Die Herkunft der Steinkolosse von Stonehenge scheint entschlüsselt. Doch die prähistorische Kultstätte gibt den Forschern noch viele weitere Rätsel auf.
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Von Stonehenge bis Carnac: steinerne Kultstätten
Jahrtausende alte mächtige Steinkreise und kolossale Statuen sind Zeugen einer längst vergangenen Epoche. Bis heute ziehen sie Besucher magisch in den Bann.
Bild: picture-alliance/A. Gusev
Weltberühmt: Stonehenge
Der Ort ist von einer magischen Aura umgeben. Das Geheimnis, warum die Menschen vor rund 4500 Jahren dieses Monument errichteten, ist bis heute nicht gelüftet. Wurden hier Rituale mit Menschenopfern abgehalten? War es ein Tempel? Ein Krönungsort oder ein Himmelsobservatorium? Noch heute zieht Stonehenge die Menschen in seinen Bann, jedes Jahr pilgern Zigtausende zur Wintersonnenwende hierher.
Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library/Historic England Archive/James O. Davies
Der Ring of Brodgar
Die Errichtung von Stonehenge lag noch 500 Jahre in der Zukunft, als die Avantgarde der Jungsteinzeit auf den Orkney-Inseln im heutigen Schottland um 3200 v. Chr. den "Ring of Brodgar" errichtete, einen riesigen Steinkreis mit 104 Metern Durchmesser und 60 Stelen, 27 stehen noch. Exportierten die Erbauer ihr Wissen nach Stonehenge? Und war der Ring eine astrologische Anlage? Man weiß es nicht.
Auch diese Megalithen wurden um 3100 vor Chr. auf einer der Orkney-Inseln aufgestellt. "Das war vor 5000 Jahren ein bedeutender Ort", sagt der Archäologe Nick Card. Er und sein Team graben seit Jahren, mittlerweile haben sie auf dem Areal auch 20 Häuser rekonstruiert. Im Zentrum befand sich eine Art Halle. Die Leute wohnten hier nicht dauerhaft, sondern kamen für Festlichkeiten her, glaubt Card.
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Die Hinkelsteine von Carnac
Die 7000 Jahre alten Menhire von Carnac faszinieren durch ihre Anordnung in gleichmäßigen Reihen über vier Kilometer hinweg. Rund 3000 Hinkelsteine von 0,5 bis vier Meter Höhe haben die Zeit überdauert. Es heißt, schon Cäsars Legionäre hätten staunend vor den Menhiren gestanden. Ob sie als Versammlungsort oder Pilgerstätte dienten? Das bleibt das Geheimnis der unbekannten Erbauer.
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Ales Stenar - Die Steine von Ale
Dieser Komplex bei Kåseberga auf einem Hügel über der Ostsee wird scherzhaft als "Schwedens Stonehenge" tituliert. Allerdings handelt es sich hier nicht um einen Kreis. Stattdessen formen 59 Steinblöcke einen 67 Meter langen und 19 Meter breiten Schiffsrumpf. Archäologen gehen davon aus, dass Ales Stenar vor 1400 Jahren als Grabstelle diente. In der Regel kommen jährlich um die 700.000 Besucher.
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Das Gräberfeld Pilane
Bei dem schwedischen Örtchen Bohuslän stehen weitere rund 100 Steinkreise und Gräber, die in der Eisenzeit angelegt wurden. Von dem Gräberfeld aus hat man einen weiten Blick über das Meer. Man vermutet, dass das beim Bau eine gewisse Rolle spielte - wenn man auch nicht genau weiß, welche. Forscher gehen davon aus, dass der Ort im Mittelalter als Thingplatz, als Versammlungsort, diente.
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Steinere Stelen im Altai-Gebirge
Im abgeschieden Katun-Tal im russischen Altai-Gebirge wurden diese steinernen Zeugen einer früheren Kultur entdeckt. Einige von ihnen weisen prähistorische Gravierungen auf. Wissenschaftler vermuten, dass es sich um eine sakrale Kultstätte handelt, die - ähnlich wie Stonehenge - vermutlich auch astronomischen Zwecken diente.
