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Politik

Deutsche und Griechen kommen sich näher

13. Oktober 2018

Nach Jahren der Krise bemühen sich Deutschland und Griechenland, ihre Beziehungen zu normalisieren. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stieß bei seiner Reise durchaus auf Kritik - und auch auf viel Zustimmung.

Bundespräsident Steinmeier in Griechenland
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Für einen heiteren Moment sorgte auf dieser Reise die griechisch-stämmige Sängerin Vicky Leandros, die den deutschen Bundespräsidenten begleitete. Die beiden Staatsoberhäupter Frank-Walter Steinmeier und Prokopis Pavlopoulos und ihre Gattinnen setzten sich kurz auf die Treppe eines kleinen antiken Theaters in der Ausgrabungsstätte Messene. Da ging die Künstlerin zur Mitte der Bühne und sang, die Sonnenstrahlen im Gesicht: "Du weißt, ich liebe das Leben!" Ein seltener Moment der Leichtigkeit während Steinmeiers Besuchs in der Hellenischen Republik.

Es war ein besonderer Staatsbesuch, der im hektischen Athen begann und in den ruhigen Bergen der Peloponnes endete. Erst seit wenigen Wochen steht Griechenland finanziell wieder auf eigenen Füßen. Steinmeier begegnete einem Land, das sich stolz und selbstbewusst gab. "Für diesen Meilenstein gebührt den Menschen Anerkennung und Respekt", hob er immer wieder hervor. Nach acht Jahren schwerer Krise und angespannter Stimmung zwischen Deutschen und Griechen hörte man die Worte in Athen gern.

Verletzende Vorwürfe

Denn unvergessen ist, wie belastet in diesen Jahren die Beziehung beider Länder war. Viele erinnern sich noch an die harschen Worte aus Berlin über "griechische Verhältnisse" und an Ausfälle wie den Stinkfinger der Aphrodite auf dem Cover des Wochenmagazins "Fokus" oder eine Karikatur der griechischen Zeitung "I Avgi", die den damaligen deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble in SS-Uniform zeigte. Das gehörte zu den hässlichsten Momenten. Jetzt möchte man zurück zur Normalität.

Offizielle Zeremonie: Pavlopoulos (l) empfängt Steinmeier (r) in AthenBild: picture-alliance/Photoshot/M. Lolos

Noch vor wenigen Jahren, wenn Steinmeier nach Hellas kam und in einem der Luxus-Hotels am Platz der Verfassung nächtigte, bekam er die Stimmung im Land aus nächster Nähe mit. Direkt vor seinem Fenster fanden große Demonstrationen statt. Menschen, die ihre Arbeit verloren hatten, deren Gehälter und Renten um bis zu 40 Prozent gekürzt wurden, protestierten: Gegen Reformen. Für mehr Staatshilfe. Gegen das Diktat der Troika aus Brüssel - und gegen die bösen Deutschen. Kein Wunder: Gerade Berlin hielt am harten Kurs gegenüber Athen fest und forderte von den Griechen schmerzhafte Einschnitte.

Gebeutelte Griechen

Mittlerweile ist auf dem Platz der Verfassung wieder Ruhe eingekehrt. Die Arbeitslosigkeit liegt nicht mehr bei fast 30 Prozent, sondern unter 20 Prozent. Der Staat kann in den nächsten zwei Jahren ohne neue Kredite auskommen.

Doch die Erinnerung an die Krisenjahre bleibt. Jeder Pensionär wird daran Monat für Monat auf seinem Abrechnungszettel erinnert, der wie ein Dokument der Zeitgeschichte aussieht. Oben steht ein Bruttobetrag, drunten mehrere Zeilen: Das Gesetz zur ersten Rentenkürzung 2010, das Gesetz zur zweiten Rentenkürzung 2011, 2012 und so weiter - bis heute. Es sind viele Zeilen.

Vor dem Abendessen im Präsidentenpalast: Sophia Pavlopoulou-Peltsemi, Prokopis Pavlopoulos, Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender (v.l.n.r.)Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Und dann bleibt noch die andere, ältere Geschichte. Steinmeiers Besuch fiel auf den 74. Jahrestag des Abzugs der nationalsozialistischen deutschen Besatzer aus Griechenland. Die Erinnerungen an die Jahre, als Deutsche in Hellas wüteten und mordeten, sind heute noch sehr präsent. Die Krise spülte sie nach oben. So hatte es Steinmeier nicht einfach, an die einst guten Beziehungen anzuknüpfen.

Verbrechen der NS-Besatzer

Er tat, was ein deutscher Präsident tun sollte - er erinnerte an die Verantwortung seines Landes für die Verbrechen der Nazis und bat, wie schon sein Vorgänger Joachim Gauck, um Verzeihung. Noch am Morgen des ersten Tages, bevor der eigentliche Staatsbesuch begann, besuchten Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender das ehemalige Konzentrationslager Chaidari bei Athen, wo die SS zehntausende Häftlinge folterte und tausende tötete. "Deutschland wird die Gräueltaten der Nazis nicht vergessen", versicherte Steinmeier.

Wichtige Worte, die den Griechen jedoch nicht mehr ausreichen. Immer wieder wurden Steinmeier Reparationsforderungen entgegengehalten - bei politischen Arbeitsgesprächen ebenso wie beim Staatsbankett, das der griechische Präsident Pavlopoulos für die deutschen Gäste gab.

"Wir verneigen uns vor den Opfern": Steinmeier am Grabmal des unbekannten SoldatenBild: picture alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Auch an Orten, an denen Steinmeier mit schönen Gesten rechnete, blieb das Thema nicht aus - so in der prunkvollen Aula der Athener Universität, in der ihm die Ehrendoktorwürde verliehen wurde, oder im Rathaus von Kalamata, in dem er zum Ehrenbürger ernannt wurde. Steinmeier begegnete den Forderungen stets mit Ruhe und versicherte, sein Land wisse um seine historisch-moralische Schuld. Rechtlich halte Deutschland das Thema aber für abgeschlossen.

Versöhnliche Töne

Die Griechen erinnern beharrlich an die Reparationen, achten aber zugleich darauf, dass sie das Verhältnis nicht dominieren - in diesem Punkt scheint man sich einig. Auch deshalb endete die Reise anders, als sie begonnen hatte. Präsident Pavlopoulos brachte seine Gäste raus aus dem politischen Athen auf die Peloponnes, in die schöne Antike.

Entspannter Moment: Steinmeier (l) und Elke Büdenbender (r) mit Vicky Leandros (M) im Hafen von KalamataBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Tief versteckt in den Bergen der westlichen Peloponnes liegt die rund 2400 Jahre alte Ausgrabungsstätte der antiken Stadt Messene, die die beiden Präsidentenpaare besuchten. In einer atemberaubenden Landschaft mit Blick aufs Meer in der Ferne unternahmen Steinmeier und Pavlopoulos eine Reise in eine Vergangenheit, die so weit zurückliegt, dass sie schon wieder verbindet. Tief beeindruckt von dem Ort zeigte sich der Bundespräsident, und er stimmte seinem Gastgeber zu, als dieser mahnte, Europäer müssten sich an die Wurzeln ihrer Zivilisation erinnern und die europäische Kultur beschützen.

Im Schritttempo ging es zu den Ausgrabungsschätzen: zum großen Theater, an den Säulen des Brunnenhauses vorbei, zu den Überresten einer Basilika, einer Stadtmauer, durch alte Tore und Tempelreste. Und dann setzten sich die Staatsmänner auf die Treppe des kleinen Theaters in Messene und hörten Vicky Leandros zu.

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