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PolitikUkraine

Stoltenberg: NATO wird Differenzen überwinden

4. April 2024

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte der DW zum 75. Jahrestag der Allianz, die NATO sei das erfolgreichste Bündnis der Geschichte. Die USA würden ein fester NATO-Partner bleiben, auch mit Donald Trump.

Belgien | Nato Generalsekretär Jens Stoltenberg im DW Interview mit Alexandra von Nahmen
DW-Interview mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg: "Hilfe für die Ukraine ist dringend. Wir müssen mehr tun."Bild: Bernd Riegert/DW

In 75 Jahren hat die NATO viele Krisen durchlebt und manchen politischen Streit ausgehalten. Zurzeit mühen sich die Jubilare, die Einheit bei der Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine zu wahren. Die USA zahlen im Moment nicht, weil der Kongress entsprechende Gesetze nicht verabschiedet. In einigen NATO-Staaten herrscht Skepsis, ob die Ukraine Russland wirklich besiegen kann. Die baltischen Staaten drängen auf mehr Hilfe. Immer wieder gibt es gegenseitige Vorwürfe, man liefere nicht schnell und umfassend genug Waffen.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht die Streitigkeiten durchaus, aber in den zurückliegenden Jahrzehnten habe sich die Allianz immer wieder zusammengerauft. "Trotz dieser Differenzen sind wir immer fähig gewesen, uns für die Kernaufgabe, unseren Schutz und unsere Verteidigung, untereinander zu einigen", sagte Jens Stoltenberg in einem Interview mit der Deutschen Welle nach der Außenministertagung in Brüssel.

Einreden auf den wichtigsten Verbündeten: Generalsekretär Stoltenberg, US-Außenminister Blinken in Brüssel Bild: Johanna Geron/Reuters/AP/picture alliance

"USA mit NATO stärker als ohne"

Auch wenn bei den US-Wahlen im Herbst der radikale Republikaner Donald Trump wieder das Weiße Haus erobern würde, würden die USA ein standhaftes NATO-Mitglied bleiben, versicherte der Generalsekretär. "Denn das ist im Sicherheitsinteresse der USA. Die USA sind mit der NATO stärker als ohne", so Jens Stoltenberg. Die Kritik von Donald Trump habe sich ja nicht gegen die NATO als Bündnis, sondern gegen säumige einzelne NATO-Mitglieder gerichtet. Inzwischen seien die Ausgaben für Verteidigung gestiegen.

"Der Plan ist jetzt, dass alle NATO-Mitglieder, auch die USA, die notwendigen Entscheidungen treffen, um ihre Unterstützung für die Ukraine zu verstetigen." Die Mehrheit im US-Parlament und in der Bevölkerung sei dafür eigentlich da. Sie müsse jetzt noch richtig organisiert werden.

Geburtstagstorte für die Mitarbeiter der NATO: Der britische Außenminister Cameron am TortenheberBild: Kenzo Tribouillard/AFP/Getty Images

Die Lage der NATO an ihrem 75. Gründungstag sieht der im Herbst scheidende NATO-Generalsekretär aus Norwegen durchaus positiv. "Die NATO ist die stärkste und erfolgreichste Allianz der Geschichte, und zwar aus zwei Gründen: Weil wir vereint sind im gegenseitigen Schutz. Weil wir immer fähig waren, uns anzupassen, wenn die Welt sich verändert", sagte Stoltenberg der DW im NATO-Hauptquartier. Jetzt sei Russland die Bedrohung Nummer Eins. Entsprechend werde man handeln.

Ukraine bitte um mehr Luftverteidigung

"Ich möchte die Party ja nicht verderben," sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba beim Jubiläumstreffen der NATO in Brüssel. Er sei gekommen, um mehr lebenswichtige Flugabwehr von der 75 Jahre alten Allianz einzufordern. "Ukrainische Leben, die Wirtschaft und Städte zu retten, hängt davon ab, ob es Patriot und andere Luftabwehrsysteme in der Ukraine gibt. Wir reden über Patriots, weil sie das einzige System sind, das ballistische Raketen abfangen kann, so Dmytro Kuleba.

