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Stoiber geht nicht nach Berlin

1. November 2005

Die Regierungsbildung in Berlin bleibt schwierig: Nach dem Rückzug von SPD-Chef Müntefering will CSU-Chef Stoiber doch nicht in eine neue Regierung wechseln.

Der geplante Wechsel nach Berlin bleibt ausBild: AP

Der CSU-Chef Edmund Stoiber will nun definitiv nicht in die neue Bundesregierung eintreten. Er sei nach dem angekündigten Rückzug von SPD-Chef Franz Müntefering zu der Überzeugung gekommen, dass er die Interessen der CSU weiter "besser in München vertreten kann", sagte der bayerische Ministerpräsident am Dienstagabend (1.11.2005) in München. Er hatte zuvor als Schlüsselfigur in einem Kabinett der designierten Kanzlerin Angela Merkel gegolten. Nach dem Rückzug von SPD-Chef Franz Müntefering gerät das Projekt einer großen Koalition damit nun auch durch Turbulenzen in der Union in Gefahr.

Glos soll Stoiber nachfolgen

Neuer Wirtschaftsminister soll statt Stoiber der bisherige CSU-Landesgruppenchef Michael Glos werden, hieß es in hochrangigen CSU-Kreisen. Ein Wechsel des bayerischen Staatskanzleichefs Erwin Huber (CSU) auf den Posten stehe nicht zur Debatte. Stoiber hatte am Montag erstmals persönlich seinen Wechsel nach Berlin als Wirtschaftsminister in Frage gestellt. Als Grund hatte Stoiber offiziell angegeben, dass für ihn mit dem Schritt von Müntefering eine neue Lage entstanden sei.

Koalition in Gefahr?

In der CDU wird befürchtet, dass der Schritt Stoibers die Koalitionsverhandlungen weiter belasten könne. Es sei nicht abzusehen, wie Stoiber sich als bayerischer Ministerpräsident zur großen Koalition verhalten werde, hieß es von mehreren Seiten.

In Bayern hat sich durch den Entschluss Stoibers die
Nachfolgediskussion zunächst erledigt. In der CSU wurde aber bezweifelt, dass Stoiber nach seinem Manöver noch einmal seine alte Autorität zurückgewinnen könne. Wenn Stoiber nach Berlin gegangen wäre, hätte es in der Landtagsfraktion in zwei Wochen eine Kampfabstimmung zwischen Innenminister Günther Beckstein und Huber gegeben.

Merkel verliert internen Widersacher

Zwischen Stoiber und Merkel war es zuletzt zu starken Spannungen gekommen. Aus der CSU hieß es schon vor der SPD-Krise wiederholt, Stoiber drohe damit, in München zu bleiben, weil er sich von der CDU nicht angemessen behandelt fühle. Zwischen Stoiber und der designierten Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) gab es seit zwei Wochen Streit über den Ressortzuschnitt des künftigen Wirtschaftsministeriums. Stoiber verübelte Merkel, dass sie nicht energisch für ihn Partei ergriffen hatte.

In der CDU war zuletzt andererseits wiederholt darauf verwiesen worden, dass sich Stoiber im Wahlkampf und auch danach nicht loyal zu Merkel verhalten habe. Als besonderen Affront gegen die designierte Kanzlerin wurde Stoibers Zweifel an der Richtlinien-Kompetenz von Merkel in einer großen Koalition gewertet. Die Bundestagsfraktion hatte Merkel später in diesem Punkt in Beisein Stoibers Rückendeckung gegeben. In der CSU hieß es, mit Glos' Berufung dürfte es keine Schwierigkeiten geben, nachdem Merkel ihn ursprünglich bereits als Minister vorgesehen hatte.

Reaktionen

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Rainer Brüderle begrüßte den Verzicht von Stoiber auf den Posten des Wirtschaftsministers. "Aus ordnungspolitischer Sicht weine ich Herrn Stoiber keine Träne nach", sagte Brüderle. Jetzt bestehe die Chance, dass in das wichtige Ministerium "doch keine interventionistische Industriepolitik bayerischer Art einzieht".

CDU-Generalsekretär Volker Kauder zeigte sich trotz der Entwicklungen in Union und SPD zuversichtlich, dass eine Einigung bis zu den Parteitagen Mitte November gelingt. "Wir verhandeln konsequent weiter für eine große Koalition", sagte Kauder in der ARD. "Wir wollen dem Land eine stabile Regierung stellen." Dafür sei es höchste Zeit. Ungeachtet der jüngsten Entwicklungen in der SPD werde es zu einer Übereinkunft kommen.

Die FDP drängt die Unionsführung zur Suche nach Alternativen zu einer großen Koalition. "Eine Geschäftsgrundlage für eine große Koalition ist nicht mehr vorhanden", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt in Berlin. Bei der SPD gebe es jetzt einen "schlichten Politikwechsel".

Für Gerhardt zeigt sich jetzt schon, dass bei Verhandlungen der Union mit FDP und Grünen in einzelnen Punkten bessere Ergebnisse erzielt werden könnten als zwischen SPD und Union. Gerhardt fügte aber hinzu: "Wir laufenden niemanden hinterher. Der Ball liegt im Spielfeld der anderen." Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer hat Gedankenspiele über eine schwarz-gelb-grüne Koalition strikt abgelehnt. (kas)