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Politik

Nazi-Verstrickungen im Bundespräsidialamt

13. September 2021

Nach dem Zusammenbruch Hitler-Deutschlands galt für viele: Augenmerk auf den Wiederaufbau. Wo auch im Umfeld des Bundespräsidenten faschistisches Gedankengut weiterlebte, wird gerade erst untersucht.

Deutschland Schloss Bellevue Symbolbild
Schloss Bellevue in Berlin, der Amtssitz des Bundespräsidenten Bild: Getty Images/C. Bilan

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht noch erheblichen Aufklärungsbedarf zur Verstrickung staatlicher Stellen in den Nationalsozialismus und den Umgang damit nach 1945. "Hinter den Fassaden des Staates liegt vieles noch im Dunkeln. Vieles ist noch nicht ausreichend ausgeleuchtet und nicht erzählt", sagte Steinmeier in Berlin. So lägen zu den obersten Verfassungsorganen des Bundes noch keine Studien vor. "Und ich meine: Gerade das Amt des Staatsoberhaupts darf hier nicht fehlen."

Noch vieles in den Ämtern nicht ausgeleuchtet: Bundespräsident Steinmeier Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Deshalb hat Steinmeier zum Bundespräsidialamt ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, mit dem Professor Norbert Frei von der Friedrich-Schiller-Universität Jena betraut wurde. Er gab am Montag im Schloss Bellevue erste Einblicke in seine Arbeit. 

Nicht ausweichen

Der Bundespräsident betonte, die Schicksale der Opfer der NS-Verbrechen ließen sich buchstäblich hinter fast jeder Fassade finden. "Doch trotz Jahrzehnten wissenschaftlicher Forschung und historischer Aufarbeitung sind längst nicht alle diese Geschichten erzählt, alle Verbrechen bekannt, wird längst nicht aller Opfer angemessen gedacht." Als Bundespräsident empfinde er eine besondere Verantwortung, "der Geschichte meines eigenen Amtes nicht auszuweichen, sondern sich ihr offen und selbstkritisch zu stellen".

Die Geschichte der Villa 

Eine Rolle spielt dabei zum Beispiel die Dienstvilla des Staatsoberhaupts in Berlin-Dahlem. Steinmeier hatte das Haus nach eigenen Angaben erst bezogen, nachdem die Geschichte des Baus und seiner Eigentümer, darunter der jüdische Unternehmer Hugo Heymann, aufgeklärt wurde. Heymann starb 1938 nach Misshandlungen durch die Gestapo. Seine Villa musste er bereits vorher verkaufen. Das Haus gehört der Bundesrepublik seit 1962, seit 2004 ist es dienstlicher Wohnsitz des Bundespräsidenten.

Der Historiker Norbert Frei ist mit der Studie betraut Bild: Universität Jena

Professor Frei, der mit einem Team seit Juni 2020 an dem Forschungsprojekt arbeitet, erwähnte vor Journalisten mit Blick auf die Vergangenheit die "Rücksichtnahme auf den Zeitgeist". Sein Forschungsprojekt umfasst die Amtszeiten von sechs Vorgängern Steinmeiers im Amt des Bundespräsidenten - also von Theodor Heuss, der zwischen 1949 und 1959 Staatsoberhaupt war, über Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Walter Scheel und Karl Carstens bis zu Richard von Weizsäcker, der zwischen 1984 und 1994 das Amt bekleidete. Grund für den Bearbeitungszeitraum sei die grundsätzliche Offenlegung staatlicher Akten nach 30 Jahren, sagte Frei.

Neben Reden, Ordensverleihungen und öffentlichen Auftritten werde auch die Arbeitsweise und die personelle Zusammensetzung des Amtes untersucht, sagte Frei. So seien etwa ein Drittel der älteren Mitarbeiter im Bundespräsidialamt NSDAP-Mitglieder gewesen. Das sei allerdings ein geringerer Anteil als in anderen untersuchten Behörden, sagte der Historiker.

ml/rb (dpa, afp, epd)

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