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Wahl in Polen: Rechtskonservativer Nawrocki wird Präsident

Jacek Lepiarz (Warschau)
2. Juni 2025

Der Historiker und EU-Skeptiker Karol Nawrocki hat die Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen gewonnen. Das Ergebnis ist ein schwerer Schlag gegen die proeuropäische, liberalkonservative Regierung unter Donald Tusk.

Ein Mann in blauem Anzug, der einen weiß-roten Anstecker an Revers trägt, zeigt mit der linken Hand das Victory-Zeichen, links und rechts von ihm sind eine lächelnde junge Frau und ein junger Mann zu erkennen
Stichwahl-Sieger: Polens neuer Präsident Karol Nawrocki in der polnischen Hauptstadt WarschauBild: Jakub Porzycki/Anadolu/picture alliance

Wie Polens Staatliche Wahlkommission PKW am Montag (02.06.2025) in Warschau mitteilte, hat der rechtskonservative und EU-skeptische Kandidat Karol Nawrocki die Stichwahl für das Amt des Staatspräsidenten am 1. Juni mit 50,89 Prozent der Stimmen gewonnen. Sein liberalkonservativer und proeuropäischer Gegenkandidat Rafal Trzaskowski erreichte 49,11 Prozent. Nawrocki wird das Amt im August antreten. Das amtierende Staatsoberhaupt Andrzej Duda konnte nach zwei Legislaturperioden nicht mehr kandidieren.

Nawrocki, ein 42-jähriger Historiker aus Danzig, wurde von der rechtskonservativen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nominiert. Die Partei unter Führung von Jaroslaw Kaczynski präsentierte ihn als parteilosen und unabhängigen "Bürgerkandidaten", obwohl sein Wahlkampf von der PiS bezahlt und organisiert wurde und sein Programm mit Programm der PiS übereinstimmte.

"Es ist uns gelungen, das ganze patriotische Lager zu vereinigen", sagte Wahlsieger Nawrocki und nannte "Polen ohne Migranten" als sein politisches Ziel. "Wir haben gesiegt, weil wir Recht haben", fügte PiS-Chef Kaczynski hinzu.

In der Stichwahl stimmten für Nawrocki auch Wähler der Partei Konfederacja, einer Gruppierung, die aus einem ultranationalistischen und einem wirtschaftslibertären Flügel besteht. Auch die meisten Anhänger des rechtsextremen und antisemitischen Politikers Grzegorz Braun gaben ihre Stimme Nawrocki.

Warschaus liberaler Bürgermeister hat verloren

Nawrockis Gegenkandidat Rafal Trzaskowski bewarb sich um das Präsidentenamt im Auftrag der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO), der Regierungspartei von Premier Donald Tusk. In der Stichwahl unterstützten den 53-jährigen Bürgermeister von Warschau auch andere Parteien der Regierungskoalition - das Bündnis Dritter Weg und die Neue Linke. Seine überraschende Niederlage ist ein schwerer Schlag gegen die Tusk-Regierung.

Der liberalkonservative Kandidat Rafal Trzaskowski bei der Stimmabgabe in einem Wahllokal in Warschau am 1. Juni 2025Bild: Petr David Josek/AP/picture alliance

Nawrocki machte im Wahlkampf keinen Hehl daraus, dass er die Blockadepolitik des scheidenden Präsidenten Duda fortsetzen will. Der machte in den vergangenen anderthalb Jahren oft von seinem Vetorecht Gebrauch, um die von der Regierung forcierten Reformen, vor allem die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit, zu verhindern.

"Nawrocki wird die Handbremse in der Innenpolitik anziehen und der Regierung das Leben erschweren", prognostizierte die Politologin Barbara Brodzinska-Mirowska am Sonntagabend im Fernsehsender TVN.

Schwerer Schlag gegen Tusk-Regierung

Auch den außenpolitischen Spielraum der Regierung Tusk wird Präsident Nawrocki wohl einengen. Polens Staatsoberhaupt kann laut Verfassung in der Außenpolitik mitreden und ist Oberbefehlshaber der polnischen Streitkräfte. Nawrockis Standpunkte in den Kernfragen der Außenpolitik kollidieren mit der Linie der Regierung.

Polens Premier Donald Tusk und seine Ehefrau Malgorzata auf dem Weg zur StimmabgabeBild: Mateusz Slodkowski/AFP/Getty Images

Das künftige Staatsoberhaupt sprach sich im Wahlkampf gegen die Aufnahme der Ukraine in die NATO aus und knüpfte auch ihren Beitritt zur Europäischen Union an Bedingungen. Er setzt in der Sicherheitspolitik einseitig auf Präsident Donald Trumps Amerika, ist EU-skeptisch und misstrauisch gegenüber Berlin. Er will die Bemühungen um die Kriegsreparationen von Deutschland für Polen fortsetzen.

"Polen droht das ungarische Szenario", warnte der Soziologe Robert Sobiech. Unter Präsident Karol Nawrocki werde Polen sich von Europa distanzieren wie Ungarn unter Premier Viktor Orban; die PiS könnte zusammen mit der ultrarechten Konfederacja 2027 an die Macht zurückkommen.

Wechselbad der Gefühle

Beide Kandidaten erlebten nach der Schließung der Wahllokale um 21 Uhr ein Wechselbad der Gefühle. Die erste Prognose zeigte Trzaskowski mit 50,3 Prozent knapp vor Nawrocki mit 49,7 Prozent. "Wir haben gewonnen", erklärte Trzaskowski daraufhin und versprach, "wie ein Torpedo" mit der Umsetzung seines Programms zu beginnen. Er kündigte an, die Hand in Richtung aller Menschen, die gegen ihn gestimmt haben, auszustrecken.

Wählerinnen in Warschau geben bei der Stichwahl um das Präsidentenamt ihre Stimme abBild: Muhammet Ikbal Arslan/Anadolu/picture alliance

Doch die Euphorie in Trzaskowskis Stab dauerte nicht lange: Eine weitere Prognose, ergänzt um Ergebnisse aus einem Teil der Wahllokale ("Late-Poll") änderte zwei Stunden später die Reihenfolge. Die erste Analyse nach der Wahl zeigt, dass Nawrocki vor allem Männer und junge Leute bis 29 Jahren gewählt haben, während Frauen und ältere Menschen Trzaskowski bevorzugten.

Skandale haben Nawrocki nicht geschadet

Gegen Nawrocki, der seit 2021 das polnische Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) leitet, haben die Medien in den vergangenen Monaten schwere Vorwürfe erhoben. Er soll Kontakte zu Menschen aus der Hooliganszene und der Unterwelt unterhalten haben. Zudem hat er eine Kommunalwohnung in Danzig von einem mittellosen und alkoholabhängigen Mann ergaunert.

Nawrocki gab selbst zu, an einer verabredeten Massenschlägerei zwischen Fans zweier Fußballklubs teilgenommen zu haben. Laut Onlineplattform ONET soll er während seines Studiums als Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes auch Prostituierte für Gäste eines noblen Hotels in Sopot (Zoppot) an der polnischen Ostseeküste organisiert haben.

Doch diese Entdeckungen der Investigativjournalisten haben Nawrocki nicht geschadet. "Wir haben es mit einem Bumerangeffekt zu tun", kommentierte der Publizist Slawomir Sierakowski die Wahl des Nationalkonservativen. Nawrockis "zudringliche Thematisierung" in den Medien habe das Gefühl der Solidarität mit dem Kandidaten der Rechten gestärkt.

"Nach der Wahl wird es keine Beruhigung geben. Polen ist seit zwei Jahrzehnten so tief gespalten, dass der neue Präsident diese Gräben nicht zuschütten wird. Zu befürchten ist, dass es umgekehrt laufen wird", kommentierte am Montag (2.06.2025) Jacek Nizinkiewicz in der Zeitung Rzeczpospolita. Das Ergebnis der Stichwahl um das Amt des Präsidenten nannte er ein "politisches Erdbeben".

Jacek Lepiarz Journalist in der polnischen Redaktion mit Schwerpunkt auf deutsch-polnischen Themen.