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Stotz: "Fußballmacht China? Unmöglich!"

20. November 2017

China will in naher Zukunft Weltmeister werden. Dafür investiert das Land viel Geld in den Fußball. Im DW-Interview erklärt Super-League-Trainer Kevin Stotz, warum das unrealistisch ist - es scheitert an simplen Dingen.

China Chandong Luneng Mannschaft - Fussball
Bild: Kevin Stotz

DW: Kevin Stotz, Sie haben vor knapp zwei Jahren beim Verein Shandong Luneng gemeinsam mit Felix Magath als Trainer angefangen. Erinnern Sie sich noch, wie der Start in China war?

Das ist eine ganz andere Welt. Das Land hat 1,3 Milliarden Einwohner, das sind ganz andere Dimensionen. Die Chinesen sind sehr freundlich, aber auch speziell. Sie laufen über die Straßen und schauen nur auf ihr Handy, sie nehmen ihre Umwelt kaum wahr und laufen einen über den Haufen.

Auch das Verkehrschaos hat mich überrascht. Es gibt zwar Blinker, die aber nicht eingesetzt werden. Es gibt gefühlt nur die Hupe und die wird immer betätigt. Wir durften selbst auch kein Auto fahren, das wurde von Vereinsseite her verboten. Man kann sich das nicht vorstellen. Derjenige, der rechts abbiegen will, steht auf der linken Seite und umgekehrt. Dazu kommt, dass die Chinesen fast gar kein Englisch sprechen - ohne Dolmetscher konnten wir uns fast nicht verständigen.

Protest oder Provokation?

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Hat die sprachliche Barriere auch den Start im Verein erschwert?

Das war schon sehr ungewohnt für mich und auch für Felix. Wir haben immer über Dolmetscher kommuniziert. Wir hatten dann ja auch Spieler aus dem Ausland - das heißt, das die auch nochmal einen Dolmetscher hatten. Die Anweisungen vom Trainerteam gingen dann meistens über mehrere Ecken und das war schon sehr gewöhnungsbedürftig. Man hat den Jungs etwas Kurzes gesagt und die Dolmetscher haben eine gefühlte halbe Stunde übersetzt (lacht).

Wie haben Sie sich selbst wahrgenommen? Mehr als Entwicklungshelfer oder als Trainer, der den sportlichen Erfolg sucht?

Beides. Wir haben einen langfristigen Vertrag unterschrieben, weil wir etwas entwickeln wollten. Das haben wir ja auch recht schnell geschafft. Als wir den Klub übernommen haben, waren sie Tabellenletzter. Wir haben dann den Klassenerhalt geschafft. Felix hatte den Ansatz, vor allem im konditionellen Bereich zu arbeiten. Durch sportwissenschaftliche Tests sieht man, dass die Spieler auch besser geworden sind und sich weiter entwickelt haben. Trotzdem sind sie vom Bundesliga-Niveau noch recht weit entfernt.

Sie selbst haben es als Trainer in die chinesischen Geschichtsbücher geschafft, das ist noch nicht vielen Menschen in ihrem Alter gelungen.

Kevin Stotz beim TrainingBild: Kevin Stotz

Ja, das stimmt. Ich bin jetzt 27 Jahre alt und es gab in der chinesischen Super League noch nie einen so jungen Trainer, der auch noch erfolgreich gearbeitet hat. Wir haben diese Saison auf Rang sechs abgeschlossen und das Team vor anderthalb Jahren auf dem letzten Platz übernommen - das macht mich auch ein bisschen stolz.

Wie schätzen Sie die chinesische Fußballbegeisterung ein?

Die Chinesen sind sehr fußballbegeistert. Fußball ist im Land die Nummer eins, noch vor Tischtennis. Als wir nach China gekommen sind, hatten wir einen Zuschauerschnitt von 20.000, in unserer zweiten Saison waren dann schon 35.000 Menschen bei den Spielen. Natürlich ziehen auch die ausländischen Stars die Zuschauer jetzt noch mehr in die Stadien.

Die chinesischen Vereine haben vor einem Jahr viele Millionen Euro in internationale Stars wie Hulk (50 Millionen), Oscar (71 Mio.) oder Alex Teixeira (50 Mio.) investiert. Wie war der Ablauf eines Transfers?

