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Sternekoch: "Essen ist Freude am Leben"

31. März 2018

Am Anfang seiner Laufbahn wusste er nicht einmal, wie Lauch aussieht, gesteht Dirk Hoberg der DW freimütig. Mittlerweile gilt er längst als aufsteigender Stern am kulinarischen Himmel - und das ganz ohne Starallüren.

Dirk Hoberg in der Küche dekoriert Desserts
Bild: Riva

Die Zeiten, als die ganze kulinarische Welt nach Frankreich blickte, sind vorbei: Heute schwärmen die internationalen Juroren für die deutsche Gastronomie - "facettenreich und niveauvoll wie nie zuvor". So kürte das renommierte Restaurantführer "Gault & Millau" kürzlich Dirk Hoberg, den 36-jährigen Chefkoch des Restaurants "Ophelia" in Konstanz am Bodensee, zum "Aufsteiger des Jahres". Hoberg, so stellt der Restaurantführer frei von jeder französischen Arroganz fest, kreiert "eine junge, frische Küche mit regionalen Produkten vom Bodensee und dem Blick in die Welt". Und der eine oder andere Gourmetkritiker glaubt sogar, seine "hochelegante Küche mit Tiefgang" beantworte die Frage nach dem Sinn des Lebens... Hoberg selbst formuliert es einfacher: Essen muss lecker sein!

DW: Herr Hoberg, wie kommt überhaupt ein Finanzbeamtensohn aus Osnabrück zum Kochen?

Dirk Hoberg: So richtig wissen tu ich das nicht. Bei uns zu Hause wurde recht wenig gekocht. Einmal habe ich gesagt: Ich möchte Koch werden! Meine Eltern waren am Anfang von meiner Berufswahl nicht begeistert, explizit mein Vater nicht. Als ich die Lehre angefangen habe, habe ich nicht einmal gewusst, wie Lauch aussieht.

Ihr Lehrweg verlief ausschließlich durch deutsche Küchen, Ihre Mentoren hießen Hans Stefan Steinheuer oder Harald Wohlfahrt. Was zeichnet "deutsche Meister" in der internationalen Familie der Spitzengastronome aus?

Ich glaube, dass wir Deutschen sehr exakt sind in allem, was wir machen. Unsere Herangehensweise ist eine sehr technische. Die Franzosen etwa sehen das Kochen anders: Wenn der Punkt nicht rechts oben ist, dann ist er nicht rechts oben. Die Deutschen sind manchmal leider zu präzisionsbesessen und zu verkopft. Wir sind so was wie Kleinhandwerker.

Eine der Hoberg-Kreationen: Man darf sie essen - aber es ist trotzdem KunstBild: Riva

Wie anerkannt ist die deutsche Küche in der internationalen Szene?

Die deutsche Küche findet immer mehr Anerkennung - auch im Ausland. Aber ganz haben wir es noch nicht geschafft: Die französische Hochküche steht eh über allem. Auch die nordischen Länder, etwa Norwegen oder Dänemark, sind präsenter, als wir Deutsche. Das ist schade! Ich glaube, es wird unterschätzt, was hier im Land geleistet wird.

Gibt es "die deutsche Küche"?

Nein, dafür sind die Handschriften zu unterschiedlich. In Perl-Nenning kocht Christian Bau, der Japan mit französischer Küche kombiniert, in Berlin hat sich eine produktfokussierte "brutal regionale" Küche herausgebildet. Gleichzeitig hat man einen Tim Raue, der China auf seine Fahne geschrieben hat. Es ist ein großes Portfolio - aber genau dieser Facettenreichtum zeichnet die deutsche Küche von heute aus.

Dirk Hoberg in der Küche: Kochen ist HandarbeitBild: Riva

Sie sind also kein Adept der Regionalität?

Ich mag dieses "Muss" nicht. Ich setzte ja auf Qualität. Das heißt, wenn ich ein tolles Produkt aus der Region kriege, benutze ich das mit Begeisterung. Wenn ich aber sehe, ich kriege es besser aus einem anderen Land - dann nehme ich das. Was nützt es mir, wenn ich dem Gast sage: Schmeckt zwar nicht, aber kommt aus der Region? Dann sage ich lieber: Schmeckt sensationell, kommt aber aus Frankreich oder Kanada.

Sie haben bereits ein paar begehrte Trophäen der kulinarischen Welt. "Michelin", "Gault & Millau", "Feinschmecker"… Wie wichtig sind solche Auszeichnungen?

Fürs Restaurant, fürs Image, sind sie extrem wichtig. Wenn man so einen Aufwand betreibt, dann braucht man die Bestätigung, damit auch die Gäste kommen. Der Kreis der Gourmetesser ist leider sehr begrenzt. Da merkt man schon: Je höher man bewertet ist, desto mehr kommen als Tagestouristen.

Unter welchem Druck steht man gerade als junger Koch, wenn man einmal eine Auszeichnung bekommen hat?

Ich koche aus Leidenschaft, bei mir kommt es vom Herzen. Kochen ist für mich Liebe. Und wenn ich Druck verspüren würde, dann höre ich auf, weil es nicht das ist, was ich machen möchte.

Eine von Dirk Hobergs Dessert-Kreationen: Schon beim Anblick kann einem das Wasser im Mund zusammenlaufenBild: Riva

Einer immer zahlreicheren und auch immer jüngeren Szene der Spitzenköche steht eine Kundschaft gegenüber, der man nachsagt, versnobt und immer älter zu sein.

Falsch! Bei mir im "Ophelia" sitzen Tisch an Tisch ein Ehepaar, das seine Goldene Hochzeit feiert, und ein 18-Jähriger, der seine Freundin zum ersten Mal ausführt. Ich glaube, bei vielen Menschen ist noch eine veraltete Vorstellung von einem Besuch im Sterne-Restaurant verbreitet. Etwa, dass man da sechs Stunden lang steif sitzen muss, dass die Portionen viel zu klein sind und die Rechnung zu hoch. Mein Team und ich versuchen gerade das aufzubrechen: Wir müssen hier nicht das Untergangsmenü der "Titanic" nachkochen! Bei uns kann man vier oder acht Gänge essen, man kann aber auch nur einen Gang essen - und bei mir wird jeder satt. Was die Preise angeht, so kann ich sagen: Meine Marge ist geringer, als bei jedem Kneipenwirt, bei dem Sie ein Schnitzel bestellen.

Sie haben ein lapidares Motto: "Das Essen soll lecker sein". Was bedeutet es für Sie?

Ganz einfach: Das Essen muss schmecken! Wenn ich essen gehe, möchte ich nicht danach sagen: "Es war zwar technisch einwandfrei, aber ich muss darüber nachdenken, was ich da gegessen habe." Für mich ist Essen Genuss, es ist Freude am Leben!

Das Gespräch führte Anastassia Boutsko.

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