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"Kein Freifahrtschein für NSA"

Marcel Fürstenau, Berlin17. März 2016

Der Außenminister rechtfertigt im Untersuchungsausschuss die enge Kooperation des BND mit dem amerikanischen Geheimdienst. Er kann aber auch nicht versichern, dass alles rechtens war. Aus Berlin Marcel Fürstenau.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im NSA-Untersuchungsausschuss
Bild: picture-alliance/dpa/W.Kumm

Man sieht Frank-Walter Steinmeier an, dass er sich diesen Tag im Berliner Regierungsviertel gerne erspart hätte. Der deutsche Außenminister hat auf seinem gepolsterten Stuhl im Europa-Saal des Bundestages Platz genommen und lässt mit regungsloser Mine das Blitzlicht-Gewitter der Fotografen über sich ergehen. Er muss an diesem Donnerstag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen, der seit zwei Jahren die NSA/BND-Spionage-Affäre aufzuklären versucht.

Im Kern geht es um die Frage, ob bei der transatlantischen Geheimdienst-Zusammenarbeit massiv gegen deutsches Recht verstoßen wurde. Diesen Verdacht legen Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden nahe. Demnach hat der BND seinem amerikanischen Partnerdienst einen direkten Zugriff auf Internet-Knotenpunkte in Frankfurt am Main ermöglicht. Dabei soll mit Hilfe von Suchbegriffen (Selektoren) auch die Kommunikation deutscher Staatsbürger überwacht worden sein. Wären diese Vorwürfe zutreffend, würde es sich auch nach Steinmeiers Einschätzung um einen "inakzeptablen Verstoß gegen die Vereinbarungen zwischen NSA und BND" handeln.

"Uneingeschränkte Solidarität" nach dem 11. September 2001

Steinmeier war von 1999 bis 2005 als Chef des Kanzleramts zugleich Geheimdienst-Koordinator. In diese Zeit fielen die islamistischen Attentate vom 11. September 2001 in den USA. Deutschland sicherte seinem engsten Verbündeten damals "uneingeschränkte Solidarität" zu. Für den gemeinsamen Anti-Terror-Kampf vereinbarte Steinmeier mit den Amerikanern ein Memorandum of Agreement (MoA). Das seien keine unverbindlichen Absprachen gewesen, sondern ein "bindender Vertrag", sagt der amtierende deutsche Außenminister im Untersuchungsausschuss. Ein Vertrag mit drei Grundsätzen: Kontrolle durch den BND, gegenseitige Transparenz, Beachtung deutschen Rechts.

Außenminister Steinmeier (SPD): Memorandum of Agreement war ein "bindender Vertrag"Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Steinmeier ist gut vorbereitet. Vor ihm liegt eine dunkelblaue Aktenmappe mit goldenem Bundesadler. Daraus zieht er einen Stapel eng beschriebener DIN A4-Blätter. Es ist sein Eingangsstatement, es dauert exakt 64 Minuten. Ausführlich geht der Sozialdemokrat auf die Situation nach dem 11. September 2001 ein. Es sei darum gegangen, ein "Maximum an Sicherheit" für die Bürger zu gewährleisten. Dafür müssten Sicherheitsdienste national und international kooperieren. Wer das für überflüssig halte, "macht es sich zu einfach", sagt Steinmeier.

Zum operativen Geschäft kann oder will der Minister nicht viel sagen

Dass es sich womöglich der Außenminister zu einfach macht, diesen Eindruck scheinen die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses nicht zu haben. Grünen-Obmann Konstantin von Notz attestiert Steinmeier "Respekt" für seine Arbeit, "gerade auch in der Zeit nach dem 11. September 2001". Dennoch hat von Notz, haben seine Kollegen der anderen Fraktionen viele kritische Nachfragen. Was Steinmeier über den Einsatz von NSA-Selektoren gewusst habe, das Abhören deutscher Politiker, die Steuerung von US-Drohnen vom Stützpunkt Ramstein?

Mit den Antworten können die Parlamentarier kaum zufrieden sein. Zum operativen Geschäft der Geheimdienste oder des Militärs kann der Zeuge Steinmeier nichts Konkretes sagen. Nur so viel: Sollten NSA-Selektoren von deutscher Seite gesteuert worden sein, läge das "außerhalb des Auftragsprofils des BND". Und weiter: Presseberichte ließen vermuten, dass einiges darauf hindeute, dass es zu Verstößen gekommen sei. Er selber habe "noch nie" einen Selektor der NSA gesehen und als Kanzleramtschef keine Informationen darüber erhalten.

"Sie unterschätzen die Situation, in der wir uns damals befanden"

Je länger die Befragung dauert, desto gelangweilter wirkt der deutsche Außenminister. Die Befragung Steinmeiers dreht sich nach sechs Stunden im Kreis. Der Zeuge sortiert seine Unterlagen, fummelt an seinem Kugelschreiber herum, schenkt sich Kaffee ein. Hin und wieder huscht ein Lächeln über sein Gesicht, ein ironisches. Steinmeier signalisiert den Abgeordneten, dass sie von ihm nicht viel Brauchbares erwarten dürfen. Immer wieder verweist er auf sein ausführliches Eingangsstatement.

Der Kernsatz lautet, dass es keinen "Freifahrfahrtschein für die NSA" gegeben habe. Es sei Anfang des Jahrtausends auch um den Schutz deutscher Soldaten in Afghanistan gegangen. Steinmeier sagt dann noch einen Satz zu den Parlamentariern: "Ich glaube, Sie unterschätzen die Situation, in der wir uns damals befanden." Der Satz klingt keinesfalls flapsig. Eher nachdenklich.

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