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Politik

Steinmeier und das "uigurische Mädchen"

Maximiliane Koschyk
7. Dezember 2018

Auf seiner China-Reise hat Bundespräsident Steinmeier in Chengdu vor Studenten gesprochen. Kritische Nachfragen gab es von Zuhörern aus der deutschen Heimat. Eine Reportage von Maximiliane Koschyk.

Bundespräsident Steinmeier in China
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

In China ist es in diesen Tagen fast unmöglich, die wirtschaftlichen Erfolge des Landes zu erwähnen, ohne einen Namen zu nennen: Deng Xiaoping, dessen Politik der Reform und Öffnung die Weichen für den chinesischen Staatskapitalismus stellten und deren vierzigster Jahrestag in diesem Monat von der chinesischen Regierung gefeiert wird.

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kommt nicht darum herum, den Reformer in seiner Rede vor den rund 300 chinesischen Studierenden und ausgewählten Gästen der Universität Sichuan im westchinesischen Chengdu zu erwähnen: "Ich bin wie ein uigurisches Mädchen, das viele Zöpfe trägt", zitiert er den Politiker, der selbst aus der Provinz Sichuan stammte. Steinmeier lobt den Mann, der zwar nie Staatsoberhaupt oder Parteivorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas war, dafür China mit "Kühnheit und Weitsicht auf den Reformpfad gebracht" habe.

Steinmeier auf den Spuren Dengs

Folgen des Wirkens des chinesischen Politikers konnte der Bundespräsident auf der ersten Station seiner Reise begutachten: Im südlichen Kanton, das Deng einst als Sonderwirtschaftszone auswies, traf Steinmeier auf Vertreter von Hightech-Konzernen wie Huawei und Midea, um sich über Chinas Umgang mit neuen Technologien wie künstlicher Intelligenz zu informieren. "Wir ringen mit der Frage, wie eine Ethik der Digitalisierung aussehen kann", erklärt Steinmeier seinen Zuhörern. "Deshalb sind wir Deutsche vielleicht vorsichtiger als andere, wenn es um die Fragen von Freiheit und Autonomie auch mit Blick auf die Zukunft geht."

Auch wenn im Hörsaal der Universität nur ausgewählte junge Akademiker sitzen - die politische Botschaft einer solchen Rede wird sicherlich auch in der Hauptstadt Peking vernommen. Dort wird Steinmeier am Montag den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping treffen.

Aufmerksame Zuhörer der Sichuan-UniversitätBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Deutsche Erwartungen an China nicht erfüllt

Steinmeier betont die engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern: "China war damals schon zum größten Handelspartner Deutschlands in Asien aufgestiegen", erinnert er an seine erste Reise nach China 2003. Heute ist Deutschland Chinas wichtigster Handelspartner in Europa und China Deutschlands größter Handelspartner weltweit.

Doch große gesellschaftlich-politische Unterschiede bleiben, so Steinmeier: "Trotz der Bindung an dieselbe internationale Ordnung sind wir historisch unterschiedlich geprägt und haben nach wie vor sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie wir als Gesellschaften leben wollen." Westliche Länder hätten gehofft, Chinas wirtschaftliche Öffnung würde das Land auch politisch liberaler und demokratischer machen: "Diese Erwartungen haben sich nicht erfüllt."

Er ahne, dass diese mahnende Haltung Deutschlands nicht immer verstanden werde, das liege eben an der Geschichte Deutschlands, der Unterdrückung und Verfolgung im Nationalismus und an der SED-Diktatur in der DDR. "Das macht uns besonders sensibel und aufmerksam für das, was mit jenen geschieht, die nicht der herrschenden Meinung sind, die einer Minderheit angehören oder ihre Religion ausüben wollen, die gewaltlos und friedlich für ihre Ideen und Gedanken werben", sagt Steinmeier, ohne dabei die Menschenrechtslage in Tibet und Xinjiang direkt anzusprechen.

Es ist schließlich ein deutscher Zuhörer, der Steinmeier in der anschließenden Fragerunde auf das Zitat mit dem uigurischen Mädchen anspricht: Austauschstudent David Braun aus Göttingen möchte wissen, ob und wie Steinmeier den Umgang mit der uigurischen Minderheit während seiner Reise ansprechen möchte. "Selbstverständlich wird die Frage von bürgerlichen Freiheiten und Menschenrechten zur Sprache kommen", entgegnet Steinmeier. "Die Haltung Deutschlands ist sehr genau rübergekommen", findet Braun. Er selbst habe erlebt, dass vielen chinesischen Kollegen dieses Thema gar nicht bewusst sei: "Man muss sich dafür schon interessieren", sagt der angehende Politikwissenschaftler. Vielleicht hat das "uigurische Mädchen" Deng Xiaopings das Interesse der Zuhörer geweckt.

 

 

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