Bild: picture-alliance/dpa/E. Strigl
Boitiner Steintanz
Mitten im Wald beim mecklenburgischen Dorf Boitin trifft man auf vier Steinkreise. Ihre abgeschiedene Lage hat sicher dazu beigetragen, dass die Steine nicht zum Straßen- oder Hausbau verwendet wurden. Der Sage nach wurden hier Teilnehmer einer Bauernhochzeit in Felsen verwandelt, weil sie respektlos mit Würsten und Brot kegelten. Wahrscheinlicher ist, dass der Ort eine Begräbnisstätte war.
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Die Grabkammern von Lüdelsen
Die sechs erhaltenen Großsteingräber bei Lüdelsen in Sachsen-Anhalt stammen aus der Jungsteinzeit. Noch führen sie ein stiefmütterliches Dasein, aber zusammen mit rund 50 weiteren erhaltenen Hünengräbern soll eine gut 40 Kilometer lange "Megalith Route Altmark" entstehen, um Touristen anzulocken. Das damit verdiente Geld soll in die Pflege der jahrtausendealten Anlage gesteckt werden.
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Die Osterinsel-Kolosse
Moai werden die Statuen auf der Osterinsel mitten im Pazifik von den Einheimischen genannt - was nichts anderes bedeutet als "steinerne Figur". Forscher datieren das Alter der fast 900 Moai auf 1500 Jahre. Man vermutet, dass sie Häuptlinge oder Ahnen darstellen, die als Bindeglied zwischen der diesseitigen und jenseitigen Welt fungierten. Doch bewiesen ist das bis heute nicht.
Grau und verwittert trotzen die Findlinge seit Jahrtausenden Wind und Wetter. Ein Wunderwerk der steinzeitlichen Ingenieurskunst, erbaut zur Zeit der Pyramiden. Über 20 Tonnen wiegt jeder einzelne der 80 Megalithen, die bis zu sieben Meter in die Höhe ragen.
Was mag die Menschen in grauer Vorzeit dazu bewegt haben, diese gigantischen Felsblöcke hier aufzustellen? Es gibt viele Theorien dazu; die gängigste ist, dass Stonehenge als Observatorium diente, da die Strahlen der aufgehenden Sonne zur Sonnenwende genau ins Herz der Anlage scheinen. Denkbar ist auch, dass hier eine Begräbnisstätte lag oder heidnische Rituale vollzogen wurden. Der Londoner Archäologe Parker Pearson glaubt, dass früher bis zu ein Zehntel der damaligen Bevölkerung des heutigen Großbritanniens zu diesem Kultort strömten, um gemeinsam zu feiern. Seine These stützt er darauf, dass in der nahen Umgebung bis zu 80.000 Tierknochen gefunden wurden. Proviant für die Menschen? Stonehenge ist und bleibt ein Rätsel.
Steinzeitliche Schwerstarbeit
Der Bau von Stonehenge begann etwa 3100 vor Christus. Die heute noch sichtbaren Überreste des steinernen Monuments sind nur ein Bruchteil der einstigen Anlage im Süden Großbritanniens, die im Lauf der Jahrhunderte immer wieder verändert wurde. Im Umkreis von mehreren Quadratkilometern gab es weitere Anlagen, das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen.
Sicher ist, dass dieser Ort für seine Erbauer eine ganz besondere Bedeutung hatte. Anders lässt sich der riesige Aufwand nicht erklären: Wissenschaftler haben berechnet, dass mehrere Millionen Arbeitsstunden notwendig waren, um die Anlage zu errichten. Der Transport der Steine und das mühsame Aufstellen der Kolosse waren für die damalige Zeit eine ungeheure Herausforderung.
