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Stimmung in Jerusalem bleibt angespannt

Tania Krämer / lü30. November 2014

Seit dem tödlichen Anschlag auf eine Synagoge in Jerusalem bereitet sich die Stadt auf einen Anstieg der Gewalt vor. Bei einigen Bewohnern weckt die Lage Erinnerungen an die zweite Intifada. Aus Israel Tania Krämer.

Panoramablick über Jerusalem (Foto: DW/T. Krämer)
Bild: DW/T. Kraemer

Es scheint fast, als würde in der Innenstadt von West-Jerusalem alles seinen gewohnten Gang gehen, aber die angespannte Atmosphäre der letzten Wochen ist noch immer spürbar. Gilbert Glanz, ein israelischer Einwohner Jerusalems, ist auf dem Weg zur Schule seiner Kinder im Westteil der Stadt. In den vergangenen Wochen hat er sich viel mit der Sicherheitslage beschäftigt. "Die aktuelle Situation erinnert mich daran, wie es hier vor einigen Jahren war", erzählt Glanz. "Ich gehe nur noch mit einer Waffe auf die Straße und achte darauf, dass die Tore geschlossen werden, wenn ich meine Kinder zur Schule gebracht habe. Wir gehen auch abends nicht mehr in Gegenden, in denen sich große Menschenmassen aufhalten."

Seit jenem Dienstag, als zwei bewaffnete Palästinenser in eine Synagoge im orthodoxen Viertel Har Nof eindrangen und dort vier Rabbiner und einen Polizisten töteten, sind die Spannungen in Jerusalem extrem gestiegen. Schon kurz vor diesem Anschlag waren mindestens drei Israelis an Straßenbahnhaltestellen in Jerusalem getötet worden, als zwei Mal Attentäter mit einem Auto in die wartende Menge rasten. Und der Anschlag auf Yehuda Glick, einen rechtsgerichteten jüdischen Fundamentalisten, führte zu einer vorübergehenden und bis dato beispiellosen Schließung des Zugangs zur Al-Aksa-Moschee auf Tempelberg in der Altstadt - einem heiligen Ort für Palästinenser und Muslime.

"Das Problem ist, dass man nie weiß, wann wieder so ein Anschlag kommt. Es ist nichts, was von einer bestimmten politischen Gruppierung, so wie wir sie kennen, organisiert wird. Es könnte jeder sein und es kann überall passieren", sagt Glanz. Er möchte, dass die Regierung und die Gemeinde entschlossen handeln, höhere Zäune rund um den bereits eingezäunten Schulbereich errichten und häufigere Kontrollgänge durchführen. Bisher überprüft das Wachpersonal jeden, der die Schule betritt. Der Sicherheitsdienst fährt einmal pro Stunde um das Gebäude Streife.

Regierung verspricht entschlossene Antwort

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete den jüngsten Angriff auf die Synagoge als "Krieg um Jerusalem" und kündigte an, Recht und Ordnung auf allen Straßen der Stadt wiederherzustellen. Die Behörden haben die Sicherheitsmaßnahmen in der Stadt verschärft.

Kinnaret Milgrom, eine junge israelische Mutter, wartet am Tor der Schule auf ihre Kinder. Sie glaubt nicht, dass weitere Sicherheitsmaßnahmen dazu beitragen, die Situation zu beruhigen. Man müsse auch den Ursachen auf den Grund gehen. "Ich denke, die meisten Bewohner von West-Jerusalem wissen nicht, wie die Situation für die Palästinenser im Ostteil der Stadt wirklich ist. Ich mache mir große Sorgen, dass es einfach so weiter geht", sagt Milgrom. "Die Palästinenser müssten als vollwertige und gleichberechtigte Bürger angesehen werden. Das wäre besser für alle."

Die Behörden haben mittlerweile schwere Betonblöcke vor die Haltestellen der Straßenbahn gestellt, damit keine Autos mehr in die wartenden Menschenmengen gesteuert werden können. Neben dem Gefühl der Angst gibt es auch Wut bei einigen israelischen Fahrgästen. "Ich überleg mir immer zweimal, ob ich die Bahn nutze, aber ich hab leider keine große Wahl", sagt ein israelischer Fahrgast. "Ich denke, die Regierung sollte noch viel härter reagieren. Es kann nicht sein, dass die Araber uns weiterhin terrorisieren."

Angst vor Vergeltung

Kamal Abu Saloum, ein 26-jähriger Palästinenser, lebt mit seinen Kindern in der Nähe des Stadtteils Silwan. Nicht weit davon wohnte auch der Attentäter, der den Anschlag auf Yehuda Glick verübte. Kurz nach dem Anschlag erschossen ihn israelische Sicherheitskräfte in seinem Elternhaus. Seitdem ist die Lage dort sehr angespannt. "Ich denke, es gibt eine Menge Frustration unter den Jugendlichen", sagt Abu Saloum. "Den Menschen fehlt die Luft zum Atmen. Es gibt das Problem mit der Al-Aksa-Moschee, wo wir nicht hingehen und beten dürfen, wenn wir wollen. Und es gibt die Kontrollen, die uns beschämen und beleidigen. Ich will keine Steine werfen und niemanden verletzen, aber die Leute hier sind sehr frustriert. "

Bisher hat Abu Saloum als Reinigungskraft in verschiedenen israelischen Unternehmen im Westteil der Stadt gearbeitet, aber inzwischen traut er sich nicht mehr dorthin zu fahren, aus Angst, dass er von jüdischen Extremisten angegriffen wird. "Es gibt immer mehr extreme Ansichten und es gibt viel Hass zwischen den Menschen."

Dieses Gefühl spiegelt sich auch auf der Salah El Eddin Street, der belebten Einkaufsstraße im Herzen des besetzten Ost-Jerusalem wider. Die Menschen hier glauben nicht an ein schnelles Ende der Gewalt. Amal El Dweik, eine junge Palästinenserin, die mit ihren Kindern einkauft, sagt, selbst ihr Sohn gehe nicht mehr gerne in die Geschäfte, da er Angst habe, von jüdischen Siedlern attackiert und schikaniert zu werden.

Es gab nie viel Austausch zwischen den beiden Teilen der Stadt - Israelis kommen aufgrund von Sicherheitsbedenken nur selten in den palästinensischen Ostteil - aber in diesen Tagen scheinen Israelis und Palästinenser in Jerusalem gespaltener denn je.

Rund um die Straßenbahn wurden die Sicherheitsmaßnahmen verschärftBild: Reuters//R. Zvulun
Anfang November fuhr ein Selbstmordattentäter in eine MenschenmengeBild: imago/UPI Photo
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