Das Durchschnittsalter der Rolling Stones liegt bei 72 Jahren. Ein halbes Jahrhundert Sex, Drugs & Rock 'n' Roll sieht man ihren Gesichtern an. Jetzt feiert das jüngste Bandmitglied Ron Wood seinen Siebzigsten.
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Ron Wood ist über Umwege zu den Stones gekommen. Seine Karriere beginnt in den frühen 1960ern als Gitarrist bei der britischen Band The Birds. Danach spielt er bei der Jeff Beck-Group Bass, bis er 1969 schließlich zusammen mit Rod Stewart zu den Small Faces stößt. Die nennen sich von nun an "The Faces" und machen als feuchtfröhliche Liveband Karriere. Später werden sie als eine der wichtigsten britischen Rockbands jener Jahre und Vorbilder der späteren Punkbands in die Musikgeschichte eingehen. Selbst in den sonst so kritischen USA werden The Faces gefeiert. Feiern - das tun auch die Musiker selbst gerne: vor, nach und während der Konzerte. Meistens sind sie genauso betrunken wie die Leute im Publikum - und wenn nach dem Gig die Hotelbar zu früh schließt, wird schon einmal ein Zimmer verwüstet. 1975 löst sich die Band auf.
Ein ruhiger Vertreter seiner Zunft
Inzwischen hat eine andere große Rockgruppe ein Personalproblem. Die Rolling Stones stehen ohne Gitarristen da, Mick Taylor ist abgesprungen. Die Band ist auf der Suche nach einem trinkfesten Ersatzmann, der in der Lage ist, ein Bier, eine Zigarette und eine Gitarre gleichzeitig zu halten. Die Stones fragen Ron Wood an, mit dem sie zuvor schon einmal im Studio gewesen sind. Er soll sie bei der US-Tour unterstützen. Ron spielt mit und verträgt sich so gut mit den Jungs, dass er Ende 1975 zum festen Bandmitglied wird. Allerdings erst als Angestellter, mit monatlichem Gehalt und ohne Gewinnbeteiligung am erfolgreichen Musikunternehmen "Rolling Stones Inc." Bis 1993 hält er diesen Zustand beinahe stoisch aus, dann wird auch er vollberechtigtes Mitglied.
Seiner ruhigen Art ist es zu verdanken, dass es nicht jeden Tag zwischen den beiden Alphamännchen Mick Jagger und Keith Richards knallt. Ron Wood ist bei den Stones der Fels in der Brandung, der sich gerne auch mal zwischen die Streithähne wirft. Er ist ein umgänglicher Teamplayer und spielt hinter Richards brav die Rhythmusgitarre. Und immer wieder Alkohol
Außerhalb der Band ist Ron Wood nicht ganz so ruhig. Mit seinen Drogen- und Alkoholexzessen sorgt er immer wieder für Schlagzeilen. Mehrere Entziehungskuren hat er hinter sich. 2006 muss die Rolling Stones-Europa-Tour verschoben werden, weil Ron betrunken von einer Kokospalme gefallen ist und am Kopf operiert werden muss.
2008 brennt er im Vollrausch mit der 19-jährigen russischen Kellnerin Ekaterina Ivanova nach Irland durch. Seine damalige Noch-Ehefrau Jo kommentiert dies so: "Sauf dich doch zu Tode." Die Ehe zerbricht nach 26 Jahren, Ron zieht mit der 42 Jahre jüngeren Ekaterina zusammen. Eine explosive Beziehung, die in lautstarken Krächen und schließlich einer Prügelei auf offener Straße endet. Das Paar trennt sich, Ekaterina rechnet in der Boulevardpresse mit Ron ab: "Er benimmt sich als wäre er zwölf Jahre alt."
Selbst seiner Band, die so viel Geduld mit ihm gehabt hat, wird es schließlich zu viel. 2010 droht Mick Jagger seinem Gitarristen mit dem Rauswurf, wenn er seine Trinkerei nicht unter Kontrolle bekomme.
Inzwischen scheint Ron Wood den Kampf gegen seine Alkoholsucht gewonnen zu haben. Nach zwei Ehen (aus der ersten mit Krissy Findlay hat er einen Sohn, mit der zweiten Frau Jo Howard hat er drei Kinder) ist er seit 2012 mit der Theaterproduzentin Sally Humphreys verheiratet. Die hat ihm zu seinem 69. Geburtstag direkt Zwillinge geschenkt. Nun ist Ron sechsfacher Vater mit fünf leiblichen Kindern und einem Adoptivsohn und mehrfacher Großvater.
