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Sterben die Deutschen aus?

11. Januar 2012

Sieben Milliarden Menschen zählt die Welt nun. Die Weltbevölkerung hat sich in den vergangenen 50 Jahren fast verdoppelt. Deutschlands Bevölkerung aber schrumpft und altert. Die Folgen sind unabsehbar.

Drei aeltere Damen geniessen die Sonne auf einer Bank am Dresdner Elbufer (Foto: AP)
Rentnerrepublik Deutschland?Bild: AP

"Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige künstliche Hüften auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen." Mit dieser Äußerung hatte sich Philipp Mißfelder, der damalige Vorsitzende der Jungen Union und heutige CDU-Abgeordnete im Jahr 2003 unbeliebt gemacht. "Menschenverachtend" lautete damals die Kritik. Und doch könnte das Thema in einigen Jahren wieder hochkochen. Denn es gibt immer weniger Deutsche, die dafür aber immer älter werden.

1,4 Kinder bekam eine Frau in Deutschland im Jahr 2009, hat das Statistische Bundesamt berechnet. EU-weit liegt die Geburtenrate bei 1,6 Kindern pro Frau. Die Reproduktionsrate, die das Überleben einer Bevölkerung sichert, liegt aber naturgemäß bei 2,1 Kindern pro Frau. Damit nimmt der Anteil der Erwerbsfähigen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland stärker ab als in anderen Staaten Nord- und Westeuropas.

Mangelnde Kinderbetreuung

Kindergarten-Plätze sind Mangelware in DeutschlandBild: DW

Dabei wurde doch erst vor einigen Jahren das sogenannte Elterngeld eingeführt, mit dem junge Eltern im ersten Lebensjahr ihres Kindes finanziell unterstützt werden. Doch auch das hat die Fruchtbarkeitsrate in Deutschland nicht erhöht.

Axel Plünnecke arbeitet am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln als stellvertretender Leiter des Bereiches Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik. Er verweist auf die skandinavischen Länder, aber auch auf Frankreich, wo die Geburtenrate mit knapp zwei Kindern pro Frau im europäischen Vergleich sehr hoch liegt. Dort seien besonders viele Frauen berufstätig, hätten aber auch gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

"Auf diesen Weg sollte sich Deutschland auch machen", sagt Plünnecke. In Deutschland fehlen nach wie vor Betreuungsplätze - besonders für Kinder unter drei Jahren. Dabei sollen Familien ab 2013 sogar einen Rechtsanspruch auf diese Krippen-Plätze haben. Kaum zu schaffen, sagen Experten.

Doppelt so viele 60-Jährige wie Neugeborene

Adäquate Pflege im Seniorenheim?Bild: Fotolia/ThinkingEarth

Zudem altert die Bevölkerung: Bereits jeder vierte Deutsche ist laut Statistischem Bundesamt älter als 60 Jahre - Tendenz steigend. Im Jahr 2050 wird es doppelt so viele 60-Jährige wie Neugeborene geben, so die Prognose des Statistikamtes. Immer weniger Erwerbstätige zahlen für immer mehr Rentner in die Sozialkassen ein. Axel Börsch-Supan ist Direktor des "Munich Center for the Economics of Aging" am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik. Der Volkswirt ist der Ansicht, dass Deutschland das Problem besser abfedern könne als andere europäische Staaten, vor allem als die südeuropäischen. "Denn wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, vor allem was unsere Sozialsysteme betrifft."

Dem stimmt auch Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft zu. Zu diesen positiven Maßnahmen gehört für ihn die Rente mit 67 Jahren. Damit erhöhe sich einerseits die Zahl der Erwerbspersonen, während die Zahl der Rentenempfänger zurückgehe. "Damit kann man die demografische Entwicklung stabilisieren", glaubt Plünnecke.

Trotzdem blieben Fragen offen, sagt der Wirtschaftswissenschaftler: Das Gesundheitssystem sei nicht auf den demografischen Wandel eingestellt. Und auch die Pflegekassen, aus denen die Bedürfnisse der wachsenden Gruppe der pflegebedürftigen Menschen finanziert werden, müssten reformiert werden. Bis zum Jahr 2010 wird sich die Zahl der Demenzkranken auf 2,6 Millionen Menschen in Deutschland verdoppelt haben, berechnen Altersforscher und Statistiker gleichermaßen.

Flexible Wirtschaft

Ist die Zuwanderung Hochqualifizierter die Lösung?Bild: picture alliance/Dinodia Photo Library

Die Wirtschaft dagegen könne sich sehr schnell auf den Wandel einstellen, glaubt Axel Plünnecke: Aus der Fitnessbranche wird dann eine Gesundheits- und Präventionsbranche, der Tourismus stellt sich auf ältere Reisende mit besonderen Bedürfnissen ein und die Automobilindustrie entwickelt bereits jetzt spezielle Modelle für mobile Senioren.

Zuwanderung könnte die Bevölkerungspyramide in Deutschland wieder in Form bringen, glauben manche. Man könne sich die junge Bevölkerung von Marokko bis Indien anschauen, die am heimischen Arbeitsmarkt keine berufliche Perspektive finde, sagt Axel Plünnecke. Angehende Akademiker könne man über die Hochschulen zum Studium nach Deutschland holen und ihnen nach erfolgreichem Studienabschluss eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung geben, sagt Plünnecke: "Denn wir wissen, dass gerade Einwanderer, die in Deutschland ihre Bildungsabschlüsse machen, auf dem deutschen Arbeitsmarkt exzellent zurecht kommen."

Kann Zuwanderung helfen?

In Deutschland sind die Zuwanderungszahlen allerdings nach einem deutlichen Rückgang mittlerweile konstant. Von einer Zuwanderungswelle kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Immer mehr Menschen verlassen Deutschland; sowohl Ausländer, die in ihr Ursprungsland zurückkehren, als auch Deutsche, die auswandern. Zudem würde auch eine durchdachte Zuwanderungspolitik allein nicht helfen, glaubt Volkswirt und Bevölkerungsforscher Axel Börsch-Supan. Um das Problem der schrumpfenden Bevölkerung zu lösen, müssten zu viele Menschen zuwandern.

Wie aber sollen immer weniger Erwerbstätige - und damit Steuerzahler - die Schulden der aktuellen Euro-Krise zurückzahlen? Hier muss man differenzieren, sagt Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft: Frankreich beispielweise müsse eben nicht mit dem Demografie-Problem kämpfen. Dafür habe Deutschland eine starke Wirtschaft. Außerdem habe man die sogenannte Schuldenbremse ins Grundgesetz geschrieben. Entscheidend für alle Euro-Staaten sei, die Neuverschuldung zu begrenzen, so Plünnecke: "Denn die Schulden pro Kopf steigen auch weiter, wenn die Neuverschuldung nicht zunimmt, aber die Bevölkerung schrumpft."

Autorin: Daphne Grathwohl

Redaktion: Dеnnis Stutе

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