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Gerrard und die Rangers jagen Celtic

2. August 2018

Kein Fußball-Klub auf dieser Welt hat mehr nationale Titel geholt: Die Glasgow Rangers dominierten den schottischen Fußball - bis zum tiefen Fall. Jetzt sind die Rangers wieder da - und setzen auf Steven Gerrard.

Schottland:  Manager Steven Gerrard beim Rangers Training
Identifikationsfigur mit Strahlkraft - aber auch ein guter Trainer? Gerrard vor einer neuen Aufgabe. Bild: picture-alliance/K. O'Rourke

Es war der 15. Mai 2011, der letzte "ganz große" Tag in der Geschichte des Rangers Football Club - dem Klub, der bis heute nach wie vor mehr nationale Meisterschaften als jeder andere auf der Welt gewonnen hat: Nach einem 5:1-Sieg gegen Kilmarnock nahm der damalige Rangers-Kapitän David Weir im Ibrox-Stadium die schottische Meistertrophäe entgegen - zum 54. Mal wurde einem Kapitän des stolzen Klubs aus der größten Stadt Schottlands diese Ehre zu Teil. Was damals keiner ahnte: Es sollte das vorerst letzte Mal sein.  

Bitterer Niedergang oder das Ende der Rangers 

Denn im Jahr darauf endete nicht nur die Karriere von Weir, sondern auch die traditionsreiche Ära des Rekordmeisters im schottischen Fußball-Oberhaus. Die Rangers mussten im Februar Insolvenz anmelden und anschließend mit einer neugegründeten Betreibergesellschaft in der vierten Liga neu anfangen. Dass die Rangers irgendwann zwangsläufig wiederkommen würden, daran zweifelte in Schottland niemand. Aber waren das nach der Neuaufstellung des Klubs überhaupt noch die Rangers?

Viele Rangers-Fans sind bedingungslose Traditionalisten, die Tradition und die Rivalität zu Celtic sind wichtiger als Champions-League-Spiele gegen Real Madrid, Barcelona oder Bayern. Und so taten sich viele Rangers-Anhänger schwer, den neu aufgestellten Klub als ihre Rangers zu akzeptieren - Hohn und Spott der verhassten Celtic-Fans gab es selbstverständlich obendrauf, was dieses Gefühl der Befremdung sicher noch stärkte.  

15. Mai 2011: Die Rangers feiern ihre bis heute letzte MeisterschaftBild: picture-alliance /K. O'Rourke

Einer der die Gefühlswelt der Fans ganz sicher aufgrund seiner eigenen nachvollziehen kann, leitet seit diesem Sommer als Trainer die sportlichen Geschicke der Rangers: Steven Gerrard. Der zurückhaltende Nordengländer scheint mit der Übernahme des Trainerpostens beim schottischen Traditionsteam wieder dort angekommen, wo er sich am wohlsten fühlt. Am Puls des so emotionalen und historisch wertvollen britischen Fußballs. Gerrard soll der Heilsbringer der Rangers werden. 

Gerrard - Legende in Liverpool, Karriereende in L.A. 

Gerrard ist die perfekte Identifikationsfigur für eingefleischte Fans. Das Fußball-Herz auf der Insel braucht keine Star-Trainer, es braucht die Leidenschaft. Leidenschaft wie sie Gerrard in jeder Sekunde seiner langen Karriere lebte. Liverpool lag ihm zu Füßen, verkörperte er doch wie fast kein zweiter die Verbundenheit und Treue zum Traditionsklub aus dem Nordwesten Englands.

Liverpool-Skipper zu sein, das bedeutete Gerrard mehr als Geld und Glamour, ja sogar mehr als Titel, ließ er damals wissen. So kam es, dass einer seiner schwersten Fehler ihn und den Klub noch enger zusammenschweißten. 2014 war das, Gerrard steuerte im Spätherbst seiner Karriere auf den ersten Meistertitel mit den Reds zu, als ausgerechnet der Kapitän bei einer Ballannahme im Mittelfeld ausrutschte und dadurch den Weg für Chelsea-Stürmer Demba Ba und dessen Treffer freimachte. Die Pleite kostete Liverpool letztlich den Titel, zwei Punkte fehlten am Ende auf Manchester City. Sympathien oder Respekt kostete Szene Gerrard allerdings nie. Das Trauma erlebten er, die Fans und der Klub zusammen und überwanden es zusammen. Er wurde auch dadurch zur Legende, dass Gerrard immer wieder aufstand. Das musste er auch als sein Cousin bei der Katastrophe im Hillsborough-Stadion in Sheffield im April 1989 sein Leben ließ. Dass Gerrard auch zu dieser schwärzesten Stunde des britischen Fußballs einen persönlichen Bezug hat, verlieh ihm immer eine Aura der Authentizität. Gerrard war auf dem Platz einer, an den die Leute glaubten. 

Feuertaufe geglückt

Sein wohl eher monetär motivierter Ausflug zu L.A. Galaxy zum Ende der Karriere änderte daran nichts, auch wenn er seiner bisherigen Biografie zu widersprechen schien. Inzwischen ist Gerrard ist wieder dort, wo er sein sollte: Als Arbeiter im britischen  Fußball-Alltag. Bei den Glasgow Rangers setzt man auf die Erfahrung, die Gerrard in 18 Jahren als Profi gesammelt hat. Man setzt auch auf die Identifikationsfigur Gerrard und dabei scheint es keine so große Rolle zu spielen, dass seine Erfahrung als Trainer bislang noch sehr übersichtlich ist. Von 2017 an trainierte er immerhin schon im Jugendbereich des FC Liverpool. Auf höchstem Niveau muss sich der 114-fache englische Nationalspieler also noch beweisen, die ersten Auftritte als Rangers-Coach verliefen aber schon vielversprechend. 