Multitalent
Ron Wood hat neben der Musik noch mehr Talente. Mit zwölf Jahren beginnt er zu malen - lange bevor er mit dem Gitarrespielen anfängt. In den 1960ern studiert er Kunst am Ealing Art Collage in London. Er malt auch während seiner Musikerkarriere weiter. Motive findet er in seinen Bandkollegen, Tieren, Tänzern, Landschaften. Seine Ölgemälde, Radierungen, Lithographien und Holzschnitte verkaufen sich für beachtliche Preise. Seine Vorbilder reichen von Rembrandt bis Picasso, deren Stile er gerne mit seinem eigenen vermengt. Was er bei den Stones nicht macht, tut er hier: Die bildende Kunst ist seine ganz persönliche Ausdrucksform.
Stones-Tour startet im September
Kurz vor seinem runden Geburtstag musste Ron Wood wegen einer Lungenoperation ins Krankenhaus. Die Ärzte hatten eine Gewebeveränderung entdeckt. Kein Grund zur Beunruhigung, heißt es, Ron sei bald wieder auf dem Damm und habe außerdem soeben mit dem Rauchen aufgehört. Die kommende Tour der Stones sei nicht in Gefahr, ließ das Management verlauten.
Die "Stones - No Filter"-Tour beginnt am 9. September in Hamburg mit einem Auftritt im Stadtpark. Insgesamt sind 13 Konzerte in neun europäischen Ländern geplant. Am 12. September will die Band im Olympiastadion in München auftreten, am 16. September im österreichischen Spielberg, am 20. September in Zürich und am 9. Oktober in der Düsseldorfer Esprit Arena. Weitere Konzerte finden im italienischen Lucca, Barcelona, Amsterdam und Arnhem in den Niederlanden, Kopenhagen, Stockholm sowie Paris statt. Die Ticketpreise liegen zwischen 114 Euro (Amsterdam) und 339 Euro (Düsseldorf, München).
61 Jahre Rolling Stones
Ihr erstes Konzert spielten sie am 12. Juli 1962 im Londoner Marquee Club. Sechs Jahrzehnte später rocken die Rolling Stones immer noch die Bühnen dieser Welt. Und Mick Jagger wird 80.
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Die Stones feiern ihr 60-jähriges Jubiläum
Vier Teenager traten am 2. Juli 1962 im Marquee Club in der Londoner Oxford Street vor rund 100 Zuschauern auf die Bühne. Vorher hatten sie nur in Garagen gespielt. Sie traten als Ersatz für Alexis Korner an, weil der Blues-Musiker das vereinbarte Konzert aufgrund von gleichzeitig stattfindenden TV-Aufnahmen abgesagt hatte. Seitdem haben die Rolling Stones eine beispielhafte Karriere hingelegt.
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Die Anfänge: Rhythm & Blues
Mick Jagger und Keith Richards kennen sich schon aus der Schulzeit. 1962 gründen sie die Rolling Stones. Mit dabei beim ersten Konzert in London: Tony Chapman am Schlagzeug, Dick Taylor am Bass und Ian Stewart am Piano. Kurz darauf wird umbesetzt. Auf dem ersten Album "The Rolling Stones" (1964) spielt Brian Jones die zweite Gitarre, Bill Wyman den Bass und Charlie Watts die Drums.
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Bad Boy Band
1964 sind die Beatles mit ihren Feel-Good-Songs bereits auf dem Sprung zur Weltkarriere. Andrew Loog Oldham, damals Manager der Stones, will mit den "Rollenden Steinen" einen Gegenpol zu den Fab Four schaffen. Sie sollen sich als die "Bad Boys" der Musikszene einen Namen machen. Bei ihrem ersten TV-Auftritt in der Show "Ready Steady Go" wirken die Jungs allerdings noch ziemlich brav.
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Image-Wandel gelungen
Ein Jahr später kommen die Rolling Stones ins Westfälische: Im eher konservativen Münster spielen sie am 11. September ihr erstes Deutschlandkonzert. Die Polizei hat Mühe, die ausflippenden Fans im Zaum zu halten. Die meisten Münsteraner betrachten die Stones allerdings eher argwöhnisch. Dabei haben die Westfalen noch Glück - in Berlin zerlegen die Fans die Waldbühne geradezu.
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Sex, Drugs & Rock'n'Roll
Keine andere Rockband entspricht in den 1960er-Jahren mehr diesem Klischee als die Stones. Die Kombination von Rockmusik, freier Liebe und Drogenkonsum gehört einfach dazu. Stones-Gitarrist Brian Jones machen die Drogen aber leider krank. Im Juni 1969 verlässt er deshalb die Band. Kurze Zeit später ertrinkt er unter mysteriösen Umständen in seinem Swimmingpool.
Im Mai 1965 sind die Steine zum dritten Mal in den USA auf Tour. Erneut spielen sie überwiegend Coverversionen US-amerikanischer Hits. Sie haben noch zu wenig eigene Nummern. Eines Nachts fällt Keith eine Melodie ein und er zupft sie auf seiner Gitarre. Er findet sie so magisch, dass er sie aufnimmt und Mick vorspielt: Die Hookline ihres ersten Welthits "Satisfaction" ist geboren.
