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Stichwahl entscheidet über Karsais Nachfolger

Waslat Hasrat-Nazimi/gd15. Mai 2014

Abdullah Abdullah gegen Aschraf Ghani –diese beiden Politiker werden Mitte Juni in die Stichwahl zum Nachfolger des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai gehen. In wichtigen Punkten verfolgen sie die gleichen Ziele.

Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah in Talkshow (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Bei der afghanischen Präsidentschaftswahl wird es eine Stichwahl zwischen Abdullah Abdullah (Artikelbild rechts) und Aschraf Ghani (l) geben. Abdullah erzielte in der ersten Runde 45 Prozent der Stimmen, Ghani 31,6 Prozent. Drittplazierter aus dem Feld von acht Kandidaten war Salmai Rassul mit 11,4 Prozent. Diese Zahlen gab die unabhängige Wahlkommission am Donnerstag (15.05.2014) bekannt. Rund sieben Millionen Wähler, 60 Prozent der Wahlberechtigten, hatten ihre Stimme Anfang April abgegeben, trotz Terrordrohungen der Taliban. Für die beiden Kandidaten wird es in der zweiten Runde am 24. Juni darum gegen, nochmal eine starke Mobilisierung ihrer Anhänger und der von Verbündeten zu bewirken.

Für Abdullah Abdullah ist die jetzige Wahl eine Art Neuauflage von 2009. Auch bei der damaligen Präsidentschaftswahl schaffte er es in die Stichwahl gegen Karsai. Er zog seine Kandidatur jedoch wegen der massiven Fälschungsvorwürfe gegen die gesamte Wahl zurück und überließ Hamid Karsai das Feld, um sich als Oppositionspolitiker zu profilieren.

Verbindungen zur "Nordallianz"

Abdullahs Popularität verdankt sich nicht zuletzt seiner engen Verbindung zur Nordallianz, einem ehemaligen militärischen Bündnis afghanischer Milizen, das die Taliban-Herrschaft bekämpfte und die USA bei ihrem Einmarsch 2001 unterstützte. "Die meisten Afghanen haben genug von der Gewalt der Extremisten, so dass die Verbindung zur Nordallianz definitiv ein Pluspunkt für Abdullah ist", meint Südasienexperte Michael Kugelman vom Woodrow-Wilson-Zentrum in Washington. Eine andere Frage ist, ob die Bevölkerung auch die distanzierte Haltung Abdullahs zu Friedensgesprächen mit den Taliban teilt.

Kämpfer der Nordallianz rücken im November 2001 in Kabul ein, Abdullah war enger Vertrauter ihres militärischen Führers Ahmad Schah MassudBild: AFP/Getty Images

Unlängst hatte Abdullah gegenüber der Deutschen Welle erklärt, er sei zwar offen für Friedensgesprächen mit den Taliban, "aber nicht bereit zu Kompromissen, nur um eine kleiner Anzahl von Militanten zu Gefallen zu sein." Eine Haltung, die dem Kandidaten angesichts des dringenden Wunsches der Bevölkerung nach Frieden politisch schaden könnte, meint Südasien-Experte Kugelman.

Allianz mit dem Drittplazierten

Abdullahs Verbindung zur tadschikisch dominierten Nordallianz hat auch ihre Kehrseite, denn die Paschtunen im Süden des Landes könnten ihre Interessen durch Abdullah, dessen Mutter aus der tadschikischen Volksgruppe stammt, nicht ausreichend vertreten sehen. Um diese Befürchtungen zu zerstreuen, hat sich Abdullah inzwischen der Unterstützung des paschtunischen Kandidaten Salmai Rassul versichert, der in der ersten Runde den dritten Platz erreichte. Rassul, wie Abdullah ein ehemaliger Außenmister, gilt als enger Verbündeter Hamid Karsais. Südasien-Experte Kugelman geht davon aus, dass viele Anhänger Rassuls in der zweiten Runde ihre Stimme Abdullah geben werden.

Aschraf Ghanis Chance

Abdullahs Gegner in der Stichwahl ist Ashraf Ghani, ein Technokrat, der es verstanden hat, seine Anhängerschaft eindrucksvoll zu vergrößern. 2009 hatte er nur drei Prozent der Stimmen erhalten. Seine Bündnisse mit populären Stammes- und Religionsführern, die er danach geschmiedet hat, haben sich in Wählerstimmen der ersten Runde ausgezahlt. Der 65 Jahre alte Ghani, anders als Abdullah "hundertprozentiger" Paschtune, setzt vor allem auf seine Expertise als Wirtschaftsfachmann. Er war mehrere Jahre als Ökonom bei der Weltbank tätig und an Projekten zum Wiederaufbau gescheiterter Staaten beteiligt.

Mit Salmai Rassul hat sich Abdullah, selbst reich an außenpolitischer Erfahrung, die Unterstützung eines weltgewandten Diplomaten gesichertBild: dapd

Gegenüber der Deutschen Welle nannte Ghani die Bekämpfung der Korruption und gute Regierungsführung als seine Prioritäten: "Wir sind davon überzeugt, dass gute Regierungsführung Afghanistan Wohlstand bringen und den Teufelskreis der Gewalt beenden kann." Für Südasien-Experte Kugelman ist Ghani weniger polarisierend als Abdullah. Letzterer würde immer als Politiker der Nordallianz wahrgenommen, während Ghani seine Erfahrung als Verwaltungs- und Wirtschaftsfachmann herausstellen könne.

Manche Afghanen verübeln es Ghani allerdings, dass er in den schwersten Zeiten Afghanistans seinen Platz bei der Weltbank in Washington sah. Umso überraschender war dann seine Wahl des usbekischen Warlords und mutmaßlichen Kriegsverbrechers Raschid Dostum zu seinem Vizekandidaten. Der Schritt passt aber zu Ghanis "sprunghafter Persönlichkeit und Neigung zu Wutausbrüchen", die ihm laut Kugelman nachgesagt werden. Eigenschaften, die für viele Afghanen – und Amerikaner – unangenehme Assoziationen an die letzten Monate der Amtszeit Karsais wecken könnten.

Mobilisierung der Anhänger

Ebenso wie Abdullah bemüht sich auch Ghani um die Unterstützung von ausgeschiedenen Kandidaten und deren Anhängern, um die zweite Runde für sich zu entscheiden. Beide Politiker haben von Anfang an versucht, Politiker aus einer anderen ethnischen Gruppe als der eigenen ins Boot zu holen. Solche Allianzen werden laut Nils Wörmer von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kabul den Ausschlag bei der Strichwahl geben, aber auch die Fähigkeit der beiden Kandidaten, die Wähler nochmals zu mobilisieren. Deshalb sollte man Ghani nur aufgrund der Wahlergebnisse der ersten Runde noch nicht abschreiben, meint Wörmer.

Die Kandidaten hoffen auf ebenso hohe Wahlbeteiligung wie im AprilBild: DW/Q.Wafa

Theoretisch könnten sich Abdullah und Ghani auf die Bildung einer Koalitionsregierung einigen, was eine Stichwahl überflüssig machen würde. Immerhin sind sich beide in wichtigen Punkten einig, sie wollen das bilaterale Sicherheitsabkommen mit den USA unterzeichnen, die Wirtschaft stärken und die Korruption bekämpfen. Aber im Vordergrund steht derzeit der Wille, aus der Stichwahl als Sieger hervorzugehen.

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