"Juden lassen deutsche Kultur leuchten"
21. Februar 2021"Ob in der Philosophie, in der Literatur, Malerei und Musik, in der Wissenschaft, der Medizin, in der Wirtschaft, Juden haben unsere Geschichte mitgeschrieben und -geprägt und unsere Kultur leuchten lassen", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Kölner Synagoge. Das Judentum habe entscheidend zum Aufbruch Deutschlands in die Moderne beigetragen. Als Beispiel nannte er Moses Mendelssohn (1729-1786), den Wegbereiter der "jüdischen Aufklärung".
Jahrhundertelange Ausgrenzung und Verfolgung
Zugleich erinnerte der Bundespräsident, der Schirmherr des Festjahres "1700 Jahres jüdisches Leben in Deutschland" ist, an jahrhundertelange Ausgrenzung und Verfolgung und forderte einen "ehrlichen Blick" auf die jüdische Geschichte. "Nur so können wir Lehren ziehen für die Gegenwart und für die Zukunft. Das ist und das bleibt unsere Verantwortung." Juden seien fast immer als Fremde und Andere gesehen worden. "Die Geschichte der Juden in Deutschland ist eine von Emanzipation und Blüte, sie ist aber auch eine von Demütigung, Ausgrenzung und Entrechtung."
Heute sei jüdisches Leben hierzulande "vielfältig, facettenreich, lebendig, voller Schwung". Dass dies nach der Ermordung von rund sechs Millionen europäischen Juden in der Schoah möglich sei, dafür sei er "zutiefst dankbar", sagte Steinmeier weiter. Dieses Leben sei auch neu aufgeblüht dank der Rückkehrer, der Zuwanderer aus der früheren Sowjetunion und der jungen Israelis, die es hierhin ziehe: "Welch unermessliches Glück für unser Land!"
Zugleich sei jüdisches Leben angesichts von offenem Antisemitismus und dem Anschlag auf die Synagoge von Halle bedroht. Im Alltag seien viele Juden mit Vorurteilen, Klischees und Unwissen konfrontiert. Es sei notwendig, ihnen entgegenzutreten, mahnte der Bundespräsident. "Die Bundesrepublik Deutschland ist nur vollkommen bei sich, wenn Juden sich hier vollkommen zu Hause fühlen."
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, wies angesichts der jüngsten Anschläge auf jüdische Einrichtungen und des zunehmenden Antisemitismus darauf hin: "Wir werden keine Jubelarie aus diesem Festjahr machen." Er mahnte mehr Bildung - vor allem in Schulen - an, denn mangelndes Wissen führe fast immer zu Vorurteilen. "Dieses Phänomen mit all seinen schrecklichen Folgen zieht sich wie ein roter Faden durch die deutsch-jüdische Geschichte." Auch sei es wichtig, dass Juden nicht länger als fremd empfunden würden, damit Vorurteile verschwänden. Er freue sich sehr, dass jetzt die Möglichkeit bestehe, ein breites Publikum mit jüdischer Tradition und Kultur vertraut zu machen, so Schuster.
Der Vizepräsident des Zentralrats, Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln und Gründungsmitglied des Festjahrvereins, Abraham Lehrer, sprach von einem christlich-jüdischen Fundament. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker rief zu einem friedlichen Zusammenleben auf.
Israels Präsident Rivlin betont die tiefe Freundschaft beider Länder
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet warb dafür, sich besser kennenzulernen. Er verwies auf eine "lange Freundschaft" zwischen Deutschland und Israel. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin sagte in einem Grußwort: "Obwohl wir die Tragödien der Vergangenheit nie vergessen werden, betonen wir unser gemeinsames Erbe, den Beitrag der deutschen Juden zur deutschen Gesellschaft und die tiefe Freundschaft zwischen Deutschland und dem israelischen Staat."
Das Festjahr geht auf ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin von 321 zurück, das er nach Köln adressierte: "Mit einem allgemeinen Gesetz erlauben wir allen Stadträten, Juden in den Rat zu berufen." Das Dokument gilt als der früheste schriftliche Nachweis für jüdisches Leben nördlich der Alpen.
Wegen der Corona-Pandemie ist die Eröffnung des Festjahres vorab aufgezeichnet worden und fand ohne Publikum statt. Bundesweit sind in den kommenden Monaten rund 1000 vor allem kulturelle Veranstaltungen zum Judentum in Deutschland geplant.
se/hf (kna, afp, dpa, epd)