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Schock in Altamont
Das "Altamont Free Concert", initiiert vom Stones-Management, soll eine Gegenveranstaltung zu Woodstock sein. Neben den Stones auf der Bühne: u.a. Santana, Crosby, Stills, Nash & Young, Jefferson Airplane. Als die Stones auftreten, gibt es Rangeleien im Publikum. Immer wieder muss das Konzert unterbrochen werden. Als Aufpasser fungieren die immer aggressiver werdenden Hells Angels.
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Das Ende der Hippie-Ära
Die Stones spielen gerade "Under my Thumb", als vor der Bühne ein Mann zusammenbricht. Ein Hells Angel hat ihn mehrfach in den Rücken gestochen. Fassungslos steht die Band auf der Bühne. Später spielt sie das Konzert zu Ende. "Wenn Woodstock der Traum war", sagt der britische Fotograf Eamon McCabe später, "dann war Altamont der Albtraum." Die Hippiezeit ist an diesem 6.12.1969 endültig vorbei.
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1973 noch mit Mick Taylor (2.v.l.)
Die Siebziger bringen den Stones eine Menge Ärger. Vor allem wegen Steuerzahlungen. Die Band flüchtet nach Frankreich, wo sie 1972 mit "Exile On Main St" ein Album aufnimmt, das viele für die beste Stones-Platte überhaupt halten. 1974 steigt Gitarrist Mick Taylor aus und wird durch Ron Wood ersetzt.
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Die bösen 1970er
Äußerlich halten sie dem Rock'n'Roll die Stange, intern aber brodelt es. Keith Richards' Drogensucht bringt ihm eine Verhaftung und einen Entzug, Mick Jagger hat seinen eigenen Kopf. Musikalisch sind die Rebellen zum Establishment übergelaufen - sie springen auf mehrere Züge auf und versuchen sich in anderen Genres wie Funk (Miss You, 1978) und sogar Disco (Emotional Rescue, 1980).
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Geniale Liveband
Was auch immer zwischen den Bandmitgliedern geschehen ist: Anfang der 1980er raufen sie sich zusammen und machen das, was sie am besten können: live spielen. Als Band sind sie so gefragt, dass sie locker ganze Fußballstadien füllen - so auch 1982 in Deutschland, wo sie legendäre Shows gespielt haben, von denen jeder heute noch erzählt, der sie damals gesehen hat.
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Life und roh
Auch nach dem Ausstieg des Gründungsmitgliedes Bill Wyman 1993 machen die Stones einfach weiter und rutschen ins nächste Jahrtausend. Immer wieder wird von Abschiedstourneen gesprochen, doch immer wieder heißt es auch: eine Tour geht noch. Egal wie alt sie sind - ihre Livegigs sind ein Garant ihres Erfolges. 2003 rocken sie beispielsweise Moskau.
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Die "Herumtreiber"
Die Stones treiben sich auf der ganzen Welt herum. 2006 freuen sich die japanischen Fans über das Konzert in der Großstadt Saitama, nördlich von Tokio. Etwas später spielen die Stones in der serbischen Hauptstadt Belgrad. Der Bandname ist wohl vom Blues-Hit "Mannish Boy" von Muddy Waters inspiriert worden. Dort gibt es die Textzeile "I'm a rolling stone" - ein "Herumtreiber".
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Ein Mann, ein Gesicht
Mick Jagger ist nicht das einzige Charaktergesicht der Stones. Aber er zelebriert es am meisten. Auch mit fast 80 Jahren zieht er die wildesten Grimassen, wuselt wie ein verrückt gewordenes Aufziehmännchen mit ungebremster Energie über die Bühne, ist sich auch als Urgroßvater nicht zu schade für seinen Hüftschwung und prägt als Frontmann das Bühnenbild der Rolling Stones seit nunmehr 60 Jahren.
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Charlie Watts stirbt
Und dann erkrankt Charlie Watts an Krebs. Er gilt nach einer Strahlentherapie als genesen und geht weiter mit den Stones auf die großen Touren, viele Jahre noch. Zum letzten Mal sitzt er im August 2019 im Rahmen der "No Filter"-Tour am Schlagzeug, zwei Jahre später stirbt er 80-jährig im Krankenhaus. Die Stones haben ihren Ruhepol, ihr Rückgrat verloren.
Bild: Ian West/PA/picture alliance
Der neue Mann an den Drums
Steve Jordan wollte nur für ein paar Gigs einspringen und mit den Stones die "No Filter"-Tour zu Ende spielen. Doch nun sitzt er weiterhin im Maschinenraum der dienstältesten Rockband. Wobei er mit seinen 65 Jahren das Küken der Band ist und den Altersdurchschnitt erheblich senkt. Auch bei der Sixty-Europa-Tour 2022 war der Neue an den Drums unverzichtbar.