(lacht) Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel. Wenn wir neue Kugelschreiber, also ganz banale Dinge, haben wollten, mussten wir Formulare ausfüllen und die mussten dann zehn Stufen durchlaufen, alles musste abgesegnet werden. Das ist schon etwas kompliziert. Der technische Direktor von Shanghai SIPG hat mir mal erzählt, dass der Transfer des Brasilianers Hulk mindestens genauso kompliziert war, wie die Bestellung von Büro-Material. Das war schon sehr ungewohnt, vorsichtig gesagt.

Wie professionell arbeiten die chinesischen Vereine?

Unser Klub Shandong Luneng war vom Vereinsgelände her top aufgestellt, davon träumen manche Bundesligisten. Wir hatten sieben Rasenplätze, ein eigenes Fitnessstudio, in der medizinischen Abteilung standen die modernsten Geräte. Es gab eine Kooperation mit der Sporthochschule Köln, die hin und wieder zu uns nach Jinan gekommen sind und Tests gemacht haben. Man hat alles, was man braucht, weil Geld in China auch keine große Rolle spielt. 

Beste Bedingungen: Trainingsgelände und Stadion bei Shangdong lassen keine Wünsche offenBild: Kevin Stotz

Aber es steckt eben noch alles in den Kinderschuhen. Das Fitnessstudio hat beispielsweise immer noch neu gerochen, es wurde eben noch nicht richtig genutzt. Da muss man die Spieler dann erstmal hinführen, aber dafür waren wir ja da. Um ihnen zu zeigen, was man wann und wie verwendet.

Das heißt die Entwicklung hat gerade erst angefangen?

Das würde ich so nicht sagen, auch wenn der große Boom der letzten Jahre vielleicht erstmal vorbei ist. Es hat sich vieles geändert. Es wird jetzt mehr in den Nachwuchsbereich investiert. Früher war es in der Tat so, dass alte Stars, die noch einmal etwas erleben wollten, nach China gegangen sind, um natürlich auch finanziell noch etwas mitzunehmen. Inzwischen hat sich das Blatt aber etwas gewendet, jetzt werden vermehrt Spieler im besten Alter verpflichtet - wie zum Beispiel der Brasilianer Oscar. Diesen Trend sieht man auch bei den Trainern. Roger Schmidt zum Beispiel, der auch noch recht jung ist.

Felix Magath mit Fans in ShangdongBild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/Zhou Qingxian

Haben die Chinesen denn die angesprochene Geduld für das von Staatspräsident Xi Jinping ausgerufene "Projekt Fußball-Großmacht". Er möchte sein Team in der Weltspitze sehen?

Ich habe mich schon oft mit vielen Menschen über das Thema unterhalten und viele sagen, dass sie es nicht mehr erleben werden, dass China eine Fußballmacht wird. Auch ich mit meinen 27 Jahren sage, dass ich es wohl auch nicht mehr erleben werde. Es ist einfach ein langer steiniger Weg.

Bis 2050 will China an der Weltspitze angekommen sein und Weltmeister werden?

Wir können uns gerne 2050 noch einmal unterhalten, aber ich glaube, dann sprechen wir immer noch nicht über eine chinesische Fußballmacht. Ich glaube, dass es nahezu unmöglich ist. Mit Sicherheit wird sich etwas entwickeln und man wird auch Fortschritte erzielen. China wird sicher auch mal bei einer Weltmeisterschaft dabei sein, aber dass man dann Länder wie Deutschland oder Brasilien hinter sich lässt, das ist unrealistisch.

Kevin Stotz wurde 1990 in Heidelberg geboren. Nach dem Studium der Sportwissenschaften und hospitierte er im Anschluss unter anderem bei 1899 Hoffenheim und Hertha BSC und arbeitet gemeinsam mit Felix Magath bei Fulham FC. Stotz ist in Besitz der Trainer-B-Lizenz und unterschrieb 2016 einen Vertrag beim chinesischen Erstligisten Shandong Luneng.

Das Interview führte Thomas Klein.

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