Bei L.A. Galaxy machte Gerrard 32 Spiele und schoss fünf ToreBild: picture-alliance/AP Photo/J. Hong

Beim Pflichtspiel-Debüt Gerrards in der ersten Runde der Europa-League-Quali gab es vor ausverkauftem Haus im Ibrox Park einen ungefährdeten 2:0-Sieg gegen KF Shkupi aus Mazedonien, im Rückspiel eine Woche später reichte den Rangers ein 0:0 für den Einzug in die nächste Runde. Das Hinspiel in der zweiten Runde wurde ebenfalls gewonnen - 1:0. In den ersten drei Pflichtspielen unter Gerrard ließen die Rangers sich nicht düpieren und kassierten nicht ein einziges Gegentor. Das blieb auch im Rückspiel zu Hause gegen Osijek lange Zeit so: 1:0 führten die Schotten, bis Osijek in der Nachspielzeit den 1:1-Endstand herstellte. Für das Weiterkommen der Rangers reichte es aber allemal. 

So souverän wie sein Team auf dem Platz zeigt sich auch der Trainer daneben. Auf die provozierenden Aussagen von Osijeks Mittelfeld-Mann Robert Mudrazija ("Wir waren besser, stärker, fähiger und besser organisiert") reagierte Gerrard wie einer seines Formats reagiert: Der Champions-League-Sieger von 2005 ließ sich nicht in Verbalscharmützel verwickeln. "Wir können nicht kontrollieren, was sie sagen. [...] Ich konzentriere mich darauf, wie sich meine Mannschaft fühlt. Ob die Kommentare uns zusätzlich motivieren? Nicht wirklich. Meine Aufgabe ist es, mein Team und meine Spieler vorzubereiten. Wir werden unsere Gegner immer respektieren." Auf sich und die seinen schauen, den Nebenkriegsschauplatz meiden, Respekt fordern und geben - auf dem Platz und auch daneben. So lebte und spielte er den Sport immer, auch als verlängerter Arm seines letzten Liverpool-Trainers Brendan Rodgers. Interessante Note: Der Nordire sitzt inzwischen auf der Bank von Celtic und ist damit Gerrards sportlicher Widersacher Nummer 1. 

Angriff auf Celtic und den Ex-Coach

Zwei Jahre sind die Rangers jetzt zurück in Liga 1, in beiden Jahren landete man deutlich hinter Celtic, die Lücke soll endlich geschlossen werden. Celtic hat zuletzt die siebte Meisterschaft in Folge und die 49. insgesamt geholt. So oder so ist ein Meistertitel des verhassten Erzrivalen ein Stich ins Herz für jeden Rangers Fan. Sollte Celtic die Rangers aber in absehbarer als Rekordmeister entthronen wäre das für den Rangers-Anhang eine Schmach - mindestens genauso quälend wie das unrühmliche Ende der großen Rangers-Ära 2012. So ist Schottland, so ist vor allem Glasgow: Der Jubel des Erzrivalen ist in der Stadt des "Old Firm Derbys" wohl noch schmerzhafter als der der eigene süß. 

Nach dem Aus in der ersten Runde der Europa-League-Qualifikation im letzten Jahr wäre das Erreichen der Gruppenphase in diesem Jahr ein erster Erfolg und auch finanziell ein wichtiger Zugewinn für die Rangers. Der wichtigste Zugewinn für Gerrard ist indes der vom FC Liverpool ausgeliehene Flügelstürmer Ryan Kent, der in der vergangenen Saison an den SC Freiburg (sechs Spiele) und den englischen Zweitligisten Bristol City (zehn Spiele) verliehen war und der Gerrard und dessen Co.-Trainer Gary McAllister und Michael Beale, der ihn in der U23 der Reds trainierte, bereits aus Liverpool kennt. "Ich habe jetzt einen Chef, der Steven Gerrard heißt. Jemand der auf höchstem Niveau gespielt hat und viele großartige Dinge erreicht hat. Von ihm zu lernen, ist großartig und ich kenne einige Spieler hier. Michael Beale hier zu haben ist ein Bonus, er hat in Liverpools U23 bereits viel aus mir herausgeholt", sagte Kent bei seiner Präsentation. An seiner Seite: Sein neuer Trainer. Ruhig, zurückhaltend aber präsent wie er es immer war. 

Jetzt will der 38-Jährige das als Trainer wiederholen und nicht wenige im Umfeld des großen, traditionsreichen Rangers Football Club sind davon überzeugt, dass mit ihm ein neues großes Rangers-Zeitalter beginnen kann. Der größte Zugewinn für den stolzen Klub aus Glasgow scheint der neue Trainer zu sein. Am kommenden Sonntag starten Gerrard und die Rangers gegen Aberdeen in die neue Liga-Spielzeit und vielleicht in eine lange und erfolgreiche Zusammenarbeit - so wie sie Gerrard schon als Spieler eindrucksvoll vorzuweisen hat. Und das wird man dann sicherlich auch in Liverpool registrieren...

David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion
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