1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Steinmeiers Sorge um Gefangene in der Türkei

28. September 2018

Der Besuch von Präsident Erdogan hat große Differenzen im deutsch-türkischen Verhältnis aufgezeigt. Bundespräsident Steinmeier kritisiert beim Staatsbankett für den Gast die Verhaftung politischer Gegner.

Berlin Präsident Steinmeier vor dem Staatsbankett für Erdogan
Die Präsidenten Steinmeier und Erdogan mit ihren Ehefrauen zum Auftakt des Staatsbanketts Bild: Reuters/R. Krause

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei dem Bankett mit rund 120 Gästen die Lage inhaftierter Deutscher und Journalisten in der Türkei thematisiert. "Ich sorge mich als Präsident dieses Landes um deutsche Staatsangehörige, die aus politischen Gründen in der Türkei inhaftiert sind", sagte Steinmeier im Schloss Bellevue zu Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Sorge gelte auch türkischen Journalisten, Gewerkschaftern, Juristen, Intellektuellen und Politikern, die sich in Haft befinden.

"Nicht zur Tagesordnung übergehen"

"Ich hoffe, Herr Präsident, Sie verstehen, dass wir darüber nicht zur Tagesordnung übergehen können", fügte Steinmeier hinzu. Er wünsche sich, dass die Türkei zwei Jahre nach dem gescheiterten Putschversuch zum Ausgleich zurückfinde und die Versöhnung der gesellschaftlichen Gegensätze gelinge. 

Erdogan forderte in seiner abendlichen Rede erneut Respekt für die türkische Justiz und damit die Auslieferung des ehemaligen Chefredakteurs der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar. Und dann fügte er noch hinzu: "Hunderte, Tausende" von Terroristen liefen in Deutschland frei herum. "Sollten wir darüber etwa nicht sprechen?" Erdogan lenkte gegen Schluss seiner Rede wieder etwas ein. "Eigentlich hätte ich an diesem Abend nicht über so etwas reden wollen", sagte er. Aber da der Herr Präsident das angesprochen hat, war ich gezwungen darüber zu sprechen."

Steinmeier erinnerte daran, dass die Türkei in der Zeit der NS-Diktatur vertriebene jüdische und politisch verfolgte Deutsche aufgenommen habe. Vielen sei das Land damals eine zweite Heimat geworden. "Vor 80 Jahren fanden Deutsche Schutz in der Türkei, heute suchen beunruhigend viele aus der Türkei bei uns Zuflucht vor wachsendem Druck auf die Zivilgesellschaft", sagte er.

Erdogan-Kritiker Cem Özdemir (l.) begrüßt den türkischen Staatschef beim Bankett Bild: Reuters/F. Bensch

"Deutschland ist durch die drei Millionen türkischstämmigen Menschen reicher"

Der Bundespräsident hob in seiner Rede die großen Verdienste der rund drei Millionen Menschen türkischer Abstammung in Deutschland hervor: "Ich bin stolz und dankbar, Bundespräsident eines vielfältigen und weltoffenen Deutschlands zu sein, in dem Generationen türkischer Zuwanderer ihre Spuren hinterlassen haben." Er erinnerte auch an die Mordserie der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU, die sich vor allem gegen türkischstämmige Mitbürger richtete. "Wir haben diese abscheulichen Verbrechen, und insbesondere ihre Opfer, nicht vergessen. Sie beschämen uns bis heute."

Steinmeier wies zugleich darauf hin, dass die Irritationen der letzten Monate im deutsch-türkischen Verhältnis noch nicht überwunden seien. "Ein Besuch allein kann Normalität nicht herstellen." Aber er könne der Anfang eines Weges sein, der zu neuem Vertrauen führt. Die Türkei werde als Partner gebraucht - etwa im Ringen um einen Frieden im Nahen und Mittleren Osten, im Kampf gegen Terrorismus und im Umgang mit der Flüchtlingskrise.

Erdogan erklärte, bestehende Meinungsunterschiede sollten "im gegenseitigen Respekt, Dialog und mit den Möglichkeiten der Diplomatie" überwunden werden. "Es gibt kein Problem, das sich der türkisch-deutschen Freundschaft und den gemeinsamen Interessen in den Weg stellen könnte", so der türkische Präsident.

Auch die Mimik von Präsident Erdogan und Kanzlerin Merkel bei der PK signalisiert: Wir sind oft nicht einer Meinung Bild: Reuters/F. Bensch

Merkel weist auf Differenzen hin

Zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel nach einem Gespräch mit Erdogan deutlich gemacht, dass Deutschland und die Türkei trotz des Willens zur Normalisierung der Beziehungen nach wie vor tiefgreifende Differenzen trennen. Insbesondere gebe es Meinungsverschiedenheiten in der Menschenrechtspolitik. Dennoch betonten beide Politiker den Willen zu einer engeren Zusammenarbeit. "Deutschland hat ein Interesse an einer wirtschaftlich stabilen Türkei", sagte die Kanzlerin.

Der Besuch findet unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt. Menschenrechtsgruppen protestieren gegen Erdogan.

In Berlin demonstrieren linke und pro-kurdische Gruppen gegen Erdogan Bild: Getty Images/S. Gallup

Am Samstag fliegt der türkische Staatschef nach Köln. Dort wird er die neue Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union DITIB eröffnen. Eine Außenveranstaltung mit bis zu 25.000 erwarteten Besuchern der Moschee sagte die Stadt Köln wegen Sicherheitsbedenken kurzfristig ab.

se/hk (dpa, rtr, kna, afp)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen