Stichwort: Unruhen in Äthiopien
8. Juni 2005Nach der Verfassung von 1994 werden in Äthiopien regelmäßig Wahlen durchgeführt, zu denen auch Oppositionsparteien zugelassen sind. Jedoch gelten die Wahlen unter unabhängigen Beobachtern weder als frei noch fair: Die Oppositionsparteien würden behindert und ihre Anhänger eingeschüchtert.
Aus diesem Grund hatte die äthiopische Regierung entschieden, zu den Wahlen im Mai 2005 ausländische Beobachter einzuladen. Es waren die zweiten Mehrparteienwahlen in Äthiopien und sie sollten zeigen, wie sich die Demokratie durchgesetzt hat. Bis 1991 war das Land nämlich 17 Jahre lang von einer marxistischen Diktatur regiert worden. Die internationalen Beobachter hatten Unregelmäßigkeiten bei der Wahl im Mai kritisiert, hatten den Verlauf der Wahlen aber insgesamt als überwiegend fair bewertet.
Die EPRDF hat schon wieder die Mehrheit
EPRDF steht für "Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front". Sie und ihre Partnerparteien regieren seit 14 Jahren. Einen demokratischen Machtwechsel gab es bisher nicht, und nach den vorläufigen Wahlergebnissen bleibt die EPRDF unter Ministerpräsident Meles Zenawi trotz Stimmenverlusts an der Macht. Unter dem Konzept der "Revolutionären Demokratie" hat die Regierung den Weg in Richtung Marktwirtschaft eingeschlagen. Die Opposition, die Studenten und Menschenrechtsgruppen werfen ihr vor, sie systematisch zu unterdrücken und dabei auch Foltermethoden anzuwenden.
Bisher war die Opposition zur EPRDF jedoch von Organisation, Programm, Finanzen und Personal her nicht stark genug für einen Machtwechsel – nicht zuletzt deswegen, weil die Regierung sie behindert. Aus den größeren Parteien haben sich zwei Koalitionen gebildet, eine davon ist die "Coalition for Unity and Democracy" (CUD).
Proteste von Studenten
An den Unruhen in den letzten Tagen waren vor allem Studenten beteiligt, die der Regierung Wahlfälschung vorwarfen und deshalb auf die Straße gingen – trotz des einmonatigen Demonstrationsverbots, das die Regierung wegen befürchteter Unruhen nach der Wahl auferlegt hatte. Die Studenten hatten sich schon einmal, vor vier Jahren, gegen die Regierung aufgelehnt: Im April 2001 verlangten sie mehr politische und akademische Freiheiten. Polizisten und andere Sicherheitskräfte gingen mit Gewalt gegen sie vor; 41 Menschen wurden erschossen.
Als eines der ärmsten Länder der Welt hat Äthiopien mit einigen Entwicklungsproblemen zu kämpfen: Aufgrund der Armut fehlen Ressourcen für Bildung, Justiz und öffentliche Verwaltung. Häufig ist den Menschen und den Behörden die Demokratie recht fremd; eine Kultur etwa des fairen Umgangs mit dem politischen Gegner entsteht erst noch. Die Folge sind zum Teil chaotische Verhältnisse in Regierung und Verwaltung mit negativen Auswirkungen auf die Menschenrechtslage: So kommen zum Beispiel öfter Verhaftungen ohne Haftbefehl und fristgerechte gerichtliche Überprüfung sowie lange Gerichtsverfahren vor, was teilweise an einer schlichtweg überlasteten Justiz liegt.