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Politik

Neues Gesetz gegen NGOs in Ungarn

18. Januar 2018

Die ungarische Regierung will mit einem neuen Gesetz zivilgesellschaftliche Organisationen unter Aufsicht stellen, die "illegale Migration" fördern - und entfernt sich damit noch weiter von rechtsstaatlichen Prinzipien.

Ungarn | Anti-Soros Plakate
Bild: AFP/Getty Images

Der Lieblingsfeind des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán heißt George Soros. Nach Orbáns Ansicht beabsichtigt der US-Milliardär ungarisch-jüdischer Abstammung, die christliche Kultur Europas zu zerstören und die europäischen Nationen zu vernichten. Zu diesem Zweck fördere er, so Orbán, die Invasion des Kontinents durch Millionen muslimischer Migranten. "Soros-Plan" nennt der ungarische Regierungschef dieses angebliche Vorhaben.

Zwar ist der "Soros-Plan" eine - nicht einmal besonders geschickte - Propagandalüge, die Zitate von Soros erfindet, verdreht oder in ihr Gegenteil verkehrt. Doch das hinderte Orbán und seine Regierungspartei Fidesz nicht daran, im letzten Jahr in Ungarn monatelang eine landesweite Hetzkampagne gegen Soros und seinen angeblichen Plan zu führen. Nun geht Ungarns Regierung einen Schritt weiter: Sie will ein so genanntes "Stop-Soros"-Gesetzespaket verabschieden, wie Innenminister Sándor Pintér am Mittwoch in Budapest ankündigte.

Strafsteuer, Meldepflicht und Einreisestopp für Kritiker

Das von der Regierung selbst so bezeichnete Paket richtet sich gegen die Tätigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen (NGOs) - eine der letzten noch funktionierenden Kontrollinstanzen der Macht in Ungarn. Es besteht aus drei Bestimmungen:

- Alle NGOs, die in irgendeiner Form zu "illegaler Migration" beitragen, müssen sich gerichtlich registrieren lassen und regelmäßig detaillierte Aktivitätsberichte vorlegen.

- NGOs, die mit "illegaler Migration" zu tun haben und mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen aus dem Ausland erhalten, müssen auf diese Einkünfte eine Strafsteuer von 25 Prozent zahlen.

- Ungarischen Staatsbürgern, die im Verdacht stehen, "illegale Migration" zu fördern, kann der Zutritt zu einem acht Kilometer breiten Streifen im Bereich der Schengen-Außengrenze verboten werden; ausländischen Staatsbürgern, die unter demselben Verdacht stehen, kann die Einreise verweigert werden.

Viktor Orbán führt einen Propaganda-Feldzug gegen George SorosBild: imago/Xinhua/S. Voros

Falls das Parlament die Bestimmungen verabschiedet, entfernt sich Ungarn damit weiter von Rechtsstaatlichkeit und europäischen Grundwerten und nähert sich repressiven Zuständen wie in Russland an, meinen kritische Beobachter. "Ich bezweifele, dass diese Bestimmungen verfassungsmäßig und mit den europäischen Grundlagenverträgen vereinbar sind", sagt der Politologe Attila Tibor Nagy vom Budapester Méltányosság-Institut im Gespräch mit der Deutschen Welle. "In einem Rechtsstaat müssen zivile Organisationen frei funktionieren. Doch das Ausmaß der Besteuerung ist so groß, dass eine freie Arbeit dieser Organisationen nicht mehr gewährleistet ist."

Außerdem, so Nagy, sei es rechtsstaatlich sehr problematisch, einen politischen Begriff wie "illegale Migration" in einem juristischen Kontext zu verwenden. Wenn er dazu diene, die Freizügigkeit einzuschränken, dann sei das sehr weit gefasst.

Heimliche Flüchtlingsaufnahme

Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Ungarn bezweifeln, dass die Bestimmungen des Gesetzespaketes in dieser Form verabschiedet werden können. "Es ist ganz klar, dass die Regierung zum wiederholten Mal versucht, die Stimme der Kritik zum Schweigen zu bringen - und das vermutlich so nicht erreichen kann", sagt Máté Szabó, der Direktor der "Gesellschaft für Freiheitsrechte" (TASZ), einer der wichtigsten ungarischen Bürgerrechtsorganisationen, gegenüber ungarischen Medien. Szabó verwies darauf, dass es vermutlich keine rechtliche Grundlage dafür gäbe, Einkünfte wegen ihrer ausländischen Herkunft zu versteuern.

Ungarn protestieren in Budapest gegen die Regierungskampagne gegen SorosBild: picture-alliance/AP Photo/MTI/Z. Balogh

Erst einmal erfüllt das "Stop-Soros"-Gesetzespaket eine PR-Funktion, denn am 8. April findet in Ungarn die Parlamentswahl statt. Umfragen lassen kaum Zweifel daran, dass Orbáns Fidesz-Partei siegen wird, zumal das Wahlgesetz exakt auf die Bedürfnisse der Regierungspartei zugeschnitten ist. Kritische Wahlforscher und Rechtsexperten sprechen deshalb davon, dass Wahlen in Ungarn zwar frei seien, aber unter unfairen Rahmenbedingungen stattfänden. Doch auch so steht eine neue Zwei-Drittel-Mehrheit für Orbán in Frage. Deshalb, so glauben viele Beobachter, setze Orbán mit Ankündigungen wie dem "Stop-Soros"-Gesetzespaket auf maximale Polarisierung im Wahlkampf.

Das Gesetzespaket kommt außerdem zu einem  für die Regierung peinlichen Zeitpunkt. Aus Versehen hatte ein Staatssekretär des Außenministeriums kürzlich ausgeplaudert, dass die Regierung "heimlich" 1.300 Flüchtlinge aufgenommen habe - mehr als die von ihr so vehement abgelehnte Quote von 1.294 Flüchtlingen. Angesichts dessen fragt die Opposition nun süffisant, wie es denn um die angeblich so schlimme Migrantengefahr bestellt sei.

Wer in Ungarn Flüchtlingen hilft, macht sich strafbarBild: picture-alliance/Zuma Press/London News Pictures/P. Hackett

Kritiker zum Schweigen bringen

Letztlich dürfte es Orbán mit dem "Stop-Soros"-Gesetzespaket durchaus ernst meinen. Immerhin ließ er letztes Jahr gegen massive Kritik aus dem In- und Ausland bereits ein erstes Gesetz gegen zivile Organisationen verabschieden. Das verpflichtet diese, sich als "ausländisch finanziert" zu bezeichnen und in ein entsprechendes öffentliches Register einzutragen, wenn die Einkünfte aus dem Ausland einen bestimmten Schwellenwert überschreiten. Schon dieses Gesetz erinnerte stark an ein russisches Äquivalent aus dem Jahre 2012, mit dem Nicht-Regierungsorganisationen als "ausländische Agenten" etikettiert werden können.

Für die Wochenzeitung "hvg" ist die jetzige Lage deshalb klar: "Das 'Stop-Soros'-Gesetzespaket ist zwar erst einmal ein Wahlkampfmanöver. Aber wenn dieses PR-Produkt am 8. April erfolgreich ist, dann kann die Macht sich ohne gesellschaftliche Debatten weiter in die bekannte Richtung bewegen."

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