramm für die Polizei finanziert werden. Beobachter in Nigeria kritisieren immer wieder, dass das Militär überlastet sei, da die Polizei im Nordosten kaum noch ihren Aufgaben nachkommt – selbst in den zurückeroberten Gebieten.

Mehr als zwei Millionen Menschen wurden durch den Terror in die Flucht geschlagenBild: picture-alliance/AP Photo/J. Ola

Neue Freunde in Afrika

Ist das "Powerhouse" Nigeria also nur noch ein einziger Flächenbrand? Nein, Steinmeier sieht Lichtblicke: der demokratische Machtwechsel im Land, der entschlossene Kampf gegen Korruption und gegen Boko Haram. Auch die Beziehungen zwischen Nigeria und Deutschland seien hervorragend. Das zeigen die vielen gegenseitigen Besuche – Ende der Woche wird der nigerianische Präsident Buhari in Berlin Kanzlerin Merkel treffen - und auch die dritte Tagung einer binationalen Kommission, die anlässlich der Steinmeier-Reise stattfand. Seit 2011 diskutieren dabei Expertengruppen beider Länder. "Unzählige Projekte" seien dabei angestoßen worden, so Steinmeier. Viel Konkretes ist jedoch nicht an die Öffentlichkeit gedrungen.

"Wir merken, dass Deutschland Afrika gerade stark auf dem Radar hat", sagt Nigerias Außenminister und lobt die Zusammenarbeit. Das sei auch höchste Zeit, meint Abdulkadir Bin Rimdap, ehemaliger Botschafter Nigerias in Deutschland, am Rande des Steinmeier-Besuches gegenüber der DW. "Deutschland war mal auf Platz drei der führenden Wirtschaftsnationen auf der Welt, jetzt ist es auf Platz fünf. Ihr solltet also besser schnell neue Freunde in Afrika suchen", so   Rimdap. Weniger als 90 deutsche Firmen sind bisher im bevölkerungsreichsten Land Afrikas aktiv. Das spricht weder für den Wirtschaftsmotor Deutschland, noch für das "Powerhouse" Nigeria.