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Politik

Steinmeier: Wir brauchen die Demokratisierung des Digitalen

27. Mai 2019

"Shifting Powers" ist das Thema der zwölften Ausgabe des Global Media Forums der DW. Und da sich viele Mächte gegen die Pressefreiheit verbünden, stellt sich Bundespräsident Steinmeier auf die Seite der Journalisten.

Live-Video-Conference: Peter Limbourg - Frank-Walter Steinmeier
Bild: DW/P. Böll

"Behalten Sie den Mut"

16:48

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Am Ende seines Interviews mit DW-Intendant Peter Limbourg wurde Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sogar ein wenig pathetisch: "Behalten Sie den Mut zu Berichterstattung - auch über Dinge, die unbequem für Regierungen sind. Die Demokratie braucht Sie", sagte der aus seinem Berliner Amtssitz zugeschaltete Steinmeier den Teilnehmern des 12. Global Media Forums.

Demokratie, Pressefreiheit und die Gefahren, die beiden Grundwerten drohen - das waren Begriffe, die zum Auftakt der Medienkonferenz im ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages und jetzigen Bonner World Conference Centers öfter fielen. Denn dass diese beiden Werte zusammengehören, war Konsens unter den Diskutanten - ebenso wie der Umstand, dass sie vielerorts bedroht sind: "Die Pressefreiheit ist weltweit unter Druck geraten. Auch in der Europäischen Union, wenn etwa Zeitungen aufgekauft werden, um sie unter Kontrolle zu bringen."

Steinmeier: Der Ton ist rauer geworden

Aber es seien nicht nur autoritäre Politiker oder Diktaturen, die die freie Rede und den freien Gedankenaustausch bedrohen. Die politische Kommunikation werde auch durch neue technische Möglichkeiten verändert - hier erwähnt Steinmeier explizit die sozialen Medien, die auf dem Vormarsch seien: "Der Ton ist dort rauer, manchmal sogar unbarmherzig." Es seien keine Kompromisse mehr möglich, "und das sind Veränderungen in den Haltungen, die mir Sorgen machen." Derzeit werde viel über die Digitalisierung der Demokratie geredet, aber zu wenig über die Demokratisierung des Digitalen. Wenn einige wenige Plattformen die Informationen für viele Menschen weltweit verbreiteten, sei das nicht gut für die Demokratie.

Dass die Demokratie allerdings zumindest in Europa sehr lebendig sei, habe die Europawahl gezeigt. Zum einen sei die Wahlbeteiligung in Deutschland so hoch gewesen wie seit 25 Jahren nicht mehr, zum anderen hätten gerade junge Wähler das Thema Klimaschutz ins Zentrum ihrer Wahlentscheidung gestellt.

Und auch an anderen Orten gebe es Fortschritte. Steinmeier nannte hier Usbekistan und Äthiopien.

Lanier: Wir haben es verbockt!

Wenig Fortschritt sah hingegen Jaron Lanier. Der US-amerikanische Internetpionier begann seinen Keynote-Vortrag mit einer Entschuldigung, für "die schrecklichen Dinge, die das Silicon Valley angerichtet hat. Wir haben es verbockt!" Das Internet habe eine Plattform für alle werden sollen. "Stattdessen schufen wir eine Plattform für ein paar Monopolisten." 

Jaron Lanier: "Social Media macht uns kindisch, ängstlich und wütend" Bild: DW/F. Görner

Facebook, Google und Co. entmündigten die Menschen zusehends. Das habe die kindische, wütende und beängstigende Art der Kommunikation geschaffen, die zunehmend die sozialen Netzwerke bestimme. Nicht umsonst rät Lanier, der 2014 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde, seinen Lesern und Zuhörern, diese sozialen Netzwerke zu verlassen. 

Um das Internet zu reparieren, sei ein ganz neues Geschäftsmodell notwendig. Denn da die Algorithmen der großen Internet-Konzerne und sogar die Künstliche Intelligenz - die zu einer nie gekannten Massenarbeitslosigkeit führen könne - von unser aller Daten abhänge, sollte man jeden bezahlen, der seine Daten ins Netz trage. Konkret hieße das: Google müsste für jede Suchabfrage und Facebook für jeden Eintrag zahlen. 

Döpfner: Journalismus braucht Wettbewerb

Erlösemodelle stehen auch beim Vorstandsvorsitzenden des Axel Springer Verlages, Mathias Döpfner, im Blickpunkt. Die jahrelange Gratiskultur im Netz sei ein Fehler gewesen. Derzeit setze sich glücklicherweise unter Medienkonsumenten die Haltung durch, dass man für guten Journalismus auch zahlen müsse. Digitale Subskriptionsmodelle wiesen hierfür in die Zukunft. "Nur wenn wir Wettbewerb haben, kann Journalismus gedeihen."

Als Herausforderung für unabhängigen Qualitätsjournalismus bezeichnete Döpfner die ungleiche Behandlung von Medien und sozialen Plattformen. Während jede kleine Lokalzeitung klar zwischen Werbung und journalistischen Inhalten trennen müsse, sowie juristisch für die Richtigkeit der von ihr bereitgestellten Inhalte verantwortlich sei, gebe es das bei Facebook und Co. nicht.  Das sei unfair. Während das Vertrauen in die Inhalte die Basis für jedes Medienunternehmen seien, verbreiteten die sozialen Plattformen tagtäglich Unwahrheiten. Und das sei gefährlich für die Demokratie.

Das wollte der Facebook-Direktor für Medienpartschnerschaften in Europa, den Mittleren Osten und Afrika, Jesper Doub, allerdings nicht auf sich sitzen lassen. Zwar betonte er das Credo Mark Zuckerbergs, dass Facebook nur eine Plattform sei für Inhalte anderer. Dennoch sei man bemüht, gegen die Flut an Fake News und Hass-Posts vorzugehen. So lösche man täglich eine Million Fake Accounts.

Im übrigen liefere der Algorithmus eben das, was die Leute lesen oder sehen wollten. Jaron Lanier war es in seiner Keynote allerdings leid, sich auf eine solche Argumentation einzulassen. Denn für ihn ist klar: Hinter jedem Algorithmus, hinter jeder Künstlichen Intelligenz stehen Menschen. 

 

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