Steinmeier mahnt zu Kampf gegen Antisemitismus
30. Juni 2021Zum Beginn seines Aufenthalts in Israel hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dazu aufgerufen, entschieden gegen jede Form von Antisemitismus in Deutschland und in anderen Teilen der Welt vorzugehen. "Der Antisemitismus ist nach wie vor in der Welt, und wir müssen ihn weiter bekämpfen, wo immer er sein hässliches Haupt erhebt", sagte Steinmeier in Jaffa.
Für Deutsche dürfe es "niemals zum leeren Ritual werden", an den Holocaust zu erinnern, den Antisemitismus zu bekämpfen und an der Seite Israels zu stehen, betonte der Bundespräsident laut vorab veröffentlichtem Redetext. Juden würde heute auf deutschen Straßen und überall auf der Welt beinahe täglich angegriffen, "oft schon deshalb, weil sie einen Davidstern oder eine Kippa tragen".
Steinmeier wies auch darauf hin, dass Synagogen in Deutschland und weltweit weiterhin Polizeischutz benötigten. Der Bundespräsident erinnerte an den rechtsextremen Anschlag auf die Synagoge in Halle vor knapp zwei Jahren: Damals sei "nur durch ein Wunder" ein Massaker verhindert worden.
Vier Verdienstorden ausgehändigt
Steinmeier hielt die Rede bei der Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik an vier Menschen, die so für ihr Engagement für das deutsch-israelische Verhältnis geehrt wurden. Dabei handelte es sich um die Holocaust-Überlebende Regina Steinitz, den Schriftsteller David Grossman, die Installations- und Videokünstlerin Michal Rovner und den Vorsitzenden der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Avner Schalev.
Steinmeier besucht Israel bis Freitag mit seiner Frau Elke Büdenbender. Es ist sein erster Staatsbesuch seit Beginn der Coronavirus-Pandemie. Begleitet wird der Bundespräsident unter anderen vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, dem Moderator und Schauspieler Daniel Donskoy, der Leiterin des Jüdischen Museums Berlin, Hetty Berg, dem Frankfurter CDU-Politiker Uwe Becker und der Vorstandsvorsitzenden der Friede Springer Stiftung, Friede Springer.
Politische Gespräche am Donnerstag
Für Donnerstag sind Treffen des Bundespräsidenten mit der politischen Führung geplant. Steinmeier soll Staatschef Reuven Rivlin treffen, dessen Amtszeit am kommenden Mittwoch endet, dessen designierten Nachfolger Isaac Herzog sowie den neuen Regierungschef Naftali Bennett und Außenminister Jair Lapid.
Zudem ist ein Besuch Steinmeiers in der Gedenkstätte Yad Vashem geplant. Der Staatsbesuch war bereits für vergangenes Jahr vorgesehen, musste wegen der Corona-Pandemie aber verschoben werden.
Plädoyer für Zweistaatenlösung
In der israelischen Tageszeitung "Haaretz" rief Steinmeier die neue Regierung des Landes zu einer politischen Lösung des Konflikts mit den Palästinensern auf. Ohne eine solche Lösung gebe es keine gute Zukunft. In dem Interview wies der Bundespräsident darauf hin, dass die Bundesregierung eine verhandelte Zweistaatenlösung nach wie vor für den besten Weg zu einer friedlichen Zukunft halte. "Aber zunächst einmal scheint mir wichtig, dass zwischen der neuen israelischen Führung und der palästinensischen Seite Vertrauen aufgebaut wird. Der Weg zu einer Wiederaufnahme des direkten Dialogs über die großen Fragen führt über kleine Schritte und konkrete Zusammenarbeit."
Steinmeier nannte Israels Sorgen um die Bedrohung durch einen nach Atomwaffen strebenden Iran berechtigt. Er betonte: "Deutschland und Israel haben mit Blick auf den Iran dasselbe strategische Ziel: Iran darf nicht in den Besitz von Atomwaffen kommen." Deutschland wolle auch das iranische Raketenprogramm und seine destabilisierenden Aktivitäten in der Region begrenzen. "Über den besten Weg zu diesem Ziel mögen unsere Ansichten nicht immer dieselben sein", räumte er ein. Deutschland sei der Ansicht, dass eine Erneuerung des Atomabkommens "der beste Weg ist, um dem Iran den Weg zur Bombe nachweislich und überprüfbar zu versperren".
Steinmeier verurteilte in dem Interview auch die antisemitischen Ausschreitungen in Deutschland während des gewaltsamen Konflikts zwischen Israel und militanten Palästinensern im Gazastreifen im Mai und nannte sie "abscheulich". Er betonte: "Judenhass - ganz gleich von wem - wollen und werden wir in unserem Land nicht dulden."
kle/ehl (afp, kna, dpa)