Ob der ukrainische Außenminister konkrete Zusagen mit nach Hause nehmen kann, ist unklar. Auf jeden Fall gab es aber verbale Unterstützung, zum Beispiel von der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock. Sie erinnerte daran, dass man die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den Angreifer Russland auch aus eigenen Interessen unterstütze. "Wenn sich die Ukraine nicht weiter verteidigen kann, dann droht der russische Angriffskrieg weiter Richtung europäische Grenzen, Richtung unserer eigenen NATO-Grenze zu kommen", warnte die deutsche Ministerin (Grüne).

Mehr Hilfe gegen Russland gesucht: die Außenminister Kuleba (r.) und BaerbockBild: Johanna Geron/AP Photo/picture alliance

Die Glaubwürdigkeit und die Zukunft der NATO hingen deshalb vom Zurückschlagen Russlands in der Ukraine ab. Ein Krieg, den die NATO mit gewinnen müsse, auch wenn die Ukraine noch kein Mitglied sei und das Beistandsversprechen aus Artikel 5 des NATO-Vertrages ja technisch nicht gelte. So lautet die Analyse des ehemaligen hohen NATO-Offiziellen Jamie Shea im Gespräch mit der Deutschen Welle. Zur Geburtstagsfeier hatten sich Hunderte NATO-Mitarbeiter und Militärs aus allen Mitgliedsstaaten im riesigen Atrium des Hauptquartiers in Brüssel versammelt.

Neuer 100 Milliarden-Fonds für die Ukraine?

Polen gehört zu den 22 Staaten, die die NATO seit ihrer Gründung als transatlantisches Bollwerk gegen die Sowjetunion 1949 aufgenommen hat. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski sagte, sein Land könne sich glücklich schätzen: "Wir sind da, wo wir hingehören. In der Gesellschaft von Demokratien, umgeben von Freunden, die zusammen wie ein Fels zusammenstehen", betonte Sikorski und meinte den Widerstand gegen Russland, den die NATO nach 75 Jahren wieder als Hauptanliegen ansieht.

DW-Interview mit Jens Stoltenberg (engl.)

08:33

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Ein Land schert allerdings aus. Ungarn, das 1999 der Allianz beitrat, weigert sich heute, eine gemeinsame NATO-Politik gegen Russland in vollem Umfang mitzutragen. "Das ist nicht unser Krieg, das ist nicht der Krieg der NATO", meinen ungarische NATO-Diplomaten mit Blick auf die russischen Eroberungsversuche in der Ukraine. Deshalb werde sich Ungarn auch weigern, einem Finanzierungspaket im Umfang von 100 Milliarden Euro für die Ukraine zuzustimmen.

Stoltenberg hatte diesen Vorschlag gemacht, um die Militärhilfe für die Ukraine zu verstetigen. So richtig begeistert waren von dem Vorschlag nur wenige Ministerinnen oder Minister, denn er würde höhere Finanzzusagen erfordern. Außerdem würde die NATO eine stärkere formale Rolle übernehmen. Derzeit liefert die NATO als Organisation keine Waffen oder Munition. Das übernehmen die einzelnen Mitgliedsstaaten bilateral mit der Ukraine.

Im Moment koordinieren die USA die Bemühungen der einzelnen NATO-Mitgliedsstaaten. Ob das nach den US-Wahlen im November noch so weitergeht, ist fraglich. Sollte der radikale Republikaner Trump ins Weiße Haus zurückkehren, würde sich der Wind unter den NATO-Verbündeten wohl drehen. Trump hat bereits angekündigt, dass er keinen Cent mehr in die Ukraine überweisen würde. Der 76. Geburtstag der NATO im kommenden Jahr könnte also ganz anders werden als die Gedenkveranstaltung heute in Brüssel.

Das Interview führte Alexandra von Nahmen.

Warum wurde die NATO gegründet?

02:19

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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