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Gesteinsanalyse erklärt Herkunft der Steine
Die kleineren Basaltsteine, das haben frühere Studien ergeben, stammen aus etwa 200 Kilometer entfernten Steinbrüchen im heutigen Wales. Die großen Felsblöcke sollen laut einer aktuellen Studie aus dem "West Woods" genannten Hügelland kommen, das rund 25 Kilometer nördlich von Stonehenge liegt. Vermutet wurde das schon lange, aber erst David Nash von der Universität Brighton und sein Team brachten den naturwissenschaftlichen Beweis. Natürlich konnten sie nicht einfach eine Steinprobe von dem UNESCO-Welterbe abkratzen, der Zufall kam ihnen zu Hilfe. Bei einer Restaurierung der Stätte wurden 1958 drei umgestürzte Megalithen wieder aufgerichtet. Dabei wurden Risse im Fels entdeckt. Um die Steine mit Metallbändern stabilisieren zu können, bohrten die Restauratoren Löcher durch die gesamte Breite. Die Bohrkerne, die sie benutzen, waren Jahrzehnte lang verschwunden - bis ein Angestellter der Bohrfirma sie 2018 zufällig wiederfand. Für die Forscher ein Glücksfall, denn anhand der Bohrkerne und mit hochkomplexen Analysen konnten sie die Herkunft der Steine eindeutig belegen.
Steinzeitlicher Schwertransport
Darüber, wie die frühen Briten die Felsbrocken zu ihrem Bestimmungsort transportiert haben, kann Nash, genau wie seine Kollegen, allerdings nur spekulieren. "Eventuell könnten sie Baumstämme als Rollen unter die Steine bugsiert haben", mutmaßt er. Vielleicht wurden sie auch auf Schlitten gezogen. Die Antwort liegt im Dunkeln.
Doch sicher ist: Auch heute noch zieht Stonehenge mehr als jedes andere prähistorische Monument die Menschen magisch an. In der Regel kommen jährlich rund 1,7 Millionen Besucher, um die steinzeitliche Kultstätte zu besichtigen. Bis 1986, bevor Stonehenge zum Weltkulturerbe ernannt wurde, kletterten die Besucher auf den steinernen Zeugen einer vergangen Epoche herum. Manche schlugen auch Steinstücke ab - als Souvenir oder weil sie ihnen magische Kräfte zuschrieben. Heute kann man Stonehenge nur noch hinter einer Absperrung bewundern.
Rituale zur Sonnenwende
Nur zur Winter- und Sommersonnenwende dürfen die Menschen näher ran. Neben Partygängern und Touristen kommen dann tausende Anhänger heidnischer Kulte und Neo-Druiden, spielen auf Flöten und Trommeln und begrüßen gemeinsam den Sonnenaufgang.
Stonehenge als Präsent für die Gattin
Jahrhundertelang war Stonehenge übrigens in Privatbesitz und gehörte den Landadeligen, auf deren Gelände es stand. Als der letzte Eigentümer im Ersten Weltkrieg fiel, ohne Erben zu hinterlassen, wurde sein Besitz auf einer Auktion versteigert - inklusive der Steinkreise. Ein gewisser Cecil Chubb, der eigentlich nur Stühle kaufen wollte, entschloss sich spontan, die prähistorische Kultstätte für 6600 Pfund zu erwerben und seiner Frau zu schenken. Die war alles andere als erfreut von dem Präsent; offenbar wären ihr Möbel lieber gewesen. Auf alle Fälle schenkte Chubb das Gelände 1918 dem britischen Staat, was ihm den Titel "First Baronet of Stonehenge" einbrachte. Ein glücklicher Ausgang, denn bei der Auktion waren Gerüchte laut geworden, ein Amerikaner wolle das Denkmal kaufen und ins Ausland verschiffen. Dann gäbe es Stonehenge in seiner heutigen Form nicht mehr - und die Welt wäre um ein Kulturerbe ärmer.