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Vorwürfe und der Wunsch nach Waffen

13. April 2022

Der deutsche Bundespräsident ist in der Ukraine derzeit scheinbar nicht erwünscht. Das finden viele Politiker in Deutschland überzogen. Gleichzeitig wächst der Druck, endlich schwere Waffen in die Ukraine zu liefern.

Bundespräsident besucht Polen
Frank-Walter Steinmeier auf Besuch in Warschau, PolenBild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Am Tag nach dem politischen Eklat holt Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP, die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, erst einmal tief Luft und sagt dann, es sei ja kein Wunder, dass die Nerven überall blank liegen würden. Als sie das sagt, steht Strack-Zimmermann noch ganz unter dem Eindruck der kurzen Ukraine-Reise, die sie mit weiteren zwei Ausschussvorsitzenden des Bundestages, mit Anton Hofreiter von den Grünen (Europa-Ausschuss) und mit Michael Roth von der SPD (Auswärtiger Ausschuss) gerade absolviert hat.

Per digitaler Pressekonferenz äußert sich Strack-Zimmermann aus Warschau, auf dem Heimweg nach Deutschland also.

Hinter ihr und den beiden Kollegen liegt die erste Reise so ranghoher Abgeordneter des Bundestages in die Ukraine seit Kriegsbeginn am 24. Februar. Luft holen muss die FDP-Politikerin aber, weil die drei Parlamentarier während ihres Besuches von dieser Nachricht überrascht wurden: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nicht in Kiew empfangen, jedenfalls nicht jetzt. Ein diplomatischer Paukenschlag.

Steinmeier: "Das muss ich zur Kenntnis nehmen"

Am Dienstag besuchte Steinmeier Polen. Da war eigentlich noch geplant, dass er mit seinen Kollegen aus den drei baltischen Staaten und seinem polnischen Kollegen in die Ukraine weiterfährt. Aber dann sagte er in Warschau: "Ich war dazu bereit, aber offenbar, und das muss ich zur Kenntnis nehmen, war das in Kiew nicht erwünscht." Die vier Präsidenten aus dem Baltikum und aus Polen fuhren dann am Mittwoch allein in die Ukraine.

Obwohl Serhij Leschtschenko, ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, in einem CNN-Interview bestritt, dass Steinmeier ausgeladen worden sei, stellt der Disput einen Tiefpunkt in den offiziellen Beziehungen zwischen der Ukraine und Deutschland dar. Schon seit langem beklagt die Ukraine eine mangelnde Solidarität Deutschlands. Beklagt zu zögerliche Waffenlieferungen und kritisiert, dass in Europa vor allem Deutschland auf der Bremse stehe, wenn es um ein Energieembargo gegen den Aggressor aus Russland geht. Dass Deutschland jahrelang gebremst habe beim Wunsch Kiews nach EU-und NATO-Mitgliedschaft.

Ist ein Gaslieferstopp machbar?

03:20

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Und all das kulminiert nun in der Kritik an der Person Steinmeiers, der lange - vor allem als langjähriger Außenminister - gute Beziehungen zu Russland unterhielt. Zu gute, wie die Ukraine findet. Selenskyj beeilte sich aber, zu betonen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz dagegen willkommen sei in der Ukraine. Sicher auch, weil Scholz als Regierungschef womöglich mehr mitbringen könnte als einfach nur Gesten der Anteilnahme. Kampfpanzer etwa, so schnell wie möglich. Der Bundespräsident erfüllt in Deutschland dagegen vor allem symbolische Aufgaben.

Strack-Zimmermann: "Wir machen schon sehr viel"

Noch am Dienstag, in Lviv, versuchte Strack-Zimmermann die deutsche Position zu verteidigen, auch wenn sie selbst sich gerade hier in der Ukraine auch für schnellere Lieferungen, auch schwerer Waffen, einsetzt. Und die Regierung drängt, ihre - wie sie sagt - Zögerlichkeit aufzugeben. Die Regierung, der auch ihre Partei angehört.

