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Stolpersteine für verfolgte Diplomaten

8. November 2021

Vor dem ehemaligen Sitz des Auswärtigen Amtes wurden 56 Stolpersteine verlegt - zur Erinnerung an verfolgte deutsche Diplomaten. Die Initiative wurde von Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes ins Leben gerufen.

Deutschland Stolpersteine Auswärtiges Amt Berlin
Berliner Stolpersteine für die ehemaligen Diplomaten des Auswärtigen AmtesBild: Rosalia Romaniec/DW

Don Jordan kam nach Berlin, um an der Gedenkzeremonie des Auswärtigen Amtes für seinen Vater, einen ehemaligen deutschen Diplomaten, teilzunehmen. Dieser war 1933 vom diplomatischen Dienst suspendiert worden, weil er dem NS-Regime die Treue verweigerte. Eine Gruppe von Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes hatte vor einem Jahr seine Geschichte, sowie die Geschichte von 55 weiteren Diplomaten entdeckt und initiiert, dass für sie alle Stolpersteine in der Wilhelmstrasse verlegt werden - genau an dem Ort, wo bis 1945 das damalige Reichsaußenministerium stand.

Jordans Vater kehrte in die USA zurück, wo er zuletzt in der deutschen Botschaft gearbeitet hatte, änderte den deutschen Namen von "Heinrich Adolf" in "Henry Jordan" und überlebte in den USA den Krieg. In New York wurde sein Sohn Don geboren, der mit Ironie in der Stimme sagt: "Na ja, ich bin durch Adolf Hitler zum Amerikaner geworden."

Don Jordan kam zum Verlegen der Stolpersteine für seinen Vater, der ein deutscher Diplomat warBild: Rosalia Romaniec/DW

In den 1950er Jahren kehrte Dons Vater schließlich zurück nach Deutschland und arbeitete wieder im diplomatischen Dienst. Don Jordan erinnert sich an damals: "Für meinen Vater war es nicht leicht, als er zurückkam. Die so genannten Kollegen wussten von seiner Vergangenheit, und er wusste von ihrer Vergangenheit. Es war nicht leicht, aber ich bin sehr dankbar, dass das hier endlich passiert."

Langer Weg zur Wahrheit

Dass sich NS-Täter und NS-Opfer unter dem Dach des Auswärtigen Amtes begegneten, war jahrzehntelang keine Seltenheit. Erst der zehnte Außenminister der Bundesrepublik, der Grünen-Politiker Joschka Fischer, gab 2004 eine historische Aufarbeitung seiner Behörde in Auftrag. Zehn Jahre später erschien dazu das Buch "Das Amt und die Vergangenheit".

"Als letztes Jahr das Auswärtige Amt 150 Jahre wurde, erschien in unserer internen AA-Zeitschrift ein Artikel über einen früheren Kollegen - Friedrich Leyden - und das hat uns animiert, im AA-Archiv nach weiteren Kollegen-Schicksalen in der NS-Zeit zu suchen", sagte Aron Mir Haschemi, Initiator der ehrenamtlichen Beschäftigteninitiative zur Verlegung der Stolpersteine für ehemalige AA-Angehörige.

Leyden arbeitete als Attaché an mehreren diplomatischen Vertretungen, bis ihn die Nazis zur Kooperation verpflichten wollten und er ablehnte. Er verlor seinen Job, wurde verraten und verfolgt und schließlich nach Theresienstadt deportiert, wo er 1944 starb. Friedrich Leyden und viele seiner Kollegen hatten entweder selbst oder über ihre Ehefrauen jüdische Vorfahren, doch sie gehörten der evangelischen oder katholischen Kirche an. Einige waren konfessionslos, nur einer bekannte sich zum jüdischen Glauben. Einige wurden ermordet, manche retteten sich ins Ausland. Rund 80 Nachfahren der Verfolgten kamen zur späten Würdigungsgeste jetzt nach Berlin. Mehrere reisten aus Italien, Frankreich, den Niederlanden und den USA an.

Stolpersteine weltweit ein Mahnmal

Gunter Demnig - der Stolpersteine-KünstlerBild: Benjamin Alvarez/DW

Die Stolpersteine sind inzwischen zum weltweit größten dezentralen Mahnmal geworden. Der Künstler Gunter Demnig begann 1996 mit seiner Aktion, inzwischen wurden mehr als 90.000 Stolpersteine in 26 Ländern verlegt.

Die im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln sollen an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. "Ich finde es sehr wichtig, dass das AA sich dazu entschlossen hatte, hier diese Steine zu verlegen, weil es hier die ersten Opfer gab. Sie haben Berufsverbote bekommen, einige wurden später deportiert und ermordet. Deshalb ist es sehr wichtig, dass es dokumentiert worden ist", sagte Demnig in Berlin.

Die neue Stelle in der Wilhelmstrasse ist somit eine der größten Stolpersteinprojekte. Deshalb wurde neben den Steinen auch eine Stolperschwelle angebracht mit dem Text: "Hier befand sich von 1870-1945 das Auswärtige Amt des Deutschen Reichs. Im Gedenken an die Angehörigen des Auswärtigen Amtes, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden aufgrund ihres Glaubens, ihrer Herkunft, Abstammung, politischen Haltung, sexueller Orientierung, Weltanschauung."

"Die Stolpersteine sollen uns daran erinnern, wie kostbar unsere Freiheit ist, wie kostbar es ist, dass wir als Unterschiedliche zusammenkommen", betonte Staatssekretär Miguel Berger während der Zeremonie in Berlin.