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Politik

Steuerplus: Wer bekommt das Geld?

9. Mai 2018

Es ist ein neuer Rekord: 63,3 Milliarden Euro soll der Staat bis 2022 zusätzlich einnehmen. Deutschland schwimmt im Geld, könnte man meinen. Der Finanzminister sieht das ein wenig anders. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Scholz stellt Steuerschätzung vor
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Er heißt Olaf Scholz und er ist Sozialdemokrat. Der Bundesfinanzminister gehört also einer Partei an, der das Geld lockerer im Portemonnaie sitzen soll als den Politikern von CDU und CSU. So wird es der SPD jedenfalls immer nachgesagt. Als nach den Koalitionsverhandlungen klar war, dass das Finanzministerium zukünftig von der SPD geführt werden würde, sagte Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, ihre Partei werde nun wachsam sein und aufpassen müssen, dass nicht zu viel Geld ausgegeben werde.

Nach ein paar Wochen im Amt sieht das Bild ein wenig anders aus. Olaf Scholz rechnet konservativ und liegt bislang so sehr auf der Linie seines CDU-Amtsvorgängers Wolfgang Schäuble, dass er scherzhaft schon "Olaf Schäuble" genannt wird. Selbst die Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung können den SPD-Minister nicht aus der Reserve locken. Dabei sollen die staatlichen Einnahmen von rund 735 Milliarden Euro im Jahr 2017 auf rund 906 Milliarden Euro im Jahr 2022 steigen. Das sind 63,3 Milliarden Euro mehr, als bei der letzten Schätzung im November angenommen.

Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden

Es geht um viel Geld. Allein für den Bund ergibt sich ein zusätzlicher Spielraum von 30,7 Milliarden Euro bis 2022. Allerdings nur in der Theorie. Rund 20 Milliarden Euro seien in der vor ein paar Tagen vorgelegten Haushaltsplanung bereits reserviert und festgelegt worden, so Scholz. "Wir haben die besseren Konjunkturdaten schon vorweggenommen." Unter dem Strich werde der Bund etwa 10,8 Milliarden Euro mehr zur Verfügung haben, die noch nicht verplant sind.

Wie die verwendet werden sollen, darüber müsse sich die Koalition nun bis zum Sommer Gedanken machen, sagt der Finanzminister - wohl wissend, dass Union und SPD da nicht unbedingt einer Meinung sind. Begehrlichkeiten gibt es viele. Während der drei Tage, die der Arbeitskreis Steuerschätzung, dem Wirtschafts- und Finanzexperten von Bund, Ländern und Kommunen sowie Wirtschaftswissenschaftler angehören, getagt hat, haben sich die Vorschläge gehäuft, wie man das zusätzliche Geld am besten ausgeben könnte. "Ich habe immer das Gefühl, wenn man mehr Geld hat, findet innerhalb von fünf Minuten eine hundertfache Überbuchung statt", kommentiert der Finanzminister.

Knackpunkt Wehretat

Handfeste Forderungen stellt vor allem CDU-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Für das laufende Jahr sind bislang 38,5 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben vorgesehen, für das kommende 41,5 Milliarden Euro. Das reicht von der Leyen nicht aus. Sie hat für die Bundeswehr einen deutlichen Mehrbedarf errechnet und damit gedroht, notfalls milliardenschwere Rüstungsprojekte auf Eis zu legen, sollte sie nicht mehr Geld bekommen. Die CDU-Ministerin verweist immer wieder darauf, dass die Bundeswehr seit dem Ende des Kalten Krieges zugrunde gespart worden sei.

Da der Verteidigungshaushalt an die Ausgaben für Entwicklung und humanitäre Hilfe gekoppelt ist, würde im Fall einer Ausweitung auch CSU-Entwicklungshilfeminister Gerd Müller mehr Geld bekommen. Von der Leyen und Müller berufen sich auf den Koalitionsvertrag, der festlegt, dass Überschüsse im Haushalt vorzugsweise in die Bereiche Verteidigung und Entwicklung fließen sollen. Den Haushaltsplänen für 2019 haben die beiden Minister nur unter Vorbehalt von Nachbesserungen zugestimmt.

Scholz möchte Steuerzahler entlasten

Union und SPD streiten seit Tagen über den Wehretat. Dessen Aufstockung steht für die Sozialdemokraten keinesfalls an erster Stelle. "Mein Vorschlag ist, dass wir zunächst mal das tun, worauf viele Bürger jetzt zu Recht setzen, nämlich dass wir die Einnahmen dazu nutzen, um eine Veränderung bei der Steuerlast vorzunehmen", sagt Finanzminister Scholz und hat dabei die kleinen und mittleren Einkommen im Blick.

Der Minister will die sogenannte kalte Progression abschmelzen. Davon spricht man, wenn Bürger bei Lohnerhöhungen durch einen höheren Steuertarif überproportional viel an den Staat abgeben müssen. Am Ende haben sie nicht mehr Geld in der Tasche, sondern zahlen teilweise noch drauf, weil parallel auch Waren und Lebensmittel durch die Inflation teurer werden.

Im Herbst sollen die Ergebnisse einer Studie zur kalten Progression vorliegen, dann soll über Verschiebungen in den Steuertarifen gesprochen werden. Der Staat würde in diesem Fall auf Einnahmen verzichten. Scholz denkt auch darüber nach, den geplanten Abbau des Solidaritätszuschlags zu beschleunigen. Auch dafür könnten Steuermehreinnahmen verwendet werden.

Ein bisschen auch für die Bundeswehr?

An zweiter Stelle in der Dringlichkeit kommt für Olaf Scholz der Ausbau der digitalen Infrastruktur. "Damit das schneller losgeht mit den Investitionen in den Breitbandausbau." Darüber hinaus gebe es dann aber auch "in überschaubarem Umfang auch Spielräume für die weiteren Vorhaben der Regierung", formuliert Scholz. Dazu zählten auch Mittel für Verteidigung und Entwicklungshilfe. Der SPD-Minister drängt allerdings darauf, auch die im Koalitionsvertrag genannten weiteren Maßnahmen, die aus finanziellen Gründen erst einmal zurückgestellt wurden, wieder in den Fokus zu nehmen. Auch diese müssten "Stück für Stück zu prioritären Zielen gemacht" werden.

Bei allen Planungen warnt Olaf Scholz allerdings vor zu viel Überschwang. Derzeit arbeiten immer mehr Menschen und zahlen Einkommenssteuern. Löhne und Preise gehen nach oben, also steigen auch die Verbraucher- und Umsatzsteuern entsprechend an. Doch wer weiß, wie lange der Aufschwung anhält? "Man kann nicht vorsichtig genug sein", kommentiert der Finanzminister. Man dürfe sich nicht auf die gute Lage verlassen. Außen- und handelspolitische Risiken gebe es zur Genüge. "Wir alle wissen, was los ist in der Welt."

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