Strack-Zimmermann: Noch mehr tun, um Ukraine zu helfen

05:37

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Sie sagt der DW: "Ich verstehe die Kritik, aber der Fairness halber: Ich habe die Listen gesehen, was die Bundesrepublik bisher geliefert hat. Das war auch sehr, sehr viel Equipment, was Soldaten brauchen, das war unter anderem Munition und so weiter. Ich kann das jetzt nicht alles ausbreiten, aber das ist sehr viel gewesen. Auch entsprechende Abwehrraketen."

Und zum Thema Komplett-Verzicht auch auf russisches Gas und Öl, wie von Selenskyj gefordert, sagt sie: "Deutschland ist ein Industrieland, Deutschland hat einen hohen Energiebedarf und wir müssen natürlich darauf schauen, dass Deutschland nicht wirtschaftlich in die Knie geht. Denn nur wenn wir stark sind, können wir auch entsprechend helfen. Aber unsere Meinung ist, dass wir gerade, was Öl betrifft, so schnell wie möglich jetzt da durchgreifen."

In den vergangenen Wochen reisten immer wieder Staatschefs in die Ukraine, wie hier Boris Johnson aus GroßbritannienBild: Ukrainian Presidential Press Office/AP/picture alliance

Mützenich: "Bedauerlich, und wird den Beziehungen nicht gerecht"

Der Bundespräsident, unerwünscht in der Ukraine. Die meisten deutschen Politiker finden das am Mittwoch überzogen, wenn auch vielleicht verständlich. Der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich erklärt in Berlin, die Ausladung des Bundespräsidenten sei "bedauerlich und wird den engen und gewachsenen Beziehungen zwischen unseren Ländern nicht gerecht".

Kritisch sieht hingegen die Politik der Regierung der CDU-Außenexperte Jürgen Hardt. Er sagt in der ARD zum Thema schwere Waffen für die Ukraine: "Deutschland sollte nicht das Land sein, das immer auf der Bremse steht." Deutschland solle vielmehr das Land sein, das in Europa maßgeblich eine solche Entscheidung mit voranbringe. Diese Meinung teilen tatsächlich immer mehr Politiker in den Regierungs-Parteien und der Opposition.

Von der Regierung wenig Konkretes

Was bedeuten die jüngsten Entwicklungen jetzt für die Regierung? Was heißt das für den Kanzler? In der Regierungspressekonferenz am Mittwoch ist es das alles beherrschende Thema. Wann fährt Scholz nach Kiew? Oder kann er das jetzt gar nicht mehr, nach der Absage für Steinmeier? Wann liefert Deutschland schwere Waffen, etwa Kampfpanzer vom Typ Leopard?

Zunächst sagt der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner zur Absage an Steinmeier: "Ich möchte nochmal sagen, dass der Bundespräsident sehr klar und eindeutig auf der Seite der Ukraine Stellung bezogen hat. Und ich möchte daran erinnern, dass er nach seiner Wiederwahl appelliert hat an Präsident Putin: Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine." Steinmeier war am 13. Februar, kurz vor Kriegsbeginn, erneut zum Bundespräsidenten gewählt worden.

Und zu einem möglichen Besuch des Kanzlers in Kiew nur so viel: "Über die Termine des Kanzlers informieren wir Sie, wenn sie anstehen." Mit anderen Worten: Im Moment scheint keine Reise geplant zu sein. Zur möglichen Bereitstellung von Panzern sagt Büchner: "Wir liefern Waffen. Und das ist für Deutschland ein Paradigmenwechsel. Es ist das erste Mal, dass Deutschland Waffen in ein Land liefert, das sich im Krieg befindet." Aber die Regierung werde ohnehin aus Sicherheitsgründen Details nicht veröffentlichen und bitte um Geduld.

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